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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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nach Athen begriffenen bayerischen Prinzen von dort aus in Korfu veranlaßt wurden,
umzukehren, den Schluß ziehen, es könne um die Aussichten der Regierungspartei
nicht besonders gut stehen.

Ebenso wenig sicher sind wir in Betreff der Ursachen des Aufstandes. Gewiß
ist nur, daß die panhellenische Propaganda die Hand im Spiel hat, was schon daraus
hervorgeht, daß die Pforte die Grenzen Thessaliens stärker besetzen läßt. Gewiß fe"
ner, daß die Negierung des Königs Otto schwächlich wenig liberal und wenig geschickt
ist. Gewiß aber zugleich, daß dieselbe auch bei mehr Energie und Intelligenz in den
Verhältnissen des noch immer halbbarbarischen Landes und in den sich hier kreuzen¬
den Interessen und Intriguen der Großmächte schwer zu überwindenden Schwierig¬
keiten begegnen und daß die Revolutionäre von Nauplia es eher schlimmer als besser
machen würden als die setzt herrschenden Gewalten.

Indem wir nähere Nachrichten abwarten, geben wir für heute nur einen Ueber¬
blick über den Schauplatz der Revolution, und zwar folgen wir dabei, den Leser
bittend, die Karte zur Hand zu nehmen, dem Marsch der Negierungstruppcn von
Kalamaki nach Nauplia.

Kalamaki liegt, ungefähr 6 Meilen von Athen, doch mit dem Dampfer in
circa 6 Stunden zu erreichen, auf dem Isthmus von Korinth und zwar an dessen
schmalster Stelle und am saronischcn Golf. Die Umgebung des Städtchens, welches
nur ein paar Dutzend Häuser hat und lediglich als Stationsort der Llvyddampfer
einige Wichtigkeit besitzt, ist ziemlich öde, nur mit einigen Gerstenfeldern und niedrigem
Strauchwerk bedeckt, der Sümpfe halber sehr ungesund und häufigen Erdbeben unter¬
worfen, die vor vier Jahren, wo wir dort waren, nicht blos diesen Ort, sondern
auch das benachbarte Korinth fast ganz zerstört hatten. Nach letzterem geht man
von hier, zunächst durch die Neste der Befestigungen, welche einst, den Isthmus durch¬
schneidend, den Peloponnes vom Festland absperrten, und durch die spärlichen Ruinen
des Poseidonstcmpels, bei dem die isthmischen Spiele stattfanden, dann durch das
Dorf Hexamilion in etwa 3 Stunden. Die Gegend von Korinth, obwohl waldarm,
gehört zu den prachtvollsten Landschaftsbildern Griechenlands. Ueber der Stadt auf
1800 Fuß hohem, schön geformtem Kegelberg die Mauerkrone von Akrokorinth. Auf
dem andern Ufer der anmuthig geschweiften blauen Bucht der violett schimmernde Fclsen-
wall des Geraniagcbirgs. Daneben weiter nach Norden der Kithäron. im Westen wie
ein dunkler Kamcelhöcker der Helikon, noch weiter nordwestlich, von Wolken umhüllt, aus
deren Schatten weiße Schneestreifen hervorblinken, der majestätische Parnaß. Dagegen ist
die Stadt ein ärmlicher Ort, der nicht entfernt ahnen läßt, daß einst hier die reichste
Handelsstadt von Hellas stand. Der alte Hafen ist versumpft, die Tempel sind bis aus ein
paar Säulen zusammengefallen. Der Verkehr hat sich, da Moräste hier giftige Fieber¬
luft aushauchen und Schiffe keine passende Unterkunft finden, andern Plätzen des
Golfs, namentlich dem rasch emporblühenden Patras, zugewandt, und die dreitausend
Einwohner Neukorinths leben fast nur von Ackerbau und etwas Landhandel.

