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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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verfassungsmäßigen Freiheit, muß es feindlich entgegenstehen. Denn dieselben
Gesetze, die in, constitutionellen Staate die Willkür der Staatsgewalt be-
schränken, sind auch eine Schranke für die Ansprüche der Kirche, die' sich lie¬
ber dem unbequemer Edicte eines absoluten Monarchen für den Augenblick
fügt, als sie das billige Gesetz eines constitutionellen Staates anerkennt.
Jenes ist eine Thatsache, die durch diplomatische und persönliche Einflüsse
leichter rückgängig gemacht werden kann, als ein Gesetz, welches dem Schutze
einer in den seltensten Fällen klerikalen Ansprüchen geneigten parlamentarische"
Versammlung anvertraut ist. Die kirchlichen Wirren in einigen süddeutschen
Staaten liefern den besten Kommentar zu dieser Ansicht.

Geben wir indessen zu, daß die natürliche Abneigung, der Curie gegen
das constitutionelle Staatsprincip und ihre Unfähigkeit, sich den Bedingungen
desselben zu unterwerfen', die Bildung eines italienischen Bundes, wenn auch
erschweren, doch nicht unmöglich machen, und sehen wir nun, wie Guizot sich
seine Conföderation gedacht hat; denn der Begriff eines Staatenbundes, oder
auch Bundesstaates, ist so weit, daß er den verschiedenartigsten Gestaltungen
iliaum läßt. Leider hat Guizot die ihm vorschwebenden Ideen nicht genauer
entwickelt. Dessenungeachtet werden wir uns eine annähernde Vorstellung von
denselben machen können, wenn wir erwägen, welche Leistungen er von der be¬
absichtigten Consöderation fordert, und vor Allem, wenn wir die Beschaffenheit
der Elemente betrachten, die er zu einem Bunde vereinigen will. Denn daß
der Charakier eines Staatenbundes mehr noch, als durch die Bundesacte, durch
die Traditionen und die relativen Machtverhältnisse der einzelnen verbündeten
Staaten bestimmt wird, unterliegt keinem Zweifel. Als Zweck des beabsich¬
tigten Bundes stellt nun Guizot die Unabhängigkeit Italiens nach außen, die
Freiheit im Innern auf. Auch diese Borstellung ist noch zu unbestimmt, um
uns mehr, als die allgemeinsten Umrisse des Guizot vorschwebenden Bildes
erkennen zu lassen. Sehen wir also, welche Elemente den neuen Staaten-
bund zu bilden bestimmt sind.

Da Guizot nicht daran denkt, alle Erwerbungen Piemonts rückgängig zu
machen, so würde von den kleinen Staaten vielleicht Toscana übrig bleiben.
Die übrigen Bundesglieder wären der Kirchenstaat, Sardinien, Neapel und
(fügen wir hinzu) vielleicht noch Sicilien als abgesonderter Staat (denn an
Oestreich für Benetien hat Guizot natürlich nicht gedacht). Diese vier oder
fünf Staaten sollen den Bund bilden. Eine bedenkliche Combination! Tos¬
cana ist politisch unbedeutend, der Kirchenstaat zwar innerlich schwach, aber
seiner kirchlichen Stellung wegen überaus anspruchsvoll; Neapel und Sardi¬
nien, die Grohstaaten des Bundes, würden unfehlbar in fortdauernder Riva¬
lität ihre erste und vornehmste Bundespflicht sehen. Man sieht, das wäre die
Verwirklichung der Triasidee in ihrer reinsten Gestalt. Die vom Tage der


verfassungsmäßigen Freiheit, muß es feindlich entgegenstehen. Denn dieselben
Gesetze, die in, constitutionellen Staate die Willkür der Staatsgewalt be-
schränken, sind auch eine Schranke für die Ansprüche der Kirche, die' sich lie¬
ber dem unbequemer Edicte eines absoluten Monarchen für den Augenblick
fügt, als sie das billige Gesetz eines constitutionellen Staates anerkennt.
Jenes ist eine Thatsache, die durch diplomatische und persönliche Einflüsse
leichter rückgängig gemacht werden kann, als ein Gesetz, welches dem Schutze
einer in den seltensten Fällen klerikalen Ansprüchen geneigten parlamentarische»
Versammlung anvertraut ist. Die kirchlichen Wirren in einigen süddeutschen
Staaten liefern den besten Kommentar zu dieser Ansicht.

Geben wir indessen zu, daß die natürliche Abneigung, der Curie gegen
das constitutionelle Staatsprincip und ihre Unfähigkeit, sich den Bedingungen
desselben zu unterwerfen', die Bildung eines italienischen Bundes, wenn auch
erschweren, doch nicht unmöglich machen, und sehen wir nun, wie Guizot sich
seine Conföderation gedacht hat; denn der Begriff eines Staatenbundes, oder
auch Bundesstaates, ist so weit, daß er den verschiedenartigsten Gestaltungen
iliaum läßt. Leider hat Guizot die ihm vorschwebenden Ideen nicht genauer
entwickelt. Dessenungeachtet werden wir uns eine annähernde Vorstellung von
denselben machen können, wenn wir erwägen, welche Leistungen er von der be¬
absichtigten Consöderation fordert, und vor Allem, wenn wir die Beschaffenheit
der Elemente betrachten, die er zu einem Bunde vereinigen will. Denn daß
der Charakier eines Staatenbundes mehr noch, als durch die Bundesacte, durch
die Traditionen und die relativen Machtverhältnisse der einzelnen verbündeten
Staaten bestimmt wird, unterliegt keinem Zweifel. Als Zweck des beabsich¬
tigten Bundes stellt nun Guizot die Unabhängigkeit Italiens nach außen, die
Freiheit im Innern auf. Auch diese Borstellung ist noch zu unbestimmt, um
uns mehr, als die allgemeinsten Umrisse des Guizot vorschwebenden Bildes
erkennen zu lassen. Sehen wir also, welche Elemente den neuen Staaten-
bund zu bilden bestimmt sind.

