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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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für sich allein ein continuirliches Spectrum (ohne Frauenhofersche Linien) von
einer Lichtstärke gibt, die eine gewisse Grenze übersteigt. Die wahrscheinlichste
Annahme, die man machen kann, ist die. daß die Sonne aus einem festen
oder tropfbarflüssigen, in der höchsten Glühhitze befindlichen Kern besteht, der
umgeben ist von einer Atmosphäre von etwas niedrigerer Temperatur."

Laplace war auf einem ganz anderen Wege, aus Gründen der Mechanik, zu
der Annahme geleitet worden, daß unser ganzes Sonnensystem einst ein zu-
sammenhängender Nebel von ungeheurer Ausdehnung gewesen sei, durch dessen
Zusammenziehung in einzelne Ballen die Sonne und die Planeten entstanden.
Wenn Laplace's Annahme richtig ist, so kann es nicht auffallen, daß sich eine
Zahl irdischer Stoffe in der Sonne wiederfindet, da die Substanz der beiden
Körper einst in jenem Nebel gemengt gewesen ist, und umgekehrt gibt die That¬
sache, daß in der Sonne sich einige irdische Stoffe vorfinden, einen neuen Be¬
weis für die Richtigkeit der Laplaceschen Hypothese, der zu Folge die aus dem
ursprünglichen Nebel entstandenen Körper in einen glühendslüssigen Zustand
übergehen mußten, in einen Zustand, in welchem sich die Sonne noch jetzt be¬
findet. Bei uns ist es freilich seitdem kälter geworden, da unsere, im Ver¬
hältniß zur Sonne winzig kleine Erde natürlich rascher auskühlen mußte; daß
aber auch sie einst in feuerflüssigem Zustande gewesen sei, daß wahrscheinlich
noch jetzt der innere Kern der Erde sich in diesem Zustand befindet, darüber
lassen die geologischen Thatsachen keinen Zweifel. Und wenn Untersuchungen
von solcher Strenge, wie die von Kirchhofs und'Laplace von den verschiedensten
Gesichtspunkten aus zu denselben Folgerungen führen, so gewinnt die eben vor¬
getragene Anschauungsweise schon durch dieses Zusammentreffen einen Grad
der Gewißheit, der jeden, aus bloßer Verwundrung hervorgehenden Zweifel
ungerechtfertigt erscheinen läßt. Wir können es auch als eine weitere Bestäti¬
gung für Kirchhoffs oben citirte Ansicht von dem Zustande der Sonne betrach¬
ten, daß diese Ansicht eine so ungezwungene Erklärung der Sonnenflecken und
Sonnenfackeln gestattet. Nach Kirchhofs kommt Galilei's Deutung der Sonnen¬
flecken wieder zu Ehren, wonach dieselben Wolken der Sonnenatmosphäre sind.
Lichtadern oder Sonnenfackeln müssen dann entstehen, wenn an der Oberfläche
der Sonne Körper sichtbar werden, welche ein größeres Ausstrahlungsvermögen
oder eine höhere Temperatur als ihre Umgebung besitzen. Daß derartige Ver¬
änderungen auf der Sonne denkbar sind, geht aus Scachi's Beobachtungen
hervor, wonach die Pole der Sonne weniger heiß sind, als die Aequatorial-
gegenden derselben. Es müssen, wie Kirchhofs folgert, dadurch beständige Winde
veranlaßt werden, welche von den Polen aus gegen den Aequator an der
Oberfläche des Sonnenkörpers hinströmen, während umgekehrt ein oberer Pas¬
sat von dem Aequator zu den Polen hinfließt. Diese Winde müssen so gut
wie die entsprechenden der Erdatmosphäre, die Bildung von Wolken veram-


für sich allein ein continuirliches Spectrum (ohne Frauenhofersche Linien) von
einer Lichtstärke gibt, die eine gewisse Grenze übersteigt. Die wahrscheinlichste
Annahme, die man machen kann, ist die. daß die Sonne aus einem festen
oder tropfbarflüssigen, in der höchsten Glühhitze befindlichen Kern besteht, der
umgeben ist von einer Atmosphäre von etwas niedrigerer Temperatur."

Laplace war auf einem ganz anderen Wege, aus Gründen der Mechanik, zu
der Annahme geleitet worden, daß unser ganzes Sonnensystem einst ein zu-
sammenhängender Nebel von ungeheurer Ausdehnung gewesen sei, durch dessen
Zusammenziehung in einzelne Ballen die Sonne und die Planeten entstanden.
Wenn Laplace's Annahme richtig ist, so kann es nicht auffallen, daß sich eine
Zahl irdischer Stoffe in der Sonne wiederfindet, da die Substanz der beiden
Körper einst in jenem Nebel gemengt gewesen ist, und umgekehrt gibt die That¬
sache, daß in der Sonne sich einige irdische Stoffe vorfinden, einen neuen Be¬
weis für die Richtigkeit der Laplaceschen Hypothese, der zu Folge die aus dem
ursprünglichen Nebel entstandenen Körper in einen glühendslüssigen Zustand
übergehen mußten, in einen Zustand, in welchem sich die Sonne noch jetzt be¬
findet. Bei uns ist es freilich seitdem kälter geworden, da unsere, im Ver¬
hältniß zur Sonne winzig kleine Erde natürlich rascher auskühlen mußte; daß
aber auch sie einst in feuerflüssigem Zustande gewesen sei, daß wahrscheinlich
noch jetzt der innere Kern der Erde sich in diesem Zustand befindet, darüber
lassen die geologischen Thatsachen keinen Zweifel. Und wenn Untersuchungen
von solcher Strenge, wie die von Kirchhofs und'Laplace von den verschiedensten
Gesichtspunkten aus zu denselben Folgerungen führen, so gewinnt die eben vor¬
getragene Anschauungsweise schon durch dieses Zusammentreffen einen Grad
der Gewißheit, der jeden, aus bloßer Verwundrung hervorgehenden Zweifel
ungerechtfertigt erscheinen läßt. Wir können es auch als eine weitere Bestäti¬
gung für Kirchhoffs oben citirte Ansicht von dem Zustande der Sonne betrach¬
ten, daß diese Ansicht eine so ungezwungene Erklärung der Sonnenflecken und
Sonnenfackeln gestattet. Nach Kirchhofs kommt Galilei's Deutung der Sonnen¬
flecken wieder zu Ehren, wonach dieselben Wolken der Sonnenatmosphäre sind.
Lichtadern oder Sonnenfackeln müssen dann entstehen, wenn an der Oberfläche
der Sonne Körper sichtbar werden, welche ein größeres Ausstrahlungsvermögen
oder eine höhere Temperatur als ihre Umgebung besitzen. Daß derartige Ver¬
änderungen auf der Sonne denkbar sind, geht aus Scachi's Beobachtungen
hervor, wonach die Pole der Sonne weniger heiß sind, als die Aequatorial-
gegenden derselben. Es müssen, wie Kirchhofs folgert, dadurch beständige Winde
veranlaßt werden, welche von den Polen aus gegen den Aequator an der
Oberfläche des Sonnenkörpers hinströmen, während umgekehrt ein oberer Pas¬
sat von dem Aequator zu den Polen hinfließt. Diese Winde müssen so gut
wie die entsprechenden der Erdatmosphäre, die Bildung von Wolken veram-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/514>, abgerufen am 23.07.2024.