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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Nächte und erwachte nur, um zu essen, auch die Andern wurden aufs Beste
gepflegt, sodaß sie in acht Tagen dem Regiment nach Gnesen folgen
konnten,

Unterdeß war das Verhältniß zu den Polnischen in der Stadt und Um¬
gegend immer feindseliger geworden, van beiden Seiten war Blut geflossen.
Ein Umstand trug dazu bei, mich persönlich zu einem Gegenstand besonderer
Erbitterung der Polen zu machen. Eine Compagnie des 33. Regiments
hatte den Befehl mitgebracht, unter andern polnisch Gesinnten auch den Päch¬
ter Bratzki zu arretiren, denselben, der damals mit den Pistolen auf mich zuge¬
gangen war. Ich hatte sie darauf aufmerksam gemacht, daß er als ein
wilder Mann sich widersetzen würde, und so war es denn auch gekommen.
Er war ihnen mit aufgezogenen Pistolen entgegen gegangen, ein Dragoner
hatte ihn durch den Arm und die Brust und einen Füsilier noch durch die
Brust geschossen, auch seine Frau hatte mit einem Terzerol nach dem Militär
schießen wollen, sie brachten sie an einem Strick geführt, sie war mit dem
Blut ihres Mannes beschmutzt. Die Frau ward nach Jnowraclcuv gebracht
und dort von dem Gericht eben so wie die Wappenabreißer wieder entlassen.
Durch diesen unglücklichen Zufall kam die ganze Gegend in Alarm, dem
todten Bratzki ward nach polnischer Sitte em ungeheures Begräbnis; bereitet, ich
sollte als Dragoner verkleidet ihn erschossen haben. Die Pfaffen suchten
in den Beichtreden den ganzen BolkShaß auf mich zu leiten. Eine große
Zahl der Deutschen war geflüchtet, die polnischen Leute waren fast ganz
von der königlichen Partei abgefallen, wir fanden nur noch Wenige, die zu uns
standen, und mit Mühe hielt ich das lockere Band zusammen, das uns vereinte.

Alles war gegen uns. So kam Ostern heran, uns wurde zum Oster¬
fest eine Blutrache angesagt. Wieder bat ich um Militär und erhielt 50 Mann
Infanterie. Auch eine Husarcnpatrouille kam von Mogilno und blieb die
Nacht, früh am Sonnabend vor Ostern rückte sie wieder ab, in der Stadt
begegneten die Husaren dem Pfaffen mit der polnischen Eocarde, sie nahmen
ihm die Mütze vom Kopfe, schnitten mit dem Säbel die Cocarde herunter,
drückten ihm die Mütze wieder auf den Kopf und ritten lachend weiter. Die
Polen aber handelten diesmal bei uns nach angelegtem Plane; man hatte
mir zugesteckt, daß ich bedroht sei, um eine Abtheilung preußischer Soldaten
hierher zu locken, von den Truppen abzuschneiden und zu überfallen. Kaum
hatte ich das erfahren, so schrieb ich an den Hauptmann Fröhlich nach Mogilno,
wenn er die 50 Mann nicht erwürgt sehen wollte, möchte er auf der Stelle
Verstärkung schicken. Lachmann net eben über den Hof, ich bat ihn, schein¬
bar aufs Feld zu reiten und von da ganz unbemerkt nach Mogilno. Ich
sandte wieder nach der Stadt, aber es war nicht mehr möglich, eine genügende
Anzahl Deutscher zusammenzubringen. Am Mittag kam Kleist von Mlzez


Nächte und erwachte nur, um zu essen, auch die Andern wurden aufs Beste
gepflegt, sodaß sie in acht Tagen dem Regiment nach Gnesen folgen
konnten,

