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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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benutzte dies Geld zur definitiven Durchführung einer Organisation, welche
jetzt kaum wieder rückgängig zu machen ist. Seitdem herrscht die Ansicht vor,
daß man namentlich Herrn von Roon gegenüber den Knopf auf dem Beutel
halten muß. Deshalb wünscht man, jene 31 Millionen nicht en dive zu be¬
willigen, sondern in einzelnen Positionen, an deren Jnnehaltung der Minister
gebunden sein soll.

. Die Schwierigkeit der Budget-Frage liegt offenbar darin, daß man die
richtige Grenze zwischen der Controle der .stammer und der freien Bewegung
der Regierung finde. Nach beiden Seiten kann man zu weit gehen. Wollte
die Kammer die Summen bestimmen, welche für Feuerung und Heizung in
jedem einzelnen Amtslocal der preußischen Monarchie zu verwenden sind,
so Wäre das eine Absurdität, deren Unausführbarkeit auf der Hand liegt.
Aber eben so bedenklich ist das andere Extrem, wenn man dem Kriegsminister
31 Millionen vn divo bewilligt. Es handelt sich darum, daß einerseits eine
wirksame Controle des Abgeordnetenhauses möglich, und andererseits doch der
Regierung diejenige Freiheit erhalten werde, welche zu einer erfolgreichen
Finanzverwaltung erforderlich ist.

Mit der Lösung dieser Schwierigkeit hat man sich seit dem Beginn
unseres Verfassungslebens beschäftigt. Schon bei der Prüfung des ersten den
preußischen Kammern vorgelegten Budgets für 1849--50 kam die Sache zur
Sprache. Damals vereinigten beide Kammern sich über den Grundsatz, daß
Überschreitungen der einzelnen Etatstitcl bei den Staatsausgaben auch dann
nicht stattfinden dürfen, wenn solche durch Ersparnisse bei anderen Titeln
desselben Etats gedeckt werden, und daß daher auch solche Etatsüberschreitungcn
der nachträglichen Genehmigung der Kammern bedürfen. Den gleichen Grund¬
satz stellte die zweite Kammer im folgenden Jahre bei dem Etat für 1851
auf; aber schon damals trat die erste Kammer dem nicht bei, sondern er¬
klärte im Gegentheil, daß "als Etatsüberschreitungcn nur solche Ausgaben
anzusehen sind, welche bei den in dein Staatshaushaltungs-Haupt-Etat aus¬
gebrachten Positionen als Mehrausgaben hervortreten." Dies war in der
Zeit der fortschreitenden Reaction; schon im folgenden Jahr, bei der Prüfung
des Budgets für 1852, schlug die Commission der zweiten Kammer vor, dem
im vorigen Jahre von der ersten Kammer angenommenen Grundsatz beizu-
treten. Diesem Vorschlag gegenüber vertheidigte damals (3. Febr. 1852) der
Abgeordnete von Patow mit besonderem Nachdruck den früheren Grundsatz;
er zeigte, daß die Kammern allerdings das Recht haben, auf die einzelnen
Verwnltungs-Etats wieder zurückzugehen, und daß das Genehmigungsrecht der
Kammern fast illusorisch werde, wenn sie gezwungen würden, sich bei der
Prüfung der Etatsüberschreitungcn lediglich auf den Hauptetat zu beschränken.
Der Abgeordnete Camphausen war damals der Ansicht, daß diese Frage ihre


benutzte dies Geld zur definitiven Durchführung einer Organisation, welche
jetzt kaum wieder rückgängig zu machen ist. Seitdem herrscht die Ansicht vor,
daß man namentlich Herrn von Roon gegenüber den Knopf auf dem Beutel
halten muß. Deshalb wünscht man, jene 31 Millionen nicht en dive zu be¬
willigen, sondern in einzelnen Positionen, an deren Jnnehaltung der Minister
gebunden sein soll.

. Die Schwierigkeit der Budget-Frage liegt offenbar darin, daß man die
richtige Grenze zwischen der Controle der .stammer und der freien Bewegung
der Regierung finde. Nach beiden Seiten kann man zu weit gehen. Wollte
die Kammer die Summen bestimmen, welche für Feuerung und Heizung in
jedem einzelnen Amtslocal der preußischen Monarchie zu verwenden sind,
so Wäre das eine Absurdität, deren Unausführbarkeit auf der Hand liegt.
Aber eben so bedenklich ist das andere Extrem, wenn man dem Kriegsminister
31 Millionen vn divo bewilligt. Es handelt sich darum, daß einerseits eine
wirksame Controle des Abgeordnetenhauses möglich, und andererseits doch der
Regierung diejenige Freiheit erhalten werde, welche zu einer erfolgreichen
Finanzverwaltung erforderlich ist.

Mit der Lösung dieser Schwierigkeit hat man sich seit dem Beginn
unseres Verfassungslebens beschäftigt. Schon bei der Prüfung des ersten den
preußischen Kammern vorgelegten Budgets für 1849—50 kam die Sache zur
Sprache. Damals vereinigten beide Kammern sich über den Grundsatz, daß
Überschreitungen der einzelnen Etatstitcl bei den Staatsausgaben auch dann
nicht stattfinden dürfen, wenn solche durch Ersparnisse bei anderen Titeln
desselben Etats gedeckt werden, und daß daher auch solche Etatsüberschreitungcn
der nachträglichen Genehmigung der Kammern bedürfen. Den gleichen Grund¬
satz stellte die zweite Kammer im folgenden Jahre bei dem Etat für 1851
auf; aber schon damals trat die erste Kammer dem nicht bei, sondern er¬
klärte im Gegentheil, daß „als Etatsüberschreitungcn nur solche Ausgaben
anzusehen sind, welche bei den in dein Staatshaushaltungs-Haupt-Etat aus¬
gebrachten Positionen als Mehrausgaben hervortreten." Dies war in der
Zeit der fortschreitenden Reaction; schon im folgenden Jahr, bei der Prüfung
des Budgets für 1852, schlug die Commission der zweiten Kammer vor, dem
im vorigen Jahre von der ersten Kammer angenommenen Grundsatz beizu-
treten. Diesem Vorschlag gegenüber vertheidigte damals (3. Febr. 1852) der
Abgeordnete von Patow mit besonderem Nachdruck den früheren Grundsatz;
er zeigte, daß die Kammern allerdings das Recht haben, auf die einzelnen
Verwnltungs-Etats wieder zurückzugehen, und daß das Genehmigungsrecht der
Kammern fast illusorisch werde, wenn sie gezwungen würden, sich bei der
Prüfung der Etatsüberschreitungcn lediglich auf den Hauptetat zu beschränken.
Der Abgeordnete Camphausen war damals der Ansicht, daß diese Frage ihre


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/482>, abgerufen am 28.12.2024.