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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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genommen. Die Frage also ist diese, ob die Regierung nur an die in
den Hauptctat aufgenommenen und durch die Gesetzsammlung publicir-
ten Hauptsummen gebunden ist, oder auch an die einzelnen Summen
des Verwaltungs-EtatZ, aus deren Zusammenaddirung jene Hauptsum¬
men entstanden sind. Je nachdem niam diese Frage beantwortet, ergibt
sich der Begriff der Eiatsüberschrcitung, zu welcher nach Art. 104 der Ver-
fassung die nachträgliche Genehmigung der Kammern erforderlich ist. Nach
der einen Ansicht liegt eine Etalsüberschreitung nur dann vor, wenn die
Summen des Hauptetats überschritten sind; die andere Ansicht aber erklärt
es bereits für eine unstatthafte Etatsüberschreitung, wenn zwar im Ganzen
die Summen des Hauptelats innegehalten, aber innerhalb derselben die ein¬
zelnen Positionen des Verwaltungsetats überschritten, und also Mittel, die
zu bestimmten Zwecken bewilligt waren, zu andern fremdartigen Ausgaben
verwendet worden sind.

Die Landesvertretung ist gewiß in ihrem vollsten Recht, wenn sie auf
diesem Gebiet strenge an ihren Befugnissen festhält. Es handelt sich hier in
der That um die Frage, ob die Steuerbewilligung und die Controle der
Finanzverwaltung eine Wahrheit oder ein Gaukelspiel sein soll. Denn das
Neckt der Steuerbewilligung besteht doch nicht blos darin, daß der Negierung
gewisse große Summen in Bausch und Bogen zur Verfügung gestellt werden,
sondern die Bedeutung dieses Rechts liegt darin, daß die Zwecke, für welche
die bewilligten Gelder verwendet werden sollen, mit der Landesvertretung
vereinbart werden. An einem Beispiel wird die Bedeutung der Sache so¬
gleich einleuchtend weiden. Einer der Titel des Hcinptetats will dem Kriegs¬
minister die Summe von 31,038,812 Thlv. "zur Verpflegung, Ausrüstung
und Ergänzung der Truppen" zur Verfügung stellen. Soll ihm diese Summe
in Bausch und Bogen bewilligt werden? Soll der Kriegsminister das Recht
haben, über Ersparnisse, welche er vielleicht auf einem Gebiete der Militärver¬
waltung macht, zu jedem beliebigen Zweck zu verfügen, so lange er nur im
Ganzen jene Summe von 31 Millionen nicht überschreitet? Solche Erspar-
nisse können sehr bedeutend weiden, selbst ohne daß man sie künstlich herbei¬
zuführen braucht, z. B. wenn die Preise von Roggen, Hafer, Heu und Stroh
erheblich sinken. Mit sorgsamer Nachhülfe lassen sich die Ersparnisse leicht
auf ein Paar Millionen steigern. Wer hindert dann den Kriegsminister,
aus seinen Ersparnissen ein Paar neue Kavallerieregimenter oder gar neue
Cadettenhäuser zu errichten? Unser Kriegsminister hat selbst erklärt, daß er die
Ausgaben für die Armee als die productivsten Ausgaben betrachte. Aber
die Landesvertretung ist nicht geneigt, ihm unbedingt zu folgen. Vor zwei
Jahren bewilligte das Abgeordnetenhaus dem Kriegsminister neun Millionen
"zur einstweiligen Aufrechterhaltung der Kriegsbereitschaft". Herr von Roon


Grenzboten I. 1862. 60

genommen. Die Frage also ist diese, ob die Regierung nur an die in
den Hauptctat aufgenommenen und durch die Gesetzsammlung publicir-
ten Hauptsummen gebunden ist, oder auch an die einzelnen Summen
des Verwaltungs-EtatZ, aus deren Zusammenaddirung jene Hauptsum¬
men entstanden sind. Je nachdem niam diese Frage beantwortet, ergibt
sich der Begriff der Eiatsüberschrcitung, zu welcher nach Art. 104 der Ver-
fassung die nachträgliche Genehmigung der Kammern erforderlich ist. Nach
der einen Ansicht liegt eine Etalsüberschreitung nur dann vor, wenn die
Summen des Hauptetats überschritten sind; die andere Ansicht aber erklärt
es bereits für eine unstatthafte Etatsüberschreitung, wenn zwar im Ganzen
die Summen des Hauptelats innegehalten, aber innerhalb derselben die ein¬
zelnen Positionen des Verwaltungsetats überschritten, und also Mittel, die
zu bestimmten Zwecken bewilligt waren, zu andern fremdartigen Ausgaben
verwendet worden sind.

Die Landesvertretung ist gewiß in ihrem vollsten Recht, wenn sie auf
diesem Gebiet strenge an ihren Befugnissen festhält. Es handelt sich hier in
der That um die Frage, ob die Steuerbewilligung und die Controle der
Finanzverwaltung eine Wahrheit oder ein Gaukelspiel sein soll. Denn das
Neckt der Steuerbewilligung besteht doch nicht blos darin, daß der Negierung
gewisse große Summen in Bausch und Bogen zur Verfügung gestellt werden,
sondern die Bedeutung dieses Rechts liegt darin, daß die Zwecke, für welche
die bewilligten Gelder verwendet werden sollen, mit der Landesvertretung
vereinbart werden. An einem Beispiel wird die Bedeutung der Sache so¬
gleich einleuchtend weiden. Einer der Titel des Hcinptetats will dem Kriegs¬
minister die Summe von 31,038,812 Thlv. „zur Verpflegung, Ausrüstung
und Ergänzung der Truppen" zur Verfügung stellen. Soll ihm diese Summe
in Bausch und Bogen bewilligt werden? Soll der Kriegsminister das Recht
haben, über Ersparnisse, welche er vielleicht auf einem Gebiete der Militärver¬
waltung macht, zu jedem beliebigen Zweck zu verfügen, so lange er nur im
Ganzen jene Summe von 31 Millionen nicht überschreitet? Solche Erspar-
nisse können sehr bedeutend weiden, selbst ohne daß man sie künstlich herbei¬
zuführen braucht, z. B. wenn die Preise von Roggen, Hafer, Heu und Stroh
erheblich sinken. Mit sorgsamer Nachhülfe lassen sich die Ersparnisse leicht
auf ein Paar Millionen steigern. Wer hindert dann den Kriegsminister,
aus seinen Ersparnissen ein Paar neue Kavallerieregimenter oder gar neue
Cadettenhäuser zu errichten? Unser Kriegsminister hat selbst erklärt, daß er die
Ausgaben für die Armee als die productivsten Ausgaben betrachte. Aber
die Landesvertretung ist nicht geneigt, ihm unbedingt zu folgen. Vor zwei
Jahren bewilligte das Abgeordnetenhaus dem Kriegsminister neun Millionen
„zur einstweiligen Aufrechterhaltung der Kriegsbereitschaft". Herr von Roon


Grenzboten I. 1862. 60
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/481>, abgerufen am 26.06.2024.