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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Handelssachen mehr dem Bedürfnisse und den gerechten Wünschen des Handels¬
standes conform zu machen, als dies bisher im Allgemeinen der Fall war. Die
übrigen Vorschriften dieses Abschnittes können wir natürlich hier nicht im Ein¬
zelnen verfolgen, wollen uns jedoch nicht versagen, hier wenigstens die Be¬
stimmung des Art. 295 hervorzuheben, wonach die Borschrift des gemeinen
Rechtes, daß eine Quittung erst 30 Tage nach ihrer Ausstellung Beweiskraft
erlangt, aufgehoben und an deren Stelle die einzig vernünftige Regel gesetzt
ist. daß die Beweiskraft einer Quittung an den Ablauf irgend einer ZeUfnst
nicht gebunden lst, sondern sofort nach Ausstellung der Quittung eintritt. Im
Uebrigen müssen wir uns aus die Bemerkung beschränken, daß die Borschnsien
dieses Abschnitts sämmtlich darauf berechnet sind, den Handelsverkehr möglichst
M erleichtern und ihn von den Fesseln des bürgerlichen gemeinen Rechtes so¬
weit thunlich zu befreien. Es bleibt zwar immer der Uebelstand, "daß, weil
es an einem allgemeinen deutschen Obligationenrecht und somit an einen, ge¬
meinsamen Rechte, welches in sudMium gleichmäßig zur Anwendung kommen
könnte, zur Zeit'noch fehlt, bei der Interpretation und praktischen Anwen¬
dung des Handelsgesetzbuchs eine .Verschiedenheit der Spruchpraxis insofern
nicht ausbleiben kann, als natürlich jedes Territorium sein Particularrechl als
dasjenige betrachtet, welches in sndsiäinm zur Anwendung zu kommen hat;"
allein dies ist ein Borwurs, der das Handelsgesetzbuch an sich nicht trifft, son-
dem mit unserm nationalen Mißgeschicke überhaupt zusammenhängt. Auch
steht zu hoffen, daß grade dieser Uebelstand und der Umstand, daß der Schöpf¬
ung eines gemeinsamen deutschen Obligativnenrechies verhältnißmüßig geringere
Hindernisse als der Einigung über alle andern Rechtsmaterien entgegenstehen,
dazu führen werden, über kurz oder lang auch den Entwurf eines allgemeinen
deutschen Obligationenrechtes in Angriff zu nehmen.

Der 3. Abschnitt Art. 317 --323 handelt von der AbschUeßung der
Handelsgeschäfte und stellt den wichtigen -- wenigstens für das Rechts¬
gebiet des preußischen Landrechtes neuen -- Satz aus, daß zur Giltigkeit der Ver-
trüge bei Handelsgeschäften die schriftliche Abfassung oder andere Förmlich¬
keiten nicht nöthig sind. Für die Länder des gemeinen Rechtes neu dagegen
ist die Borschrift des Art. 31ö, daß bei einem unter Abwefenoen gestellten
Antrage der Antragende bis zu dem Zeitpunkte an feinen-Antrag gebunden
bleiben soll, wo er bei ordnungsmäßiger, rechtzeitiger Absenkung der Antwort
Seiten dessen, dem er den Antrag gemacht hat, den Eingang der Antwort er¬
warten darf.

Die im 4. Abschnitt Art. 324 -- 336 aufgestellten allgemeinen Vorschriften
über Zeit und Ort der Erfüllung von Handelsgeschäften bringen mehrere bisher
controverse Fragen zur Entscheidung und zeichnen sich im Ganzen durch Ver¬
einfachung der hier einschlagenden, bisher giltig gewesenen Gesetzgebung aus.


Grenjbotm I. 1S62. 33

Handelssachen mehr dem Bedürfnisse und den gerechten Wünschen des Handels¬
standes conform zu machen, als dies bisher im Allgemeinen der Fall war. Die
übrigen Vorschriften dieses Abschnittes können wir natürlich hier nicht im Ein¬
zelnen verfolgen, wollen uns jedoch nicht versagen, hier wenigstens die Be¬
stimmung des Art. 295 hervorzuheben, wonach die Borschrift des gemeinen
Rechtes, daß eine Quittung erst 30 Tage nach ihrer Ausstellung Beweiskraft
erlangt, aufgehoben und an deren Stelle die einzig vernünftige Regel gesetzt
ist. daß die Beweiskraft einer Quittung an den Ablauf irgend einer ZeUfnst
nicht gebunden lst, sondern sofort nach Ausstellung der Quittung eintritt. Im
Uebrigen müssen wir uns aus die Bemerkung beschränken, daß die Borschnsien
dieses Abschnitts sämmtlich darauf berechnet sind, den Handelsverkehr möglichst
M erleichtern und ihn von den Fesseln des bürgerlichen gemeinen Rechtes so¬
weit thunlich zu befreien. Es bleibt zwar immer der Uebelstand, „daß, weil
es an einem allgemeinen deutschen Obligationenrecht und somit an einen, ge¬
meinsamen Rechte, welches in sudMium gleichmäßig zur Anwendung kommen
könnte, zur Zeit'noch fehlt, bei der Interpretation und praktischen Anwen¬
dung des Handelsgesetzbuchs eine .Verschiedenheit der Spruchpraxis insofern
nicht ausbleiben kann, als natürlich jedes Territorium sein Particularrechl als
dasjenige betrachtet, welches in sndsiäinm zur Anwendung zu kommen hat;"
allein dies ist ein Borwurs, der das Handelsgesetzbuch an sich nicht trifft, son-
dem mit unserm nationalen Mißgeschicke überhaupt zusammenhängt. Auch
steht zu hoffen, daß grade dieser Uebelstand und der Umstand, daß der Schöpf¬
ung eines gemeinsamen deutschen Obligativnenrechies verhältnißmüßig geringere
Hindernisse als der Einigung über alle andern Rechtsmaterien entgegenstehen,
dazu führen werden, über kurz oder lang auch den Entwurf eines allgemeinen
deutschen Obligationenrechtes in Angriff zu nehmen.

