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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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den um den Rand der von Morästen eingefaßten Bunte nach Nauplia, Eine halbe
Stunde von letzterer Stadt passirt man das Haus, wo Kapodistrias wohnte, jetzt
eine Schule für Oekonomen. Hart dabei liegen auf niedrigem Hügel die Ruinen
von Tiryns, Mauern, Theile von Thoren, Gänge mit einer Art von Ueberwölbung,
Alles zusammengefügt aus unbehauenen Steinen ohne Anwendung von Mörtel,
ein Bau lytischer Cyklopen, wie die altgriechische Sage meinte. Auf der andern
Seite, rechts von der Straße, ziehen sich weite Sümpfe bis an die See hin.

Nauplia, auch Napoli ti Nomania, hat gegen 9000 Einwohner, die, da der
Hasen des Platzes geräumig und wohlgeschützt? ist, nicht unbedeutenden Seehandel
treiben. Die Stadt sieht von fern sehr anmuthig aus' ist dicht gebaut und hat regel¬
mäßige zum Theil gepflasterte und mit mehrstöckigen Häusern besetzte Hauptstraßen.
Sie ist, bis auf eine kleine Landenge im Südwesten, von einem tiefen und breiten
Festungsgraben und sonst vom Meer umgeben und nur durch ein Thor zugänglich.
Vor ihr liegt auf einem kleinen Felseiland inmitten der Rhede ein Kastell, in
welchem der Scharfrichter von Griechenland in unfreiwilliger Abgeschiedenheit wohnt,
da sein Geschäft hier zu Lande nicht blos verachtet, sondern gehaßt und von der
Blutrache bedroht ist. Ueber der Stadt ragt im Süden das Castell Ukronauplia
oder Jtsckkalch und noch weiter südlich auf hohem Bergvorsprung das sehr starke
Fort Palamidi, benannt nach dem alten Helden Palamcdcs, dem Erfinder des
Maaßes und Gewichts und der Buchstabenschrift, während die Stadt ihrerseits den
Namen von Nauplios, einem Sohn des Poseidon, hat.

Nauplia ist von Joniern gegründet. Später wurden die Einwohner von den
Ärgivcrn vertrieben und Nauplia zur Hafenstadt von Argos gemacht. Im Mittel-
alter war es einer der Küstenplätze, in welche sich die griechische Bevölkerung vor
den in den Peloponnes einbrechenden Barbaren flüchtete. Als die Kreuzfahrer bereits
den größten Theil des byzantinischen Reichs erobert hatten, behaupteten sich die
Griechen hier noch volle vierzig Jahre. Später ging die Stadt an Venedig über,
welches sie lange Zeit tapfer gegen die Türken vertheidigte, bis sie 1540 von Su-
leiman dem Zweiten genommen und hierauf zur Hauptstadt der Morea erklärt wurde,
l 686 gewannen die Venetianer Nauplia den Türken wieder ab, worauf die Stadt
sowohl wie das Hauptfort Palamidi mit den stärksten Festungswerken versehen
wurde. 1716 nahmen es die Türken von Neuem. 1823 erstürmten es die Griechen
und behauptete" sich in seinem Besitz auch dann noch, als Ibrahim Pascha mit sei¬
nen Aegyptern die sämmtlichen übrigen Theile der Morea unterworfen hatte. Nau¬
plia wurde dann Hauptstadt des grsammtm Hellas und Sitz der Regierung während
der Präsidentschaft des Grafen Kapodistrias. Es behielt diese Eigenschaft auch noch
einige Zeit nach dem Eintreffen des Königs Otto, der im Februar 1833 zuerst hier
den griechischen Boden betrat und erst im December 1835 seine Residenz von hier
nach Athen verlegte. Jetzt ist Nauplia nur noch Hauptfestung des Landes, Mittel¬
punkt einer Eparchie und Sitz eines Erzbischofs.

