Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.boten war. Bei dem guten Willen der Commission, im Einvernehmen mit In dem Hauptpunkt aber hat das Ministerium Recht und dies Blatt ist Aber es scheint uns eine sehr folgenschwere Thatsache, wenn die ge- Nun ist dies Blatt durchaus nicht gesonnen, eine Auflösung als etwas boten war. Bei dem guten Willen der Commission, im Einvernehmen mit In dem Hauptpunkt aber hat das Ministerium Recht und dies Blatt ist Aber es scheint uns eine sehr folgenschwere Thatsache, wenn die ge- Nun ist dies Blatt durchaus nicht gesonnen, eine Auflösung als etwas <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0413" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113655"/> <p xml:id="ID_1271" prev="#ID_1270"> boten war. Bei dem guten Willen der Commission, im Einvernehmen mit<lb/> der Negierung zu handeln, wäre sicher die aufrichtigste Verständigung mög¬<lb/> lich gewesen. Aber nur versteht im auswärtigen Amt zu Berlin nicht<lb/> die kleine Kunst, welche die größten Schwierigkeiten wegräumt, und die be¬<lb/> sten Erfolge sichert, die Kunst, das Rechte freundlich und zuvorkommend zu<lb/> wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1272"> In dem Hauptpunkt aber hat das Ministerium Recht und dies Blatt ist<lb/> diesmal in der Lage, die Auffassung der Regierung gegenüber den eigenen Freun¬<lb/> den nicht nur für die nützlichste, sondern auch für die einzig praktische zu erklären.<lb/> Es ist keine zweckmäßige Aufgabe für ein Journal wie die Grenzboten, zu<lb/> deduciren, daß die Bundesverfassung nicht zu Recht bestehe, dasselbe !,mag ein<lb/> wohl berechtigter Satz sein, wenn ihn eine Versammlung des Nationalvereius<lb/> zum Beschluß erhebt, auch wird es nichts schaden, wenn ein Redner irgend<lb/> einer Minorität ihn in einer deutschen Kammer zum Ausgangspunkt seiner<lb/> Forderungen macht, ja es wird vielleicht verdienstlich werden, wenn ein libe¬<lb/> raler Staatsmann in seiner Note die zweifelhafte Berechtigung der Bundes¬<lb/> verfassung bei Gelegenheit seiner Reformvorschläge betont.</p><lb/> <p xml:id="ID_1273"> Aber es scheint uns eine sehr folgenschwere Thatsache, wenn die ge-<lb/> sammte Volksvertretung Preußens die feierliche Erklärung abgiebt, daß die<lb/> Bundesverfassung nicht zu Recht bestehe. Denn sie negirt damit die<lb/> rechtliche Grundlage zahlreicher gemeinsamer deutscher Interessen, des Ver¬<lb/> theidigungssystems, der Matricula'rbeiträge, der Verhandlungen mit Dänemark,<lb/> der Beziehungen des Bundes zum Ausland, der Sonverainetätsbeschränknngen,<lb/> welche die Bundesverfassung unzweifelhaft den deutschen Mittel- und Klein¬<lb/> staaten auferlegt. Offenbar würde eine solche feierliche Erklärung des preu¬<lb/> ßischen Volkes die eigene Regierung in eine unheimliche Lage setzen. Nicht<lb/> nur die Bundesstaaten, jondern auch das Ausland würden Veranlassung fin¬<lb/> den, gegen diese officielle Anffnssung zu protestiren. oder was noch unwill¬<lb/> kommener wäre, daraus ihnen wünschenswerthe Konsequenzen zu ziehen. Und<lb/> die Regierung würde eine solche Erklärung ihres Abgeordnetenhauses entweder<lb/> nichtachtend ignoriren müssen, oder sie müßte ihr beistimmen, d. h. den Bund<lb/> aufgeben, oder das Abgeordnetenhaus auflösen. Sie würde möglicherweise<lb/> das Letztere thun.</p><lb/> <p xml:id="ID_1274" next="#ID_1275"> Nun ist dies Blatt durchaus nicht gesonnen, eine Auflösung als etwas<lb/> unbedingt zu Verme>dentes, wie ein Schreckbild, den Abgeordneten vorzu¬<lb/> halten. Im Gegentheil, es mag der Tag kommen, wo die Vertreter des<lb/> Volkes diese Eventualität als einen nothwendigen Durchgangspunkt zu bes¬<lb/> seren Zuständen betrachten. Aber sie werden dann dafür zu sorgen haben,<lb/> daß die Veranlassung der Auflösung sie in ihrer vollen Stärke findet, daß In¬<lb/> telligenz, Gewissen und Rechtsgefühl des Volkes unbedingt auf ihrer Seite</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0413]
boten war. Bei dem guten Willen der Commission, im Einvernehmen mit
der Negierung zu handeln, wäre sicher die aufrichtigste Verständigung mög¬
lich gewesen. Aber nur versteht im auswärtigen Amt zu Berlin nicht
die kleine Kunst, welche die größten Schwierigkeiten wegräumt, und die be¬
sten Erfolge sichert, die Kunst, das Rechte freundlich und zuvorkommend zu
wollen.