Da Guizot nicht daran denkt, alle Erwerbungen Piemonts rückgängig zu
machen, so würde von den kleinen Staaten vielleicht Toscana übrig bleiben.
Die übrigen Bundesglieder wären der Kirchenstaat, Sardinien, Neapel und
(fügen wir hinzu) vielleicht noch Sicilien als abgesonderter Staat (denn an
Oestreich für Benetien hat Guizot natürlich nicht gedacht). Diese vier oder
fünf Staaten sollen den Bund bilden. Eine bedenkliche Combination! Tos¬
cana ist politisch unbedeutend, der Kirchenstaat zwar innerlich schwach, aber
seiner kirchlichen Stellung wegen überaus anspruchsvoll; Neapel und Sardi¬
nien, die Grohstaaten des Bundes, würden unfehlbar in fortdauernder Riva¬
lität ihre erste und vornehmste Bundespflicht sehen. Man sieht, das wäre die
Verwirklichung der Triasidee in ihrer reinsten Gestalt. Die vom Tage der


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[0320] verfassungsmäßigen Freiheit, muß es feindlich entgegenstehen. Denn dieselben Gesetze, die in, constitutionellen Staate die Willkür der Staatsgewalt be- schränken, sind auch eine Schranke für die Ansprüche der Kirche, die' sich lie¬ ber dem unbequemer Edicte eines absoluten Monarchen für den Augenblick fügt, als sie das billige Gesetz eines constitutionellen Staates anerkennt. Jenes ist eine Thatsache, die durch diplomatische und persönliche Einflüsse leichter rückgängig gemacht werden kann, als ein Gesetz, welches dem Schutze einer in den seltensten Fällen klerikalen Ansprüchen geneigten parlamentarische» Versammlung anvertraut ist. Die kirchlichen Wirren in einigen süddeutschen Staaten liefern den besten Kommentar zu dieser Ansicht. Geben wir indessen zu, daß die natürliche Abneigung, der Curie gegen das constitutionelle Staatsprincip und ihre Unfähigkeit, sich den Bedingungen desselben zu unterwerfen', die Bildung eines italienischen Bundes, wenn auch erschweren, doch nicht unmöglich machen, und sehen wir nun, wie Guizot sich seine Conföderation gedacht hat; denn der Begriff eines Staatenbundes, oder auch Bundesstaates, ist so weit, daß er den verschiedenartigsten Gestaltungen iliaum läßt. Leider hat Guizot die ihm vorschwebenden Ideen nicht genauer entwickelt. Dessenungeachtet werden wir uns eine annähernde Vorstellung von denselben machen können, wenn wir erwägen, welche Leistungen er von der be¬ absichtigten Consöderation fordert, und vor Allem, wenn wir die Beschaffenheit der Elemente betrachten, die er zu einem Bunde vereinigen will. Denn daß der Charakier eines Staatenbundes mehr noch, als durch die Bundesacte, durch die Traditionen und die relativen Machtverhältnisse der einzelnen verbündeten Staaten bestimmt wird, unterliegt keinem Zweifel. Als Zweck des beabsich¬ tigten Bundes stellt nun Guizot die Unabhängigkeit Italiens nach außen, die Freiheit im Innern auf. Auch diese Borstellung ist noch zu unbestimmt, um uns mehr, als die allgemeinsten Umrisse des Guizot vorschwebenden Bildes erkennen zu lassen. Sehen wir also, welche Elemente den neuen Staaten- bund zu bilden bestimmt sind. Da Guizot nicht daran denkt, alle Erwerbungen Piemonts rückgängig zu machen, so würde von den kleinen Staaten vielleicht Toscana übrig bleiben. Die übrigen Bundesglieder wären der Kirchenstaat, Sardinien, Neapel und (fügen wir hinzu) vielleicht noch Sicilien als abgesonderter Staat (denn an Oestreich für Benetien hat Guizot natürlich nicht gedacht). Diese vier oder fünf Staaten sollen den Bund bilden. Eine bedenkliche Combination! Tos¬ cana ist politisch unbedeutend, der Kirchenstaat zwar innerlich schwach, aber seiner kirchlichen Stellung wegen überaus anspruchsvoll; Neapel und Sardi¬ nien, die Grohstaaten des Bundes, würden unfehlbar in fortdauernder Riva¬ lität ihre erste und vornehmste Bundespflicht sehen. Man sieht, das wäre die Verwirklichung der Triasidee in ihrer reinsten Gestalt. Die vom Tage der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/320>, abgerufen am 23.07.2024.