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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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scheidende Vermittlung zwischen dem reinen metaphysischen Gedanken und der
Fülle concreter Naturerscheinungen zu machen gelöst bat. so können wir uns
zwar über die Menge der berücksichtigten Forschungen wie über die Klarheit
der Darstellung tobend aussprechen, uns aber keineswegs verhehlen, daß
das Resultat der Arbeit durchaus nicht dem großen Apparat der Hilfsmittel,
die der. Verfasser aus den Fachwissenschaften gezogen, nach Befriedigung ent¬
spricht. Wir finden die Forschungen von Liebig, Lohe. Virchow, Le Comte,
HelMholtz. Fick. Th. Bischoff, Mulder. mit Geist und Verständniß benutzt; aber
wir können nicht behaupten, daß es dem Verfasser gelungen sei, über das Ma¬
terial hinaus zu einem befriedigenden Abschluß zu gelaugen. Herr Froh¬
schammer macht überhaupt nur einen Anlauf zur Vermittlung; denn das ein¬
zige Kapitel, welches detaillirt und gründlich durchgeführt ist, dürfte das über
Kraft und Materie sein, das wir hier einer kurzen Analyse unterwerfen
wollen.

Nach einer ausführlichen Begründung der ideologischen Naturbetrachtung,
verbreitet er sich über Erkenntnißprincip, Inhalt und Zweck der Naturphilo¬
sophie und gesteht, das ganze System gegenwärtig noch nicht in Angriff
nehmen, sondern nur. gewissermaßen als Probe, den Streitpunkt über Kraft
und Materie untersuchen zu wollen.

Da Herr Frohschammer vermitteln will, so wendet er sich sowohl gegen
die Anhänger der Atomenlehre als auch gegen die Dynamiker. Die haupt¬
sächlichsten und bedeutendsten Atomisten, wie Epikur, Lucretius, Gaffend'i, in
neuester Zeit, Czolbe, stimmen darin überein, daß die Atome nicht etwa blos
ideelle, mathematische Punkte, sondern wirklich materielle, aber untheilbare
Körperchen sind, deren bloße Form und Existenz schon alles das wirkt, was
die Dynamiker der Kraft zu schreiben; die Kraft ist nach ihnen den Theilchen
immanent, wie Lucretius (I. 562--564) sagt:


"Kräftig sind sie daher, weil dicht ihr Wesen, und einfach;
Und je gedrängter sie nur sich verbinden, halten sie fester
Alle Dinge zusammen, erweisend die mächtige Grundkraft."

Ueber die Ansichten der alten Atomisten hat uns Schalter in seiner
vortrefflichen "Geschichte der Naturphilosophie von Baco bis auf unsere Zeit"
Mündlich belehrt, und hieraus ersehen wir ganz zur Genüge, daß von kraft-
losen Atomen, wie HLrr Frohschammer glaubt, Niemand, auch nicht der ex¬
tremste Atomist gesprochen hat. Gegen wen kämpft er also? Doch nicht etwa
gegen Cartesius. der, ohne Atomist sein zu wollen, die Atome durch Stoß
und Bewegung, welche er Gott zuschreibt, alle Kraftwirkungen hervorbringen
läßt?

Indem sich der Verfasser gegen die Anhänger Per Kraftlehre wendet, und


scheidende Vermittlung zwischen dem reinen metaphysischen Gedanken und der
Fülle concreter Naturerscheinungen zu machen gelöst bat. so können wir uns
zwar über die Menge der berücksichtigten Forschungen wie über die Klarheit
der Darstellung tobend aussprechen, uns aber keineswegs verhehlen, daß
das Resultat der Arbeit durchaus nicht dem großen Apparat der Hilfsmittel,
die der. Verfasser aus den Fachwissenschaften gezogen, nach Befriedigung ent¬
spricht. Wir finden die Forschungen von Liebig, Lohe. Virchow, Le Comte,
HelMholtz. Fick. Th. Bischoff, Mulder. mit Geist und Verständniß benutzt; aber
wir können nicht behaupten, daß es dem Verfasser gelungen sei, über das Ma¬
terial hinaus zu einem befriedigenden Abschluß zu gelaugen. Herr Froh¬
schammer macht überhaupt nur einen Anlauf zur Vermittlung; denn das ein¬
zige Kapitel, welches detaillirt und gründlich durchgeführt ist, dürfte das über
Kraft und Materie sein, das wir hier einer kurzen Analyse unterwerfen
wollen.

Nach einer ausführlichen Begründung der ideologischen Naturbetrachtung,
verbreitet er sich über Erkenntnißprincip, Inhalt und Zweck der Naturphilo¬
sophie und gesteht, das ganze System gegenwärtig noch nicht in Angriff
nehmen, sondern nur. gewissermaßen als Probe, den Streitpunkt über Kraft
und Materie untersuchen zu wollen.