Der 3. Abschnitt Art. 317 —323 handelt von der AbschUeßung der
Handelsgeschäfte und stellt den wichtigen — wenigstens für das Rechts¬
gebiet des preußischen Landrechtes neuen — Satz aus, daß zur Giltigkeit der Ver-
trüge bei Handelsgeschäften die schriftliche Abfassung oder andere Förmlich¬
keiten nicht nöthig sind. Für die Länder des gemeinen Rechtes neu dagegen
ist die Borschrift des Art. 31ö, daß bei einem unter Abwefenoen gestellten
Antrage der Antragende bis zu dem Zeitpunkte an feinen-Antrag gebunden
bleiben soll, wo er bei ordnungsmäßiger, rechtzeitiger Absenkung der Antwort
Seiten dessen, dem er den Antrag gemacht hat, den Eingang der Antwort er¬
warten darf.

Die im 4. Abschnitt Art. 324 — 336 aufgestellten allgemeinen Vorschriften
über Zeit und Ort der Erfüllung von Handelsgeschäften bringen mehrere bisher
controverse Fragen zur Entscheidung und zeichnen sich im Ganzen durch Ver¬
einfachung der hier einschlagenden, bisher giltig gewesenen Gesetzgebung aus.


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[0305] Handelssachen mehr dem Bedürfnisse und den gerechten Wünschen des Handels¬ standes conform zu machen, als dies bisher im Allgemeinen der Fall war. Die übrigen Vorschriften dieses Abschnittes können wir natürlich hier nicht im Ein¬ zelnen verfolgen, wollen uns jedoch nicht versagen, hier wenigstens die Be¬ stimmung des Art. 295 hervorzuheben, wonach die Borschrift des gemeinen Rechtes, daß eine Quittung erst 30 Tage nach ihrer Ausstellung Beweiskraft erlangt, aufgehoben und an deren Stelle die einzig vernünftige Regel gesetzt ist. daß die Beweiskraft einer Quittung an den Ablauf irgend einer ZeUfnst nicht gebunden lst, sondern sofort nach Ausstellung der Quittung eintritt. Im Uebrigen müssen wir uns aus die Bemerkung beschränken, daß die Borschnsien dieses Abschnitts sämmtlich darauf berechnet sind, den Handelsverkehr möglichst M erleichtern und ihn von den Fesseln des bürgerlichen gemeinen Rechtes so¬ weit thunlich zu befreien. Es bleibt zwar immer der Uebelstand, „daß, weil es an einem allgemeinen deutschen Obligationenrecht und somit an einen, ge¬ meinsamen Rechte, welches in sudMium gleichmäßig zur Anwendung kommen könnte, zur Zeit'noch fehlt, bei der Interpretation und praktischen Anwen¬ dung des Handelsgesetzbuchs eine .Verschiedenheit der Spruchpraxis insofern nicht ausbleiben kann, als natürlich jedes Territorium sein Particularrechl als dasjenige betrachtet, welches in sndsiäinm zur Anwendung zu kommen hat;" allein dies ist ein Borwurs, der das Handelsgesetzbuch an sich nicht trifft, son- dem mit unserm nationalen Mißgeschicke überhaupt zusammenhängt. Auch steht zu hoffen, daß grade dieser Uebelstand und der Umstand, daß der Schöpf¬ ung eines gemeinsamen deutschen Obligativnenrechies verhältnißmüßig geringere Hindernisse als der Einigung über alle andern Rechtsmaterien entgegenstehen, dazu führen werden, über kurz oder lang auch den Entwurf eines allgemeinen deutschen Obligationenrechtes in Angriff zu nehmen. Der 3. Abschnitt Art. 317 —323 handelt von der AbschUeßung der Handelsgeschäfte und stellt den wichtigen — wenigstens für das Rechts¬ gebiet des preußischen Landrechtes neuen — Satz aus, daß zur Giltigkeit der Ver- trüge bei Handelsgeschäften die schriftliche Abfassung oder andere Förmlich¬ keiten nicht nöthig sind. Für die Länder des gemeinen Rechtes neu dagegen ist die Borschrift des Art. 31ö, daß bei einem unter Abwefenoen gestellten Antrage der Antragende bis zu dem Zeitpunkte an feinen-Antrag gebunden bleiben soll, wo er bei ordnungsmäßiger, rechtzeitiger Absenkung der Antwort Seiten dessen, dem er den Antrag gemacht hat, den Eingang der Antwort er¬ warten darf. Die im 4. Abschnitt Art. 324 — 336 aufgestellten allgemeinen Vorschriften über Zeit und Ort der Erfüllung von Handelsgeschäften bringen mehrere bisher controverse Fragen zur Entscheidung und zeichnen sich im Ganzen durch Ver¬ einfachung der hier einschlagenden, bisher giltig gewesenen Gesetzgebung aus. Grenjbotm I. 1S62. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/305>, abgerufen am 23.07.2024.