Der nächste Weg des von Korinth nach Argos und Nauplia marschirten Heeres


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nach Athen begriffenen bayerischen Prinzen von dort aus in Korfu veranlaßt wurden,
umzukehren, den Schluß ziehen, es könne um die Aussichten der Regierungspartei
nicht besonders gut stehen.

Ebenso wenig sicher sind wir in Betreff der Ursachen des Aufstandes. Gewiß
ist nur, daß die panhellenische Propaganda die Hand im Spiel hat, was schon daraus
hervorgeht, daß die Pforte die Grenzen Thessaliens stärker besetzen läßt. Gewiß fe»
ner, daß die Negierung des Königs Otto schwächlich wenig liberal und wenig geschickt
ist. Gewiß aber zugleich, daß dieselbe auch bei mehr Energie und Intelligenz in den
Verhältnissen des noch immer halbbarbarischen Landes und in den sich hier kreuzen¬
den Interessen und Intriguen der Großmächte schwer zu überwindenden Schwierig¬
keiten begegnen und daß die Revolutionäre von Nauplia es eher schlimmer als besser
machen würden als die setzt herrschenden Gewalten.

Indem wir nähere Nachrichten abwarten, geben wir für heute nur einen Ueber¬
blick über den Schauplatz der Revolution, und zwar folgen wir dabei, den Leser
bittend, die Karte zur Hand zu nehmen, dem Marsch der Negierungstruppcn von
Kalamaki nach Nauplia.

Kalamaki liegt, ungefähr 6 Meilen von Athen, doch mit dem Dampfer in
circa 6 Stunden zu erreichen, auf dem Isthmus von Korinth und zwar an dessen
schmalster Stelle und am saronischcn Golf. Die Umgebung des Städtchens, welches
nur ein paar Dutzend Häuser hat und lediglich als Stationsort der Llvyddampfer
einige Wichtigkeit besitzt, ist ziemlich öde, nur mit einigen Gerstenfeldern und niedrigem
Strauchwerk bedeckt, der Sümpfe halber sehr ungesund und häufigen Erdbeben unter¬
worfen, die vor vier Jahren, wo wir dort waren, nicht blos diesen Ort, sondern
auch das benachbarte Korinth fast ganz zerstört hatten. Nach letzterem geht man
von hier, zunächst durch die Neste der Befestigungen, welche einst, den Isthmus durch¬
schneidend, den Peloponnes vom Festland absperrten, und durch die spärlichen Ruinen
des Poseidonstcmpels, bei dem die isthmischen Spiele stattfanden, dann durch das
Dorf Hexamilion in etwa 3 Stunden. Die Gegend von Korinth, obwohl waldarm,
gehört zu den prachtvollsten Landschaftsbildern Griechenlands. Ueber der Stadt auf
1800 Fuß hohem, schön geformtem Kegelberg die Mauerkrone von Akrokorinth. Auf
dem andern Ufer der anmuthig geschweiften blauen Bucht der violett schimmernde Fclsen-
wall des Geraniagcbirgs. Daneben weiter nach Norden der Kithäron. im Westen wie
ein dunkler Kamcelhöcker der Helikon, noch weiter nordwestlich, von Wolken umhüllt, aus
deren Schatten weiße Schneestreifen hervorblinken, der majestätische Parnaß. Dagegen ist
die Stadt ein ärmlicher Ort, der nicht entfernt ahnen läßt, daß einst hier die reichste
Handelsstadt von Hellas stand. Der alte Hafen ist versumpft, die Tempel sind bis aus ein
paar Säulen zusammengefallen. Der Verkehr hat sich, da Moräste hier giftige Fieber¬
luft aushauchen und Schiffe keine passende Unterkunft finden, andern Plätzen des
Golfs, namentlich dem rasch emporblühenden Patras, zugewandt, und die dreitausend
Einwohner Neukorinths leben fast nur von Ackerbau und etwas Landhandel.

Der nächste Weg des von Korinth nach Argos und Nauplia marschirten Heeres


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/443>, abgerufen am 28.12.2024.