Da Herr Frohschammer vermitteln will, so wendet er sich sowohl gegen
die Anhänger der Atomenlehre als auch gegen die Dynamiker. Die haupt¬
sächlichsten und bedeutendsten Atomisten, wie Epikur, Lucretius, Gaffend'i, in
neuester Zeit, Czolbe, stimmen darin überein, daß die Atome nicht etwa blos
ideelle, mathematische Punkte, sondern wirklich materielle, aber untheilbare
Körperchen sind, deren bloße Form und Existenz schon alles das wirkt, was
die Dynamiker der Kraft zu schreiben; die Kraft ist nach ihnen den Theilchen
immanent, wie Lucretius (I. 562—564) sagt:


„Kräftig sind sie daher, weil dicht ihr Wesen, und einfach;
Und je gedrängter sie nur sich verbinden, halten sie fester
Alle Dinge zusammen, erweisend die mächtige Grundkraft."

Ueber die Ansichten der alten Atomisten hat uns Schalter in seiner
vortrefflichen „Geschichte der Naturphilosophie von Baco bis auf unsere Zeit"
Mündlich belehrt, und hieraus ersehen wir ganz zur Genüge, daß von kraft-
losen Atomen, wie HLrr Frohschammer glaubt, Niemand, auch nicht der ex¬
tremste Atomist gesprochen hat. Gegen wen kämpft er also? Doch nicht etwa
gegen Cartesius. der, ohne Atomist sein zu wollen, die Atome durch Stoß
und Bewegung, welche er Gott zuschreibt, alle Kraftwirkungen hervorbringen
läßt?

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[0397] scheidende Vermittlung zwischen dem reinen metaphysischen Gedanken und der Fülle concreter Naturerscheinungen zu machen gelöst bat. so können wir uns zwar über die Menge der berücksichtigten Forschungen wie über die Klarheit der Darstellung tobend aussprechen, uns aber keineswegs verhehlen, daß das Resultat der Arbeit durchaus nicht dem großen Apparat der Hilfsmittel, die der. Verfasser aus den Fachwissenschaften gezogen, nach Befriedigung ent¬ spricht. Wir finden die Forschungen von Liebig, Lohe. Virchow, Le Comte, HelMholtz. Fick. Th. Bischoff, Mulder. mit Geist und Verständniß benutzt; aber wir können nicht behaupten, daß es dem Verfasser gelungen sei, über das Ma¬ terial hinaus zu einem befriedigenden Abschluß zu gelaugen. Herr Froh¬ schammer macht überhaupt nur einen Anlauf zur Vermittlung; denn das ein¬ zige Kapitel, welches detaillirt und gründlich durchgeführt ist, dürfte das über Kraft und Materie sein, das wir hier einer kurzen Analyse unterwerfen wollen. Nach einer ausführlichen Begründung der ideologischen Naturbetrachtung, verbreitet er sich über Erkenntnißprincip, Inhalt und Zweck der Naturphilo¬ sophie und gesteht, das ganze System gegenwärtig noch nicht in Angriff nehmen, sondern nur. gewissermaßen als Probe, den Streitpunkt über Kraft und Materie untersuchen zu wollen. Da Herr Frohschammer vermitteln will, so wendet er sich sowohl gegen die Anhänger der Atomenlehre als auch gegen die Dynamiker. Die haupt¬ sächlichsten und bedeutendsten Atomisten, wie Epikur, Lucretius, Gaffend'i, in neuester Zeit, Czolbe, stimmen darin überein, daß die Atome nicht etwa blos ideelle, mathematische Punkte, sondern wirklich materielle, aber untheilbare Körperchen sind, deren bloße Form und Existenz schon alles das wirkt, was die Dynamiker der Kraft zu schreiben; die Kraft ist nach ihnen den Theilchen immanent, wie Lucretius (I. 562—564) sagt: „Kräftig sind sie daher, weil dicht ihr Wesen, und einfach; Und je gedrängter sie nur sich verbinden, halten sie fester Alle Dinge zusammen, erweisend die mächtige Grundkraft." Ueber die Ansichten der alten Atomisten hat uns Schalter in seiner vortrefflichen „Geschichte der Naturphilosophie von Baco bis auf unsere Zeit" Mündlich belehrt, und hieraus ersehen wir ganz zur Genüge, daß von kraft- losen Atomen, wie HLrr Frohschammer glaubt, Niemand, auch nicht der ex¬ tremste Atomist gesprochen hat. Gegen wen kämpft er also? Doch nicht etwa gegen Cartesius. der, ohne Atomist sein zu wollen, die Atome durch Stoß und Bewegung, welche er Gott zuschreibt, alle Kraftwirkungen hervorbringen läßt? Indem sich der Verfasser gegen die Anhänger Per Kraftlehre wendet, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/397>, abgerufen am 27.12.2024.