Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.Stoffwechsellehre in Heraclits Feuersystem erblickt, so wollen wir mit ihm Grenzboten I. 1862. * 49
Stoffwechsellehre in Heraclits Feuersystem erblickt, so wollen wir mit ihm Grenzboten I. 1862. * 49
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Stoffwechsellehre in Heraclits Feuersystem erblickt, so wollen wir mit ihm
hierüber nicht discutiren und nur bemerken, daß der heutige Materialismus,
wenn er auch das Resultat einer ungeheuren Masse von empirischen Thatsachen
ist. nicht weniger eine Hypothese bleibt als diese antike, aber viel poetischere
Anschauung. Eine nähere Auseinandersetzung des Verhältnisses, das sich He¬
raclit zwischen Feuer und Wasser dachte, wäre wünschenswert!) gewesen, da
er anch letzteren beim Entstehen der Dinge eine ziemlich bedeutende Rolle
zuschreibt. „Die Ausdünstung («»-«S^/am?) ist reale allgemeine Vermit¬
telung, der Durchbruch der in dem Einzelnen vorhandenen Negationen in
die allgemeine Bewegung." Ob der alte Grieche mit seinem frischen poetischen
Naturbilde wohl so tief in Hegel's Logik hinein gegriffen haben sollte? Hera-
clit's Ansichten über Leib, Seele, Erkenntniß u. s. w. erscheinen noch ziemlich
abenteuerlich, wie sehr der Herr Bearbeiter sich auch Mühe gibt, jenen fast
naiv-kindlichen Anschauungen speculative Ideen unterzuschieben. Die Psycho¬
logie allein unter allen Theilen der Philosophie dürste gegenwärtig bis zu dem
Grade exacter Forschung gediehen sein, daß sie. zum Range einer wirklichen
Wissenschaft erhoben, einen ziemlich sicheren Maaßstab für den Werth früherer
Meinungen gewährt. Der Körper ist nach Heraclit das Denkmal, oder das
Grab des Todes («7^«) und nach dem Tode des Körpers lebt die Seele ihr
besonderes Leben. Beides. Leben und Sterben, ist eins. Wenn die Seele
stirbt, wird sie zu Wasser und gibt als Same der Welt ein eignes Princip
zur Bildung des Körpers ab. Dieses bestimmt zugleich ihre intellectuelle
Stufe; denn da sie in der Feuchtigkeit zur Materie sich heranbildet, so ist die
trockene Seele die weiseste und beste. Der Trunkene, der eine nasse Seele
hat, strauchelt und muß geführt werden. (Band I. S. 180—181 und 195
in.) In der Lehre vom Erkennen folgert Heraclit aus seinem Grundprincip,
dem Werden, daß alles wahre Wissen ein Aufnehmen und Bewußtsein der
Identität des Gegensatzes von Sein und Nichts d. h. deS Werdens ist; dem
Menschen aber sei das Bewußtsein dieses Gegensatzes möglich, weil er ja in
sich selbst schon den Weltgegensatz darstellte. Deshalb genüge auch dem Men¬
sche» dieses Bewußtsein, um weise und einsichtvoll zu sein, und so sehen wir,
wie Heraclit gegen Männer wie Pythagoras. Xenophanes u. s. w. pole-
misirt, als ob sie über das Vielwisser nicht zum Erfassen der Identität jenes
Gegensatzes gelangt seien. Wenn wir im Schlafe vom Zusammenhang mit
dem Allgemeinen getrennt sind, dann sind wir unvernünftig, d. h. des Allge¬
meinen uns nicht bewußt; eben so sehr sind wir auch wachend gehindert, das
Ewige zu erkennen, weil uns die Sinne, welche Heraclit Lügenschmiede nennt,
in die Irre leiten. Was daher in der Körperwelt Krankheit ist, das ist im
Intellektuellen Irrthum, im Ethischen Uebermuth und Willkür; Alles ein Ab¬
wenden vom Allgemeinen. , Demnach sei auch die Wahrheit nichts als eine
Grenzboten I. 1862. * 49
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