Das Fort Palamidi datirt aus byzantinischer Zeit, die heutigen Batterien und
Bastionen aber sind erst von den Venetianern erbaut worden. Noch sieht man an
mehren Stellen den Löwen von San Marco eingehauen, und noch stehen auf mehren


den um den Rand der von Morästen eingefaßten Bunte nach Nauplia, Eine halbe
Stunde von letzterer Stadt passirt man das Haus, wo Kapodistrias wohnte, jetzt
eine Schule für Oekonomen. Hart dabei liegen auf niedrigem Hügel die Ruinen
von Tiryns, Mauern, Theile von Thoren, Gänge mit einer Art von Ueberwölbung,
Alles zusammengefügt aus unbehauenen Steinen ohne Anwendung von Mörtel,
ein Bau lytischer Cyklopen, wie die altgriechische Sage meinte. Auf der andern
Seite, rechts von der Straße, ziehen sich weite Sümpfe bis an die See hin.

Nauplia, auch Napoli ti Nomania, hat gegen 9000 Einwohner, die, da der
Hasen des Platzes geräumig und wohlgeschützt? ist, nicht unbedeutenden Seehandel
treiben. Die Stadt sieht von fern sehr anmuthig aus' ist dicht gebaut und hat regel¬
mäßige zum Theil gepflasterte und mit mehrstöckigen Häusern besetzte Hauptstraßen.
Sie ist, bis auf eine kleine Landenge im Südwesten, von einem tiefen und breiten
Festungsgraben und sonst vom Meer umgeben und nur durch ein Thor zugänglich.
Vor ihr liegt auf einem kleinen Felseiland inmitten der Rhede ein Kastell, in
welchem der Scharfrichter von Griechenland in unfreiwilliger Abgeschiedenheit wohnt,
da sein Geschäft hier zu Lande nicht blos verachtet, sondern gehaßt und von der
Blutrache bedroht ist. Ueber der Stadt ragt im Süden das Castell Ukronauplia
oder Jtsckkalch und noch weiter südlich auf hohem Bergvorsprung das sehr starke
Fort Palamidi, benannt nach dem alten Helden Palamcdcs, dem Erfinder des
Maaßes und Gewichts und der Buchstabenschrift, während die Stadt ihrerseits den
Namen von Nauplios, einem Sohn des Poseidon, hat.

Nauplia ist von Joniern gegründet. Später wurden die Einwohner von den
Ärgivcrn vertrieben und Nauplia zur Hafenstadt von Argos gemacht. Im Mittel-
alter war es einer der Küstenplätze, in welche sich die griechische Bevölkerung vor
den in den Peloponnes einbrechenden Barbaren flüchtete. Als die Kreuzfahrer bereits
den größten Theil des byzantinischen Reichs erobert hatten, behaupteten sich die
Griechen hier noch volle vierzig Jahre. Später ging die Stadt an Venedig über,
welches sie lange Zeit tapfer gegen die Türken vertheidigte, bis sie 1540 von Su-
leiman dem Zweiten genommen und hierauf zur Hauptstadt der Morea erklärt wurde,
l 686 gewannen die Venetianer Nauplia den Türken wieder ab, worauf die Stadt
sowohl wie das Hauptfort Palamidi mit den stärksten Festungswerken versehen
wurde. 1716 nahmen es die Türken von Neuem. 1823 erstürmten es die Griechen
und behauptete» sich in seinem Besitz auch dann noch, als Ibrahim Pascha mit sei¬
nen Aegyptern die sämmtlichen übrigen Theile der Morea unterworfen hatte. Nau¬
plia wurde dann Hauptstadt des grsammtm Hellas und Sitz der Regierung während
der Präsidentschaft des Grafen Kapodistrias. Es behielt diese Eigenschaft auch noch
einige Zeit nach dem Eintreffen des Königs Otto, der im Februar 1833 zuerst hier
den griechischen Boden betrat und erst im December 1835 seine Residenz von hier
nach Athen verlegte. Jetzt ist Nauplia nur noch Hauptfestung des Landes, Mittel¬
punkt einer Eparchie und Sitz eines Erzbischofs.