In dem Hauptpunkt aber hat das Ministerium Recht und dies Blatt ist
diesmal in der Lage, die Auffassung der Regierung gegenüber den eigenen Freun¬
den nicht nur für die nützlichste, sondern auch für die einzig praktische zu erklären.
Es ist keine zweckmäßige Aufgabe für ein Journal wie die Grenzboten, zu
deduciren, daß die Bundesverfassung nicht zu Recht bestehe, dasselbe !,mag ein
wohl berechtigter Satz sein, wenn ihn eine Versammlung des Nationalvereius
zum Beschluß erhebt, auch wird es nichts schaden, wenn ein Redner irgend
einer Minorität ihn in einer deutschen Kammer zum Ausgangspunkt seiner
Forderungen macht, ja es wird vielleicht verdienstlich werden, wenn ein libe¬
raler Staatsmann in seiner Note die zweifelhafte Berechtigung der Bundes¬
verfassung bei Gelegenheit seiner Reformvorschläge betont.
Aber es scheint uns eine sehr folgenschwere Thatsache, wenn die ge-
sammte Volksvertretung Preußens die feierliche Erklärung abgiebt, daß die
Bundesverfassung nicht zu Recht bestehe. Denn sie negirt damit die
rechtliche Grundlage zahlreicher gemeinsamer deutscher Interessen, des Ver¬
theidigungssystems, der Matricula'rbeiträge, der Verhandlungen mit Dänemark,
der Beziehungen des Bundes zum Ausland, der Sonverainetätsbeschränknngen,
welche die Bundesverfassung unzweifelhaft den deutschen Mittel- und Klein¬
staaten auferlegt. Offenbar würde eine solche feierliche Erklärung des preu¬
ßischen Volkes die eigene Regierung in eine unheimliche Lage setzen. Nicht
nur die Bundesstaaten, jondern auch das Ausland würden Veranlassung fin¬
den, gegen diese officielle Anffnssung zu protestiren. oder was noch unwill¬
kommener wäre, daraus ihnen wünschenswerthe Konsequenzen zu ziehen. Und
die Regierung würde eine solche Erklärung ihres Abgeordnetenhauses entweder
nichtachtend ignoriren müssen, oder sie müßte ihr beistimmen, d. h. den Bund
aufgeben, oder das Abgeordnetenhaus auflösen. Sie würde möglicherweise
das Letztere thun.
Nun ist dies Blatt durchaus nicht gesonnen, eine Auflösung als etwas
unbedingt zu Verme>dentes, wie ein Schreckbild, den Abgeordneten vorzu¬
halten. Im Gegentheil, es mag der Tag kommen, wo die Vertreter des
Volkes diese Eventualität als einen nothwendigen Durchgangspunkt zu bes¬
seren Zuständen betrachten. Aber sie werden dann dafür zu sorgen haben,
daß die Veranlassung der Auflösung sie in ihrer vollen Stärke findet, daß In¬
telligenz, Gewissen und Rechtsgefühl des Volkes unbedingt auf ihrer Seite
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