Das Fort Palamidi datirt aus byzantinischer Zeit, die heutigen Batterien und
Bastionen aber sind erst von den Venetianern erbaut worden. Noch sieht man an
mehren Stellen den Löwen von San Marco eingehauen, und noch stehen auf mehren


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[0446] den um den Rand der von Morästen eingefaßten Bunte nach Nauplia, Eine halbe Stunde von letzterer Stadt passirt man das Haus, wo Kapodistrias wohnte, jetzt eine Schule für Oekonomen. Hart dabei liegen auf niedrigem Hügel die Ruinen von Tiryns, Mauern, Theile von Thoren, Gänge mit einer Art von Ueberwölbung, Alles zusammengefügt aus unbehauenen Steinen ohne Anwendung von Mörtel, ein Bau lytischer Cyklopen, wie die altgriechische Sage meinte. Auf der andern Seite, rechts von der Straße, ziehen sich weite Sümpfe bis an die See hin. Nauplia, auch Napoli ti Nomania, hat gegen 9000 Einwohner, die, da der Hasen des Platzes geräumig und wohlgeschützt? ist, nicht unbedeutenden Seehandel treiben. Die Stadt sieht von fern sehr anmuthig aus' ist dicht gebaut und hat regel¬ mäßige zum Theil gepflasterte und mit mehrstöckigen Häusern besetzte Hauptstraßen. Sie ist, bis auf eine kleine Landenge im Südwesten, von einem tiefen und breiten Festungsgraben und sonst vom Meer umgeben und nur durch ein Thor zugänglich. Vor ihr liegt auf einem kleinen Felseiland inmitten der Rhede ein Kastell, in welchem der Scharfrichter von Griechenland in unfreiwilliger Abgeschiedenheit wohnt, da sein Geschäft hier zu Lande nicht blos verachtet, sondern gehaßt und von der Blutrache bedroht ist. Ueber der Stadt ragt im Süden das Castell Ukronauplia oder Jtsckkalch und noch weiter südlich auf hohem Bergvorsprung das sehr starke Fort Palamidi, benannt nach dem alten Helden Palamcdcs, dem Erfinder des Maaßes und Gewichts und der Buchstabenschrift, während die Stadt ihrerseits den Namen von Nauplios, einem Sohn des Poseidon, hat. Nauplia ist von Joniern gegründet. Später wurden die Einwohner von den Ärgivcrn vertrieben und Nauplia zur Hafenstadt von Argos gemacht. Im Mittel- alter war es einer der Küstenplätze, in welche sich die griechische Bevölkerung vor den in den Peloponnes einbrechenden Barbaren flüchtete. Als die Kreuzfahrer bereits den größten Theil des byzantinischen Reichs erobert hatten, behaupteten sich die Griechen hier noch volle vierzig Jahre. Später ging die Stadt an Venedig über, welches sie lange Zeit tapfer gegen die Türken vertheidigte, bis sie 1540 von Su- leiman dem Zweiten genommen und hierauf zur Hauptstadt der Morea erklärt wurde, l 686 gewannen die Venetianer Nauplia den Türken wieder ab, worauf die Stadt sowohl wie das Hauptfort Palamidi mit den stärksten Festungswerken versehen wurde. 1716 nahmen es die Türken von Neuem. 1823 erstürmten es die Griechen und behauptete» sich in seinem Besitz auch dann noch, als Ibrahim Pascha mit sei¬ nen Aegyptern die sämmtlichen übrigen Theile der Morea unterworfen hatte. Nau¬ plia wurde dann Hauptstadt des grsammtm Hellas und Sitz der Regierung während der Präsidentschaft des Grafen Kapodistrias. Es behielt diese Eigenschaft auch noch einige Zeit nach dem Eintreffen des Königs Otto, der im Februar 1833 zuerst hier den griechischen Boden betrat und erst im December 1835 seine Residenz von hier nach Athen verlegte. Jetzt ist Nauplia nur noch Hauptfestung des Landes, Mittel¬ punkt einer Eparchie und Sitz eines Erzbischofs. Das Fort Palamidi datirt aus byzantinischer Zeit, die heutigen Batterien und Bastionen aber sind erst von den Venetianern erbaut worden. Noch sieht man an mehren Stellen den Löwen von San Marco eingehauen, und noch stehen auf mehren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/446>, abgerufen am 28.12.2024.