Unterdeß war das Verhältniß zu den Polnischen in der Stadt und Um¬
gegend immer feindseliger geworden, van beiden Seiten war Blut geflossen.
Ein Umstand trug dazu bei, mich persönlich zu einem Gegenstand besonderer
Erbitterung der Polen zu machen. Eine Compagnie des 33. Regiments
hatte den Befehl mitgebracht, unter andern polnisch Gesinnten auch den Päch¬
ter Bratzki zu arretiren, denselben, der damals mit den Pistolen auf mich zuge¬
gangen war. Ich hatte sie darauf aufmerksam gemacht, daß er als ein
wilder Mann sich widersetzen würde, und so war es denn auch gekommen.
Er war ihnen mit aufgezogenen Pistolen entgegen gegangen, ein Dragoner
hatte ihn durch den Arm und die Brust und einen Füsilier noch durch die
Brust geschossen, auch seine Frau hatte mit einem Terzerol nach dem Militär
schießen wollen, sie brachten sie an einem Strick geführt, sie war mit dem
Blut ihres Mannes beschmutzt. Die Frau ward nach Jnowraclcuv gebracht
und dort von dem Gericht eben so wie die Wappenabreißer wieder entlassen.
Durch diesen unglücklichen Zufall kam die ganze Gegend in Alarm, dem
todten Bratzki ward nach polnischer Sitte em ungeheures Begräbnis; bereitet, ich
sollte als Dragoner verkleidet ihn erschossen haben. Die Pfaffen suchten
in den Beichtreden den ganzen BolkShaß auf mich zu leiten. Eine große
Zahl der Deutschen war geflüchtet, die polnischen Leute waren fast ganz
von der königlichen Partei abgefallen, wir fanden nur noch Wenige, die zu uns
standen, und mit Mühe hielt ich das lockere Band zusammen, das uns vereinte.

Alles war gegen uns. So kam Ostern heran, uns wurde zum Oster¬
fest eine Blutrache angesagt. Wieder bat ich um Militär und erhielt 50 Mann
Infanterie. Auch eine Husarcnpatrouille kam von Mogilno und blieb die
Nacht, früh am Sonnabend vor Ostern rückte sie wieder ab, in der Stadt
begegneten die Husaren dem Pfaffen mit der polnischen Eocarde, sie nahmen
ihm die Mütze vom Kopfe, schnitten mit dem Säbel die Cocarde herunter,
drückten ihm die Mütze wieder auf den Kopf und ritten lachend weiter. Die
Polen aber handelten diesmal bei uns nach angelegtem Plane; man hatte
mir zugesteckt, daß ich bedroht sei, um eine Abtheilung preußischer Soldaten
hierher zu locken, von den Truppen abzuschneiden und zu überfallen. Kaum
hatte ich das erfahren, so schrieb ich an den Hauptmann Fröhlich nach Mogilno,
wenn er die 50 Mann nicht erwürgt sehen wollte, möchte er auf der Stelle
Verstärkung schicken. Lachmann net eben über den Hof, ich bat ihn, schein¬
bar aufs Feld zu reiten und von da ganz unbemerkt nach Mogilno. Ich
sandte wieder nach der Stadt, aber es war nicht mehr möglich, eine genügende
Anzahl Deutscher zusammenzubringen. Am Mittag kam Kleist von Mlzez


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[0178] Nächte und erwachte nur, um zu essen, auch die Andern wurden aufs Beste gepflegt, sodaß sie in acht Tagen dem Regiment nach Gnesen folgen konnten, Unterdeß war das Verhältniß zu den Polnischen in der Stadt und Um¬ gegend immer feindseliger geworden, van beiden Seiten war Blut geflossen. Ein Umstand trug dazu bei, mich persönlich zu einem Gegenstand besonderer Erbitterung der Polen zu machen. Eine Compagnie des 33. Regiments hatte den Befehl mitgebracht, unter andern polnisch Gesinnten auch den Päch¬ ter Bratzki zu arretiren, denselben, der damals mit den Pistolen auf mich zuge¬ gangen war. Ich hatte sie darauf aufmerksam gemacht, daß er als ein wilder Mann sich widersetzen würde, und so war es denn auch gekommen. Er war ihnen mit aufgezogenen Pistolen entgegen gegangen, ein Dragoner hatte ihn durch den Arm und die Brust und einen Füsilier noch durch die Brust geschossen, auch seine Frau hatte mit einem Terzerol nach dem Militär schießen wollen, sie brachten sie an einem Strick geführt, sie war mit dem Blut ihres Mannes beschmutzt. Die Frau ward nach Jnowraclcuv gebracht und dort von dem Gericht eben so wie die Wappenabreißer wieder entlassen. Durch diesen unglücklichen Zufall kam die ganze Gegend in Alarm, dem todten Bratzki ward nach polnischer Sitte em ungeheures Begräbnis; bereitet, ich sollte als Dragoner verkleidet ihn erschossen haben. Die Pfaffen suchten in den Beichtreden den ganzen BolkShaß auf mich zu leiten. Eine große Zahl der Deutschen war geflüchtet, die polnischen Leute waren fast ganz von der königlichen Partei abgefallen, wir fanden nur noch Wenige, die zu uns standen, und mit Mühe hielt ich das lockere Band zusammen, das uns vereinte. Alles war gegen uns. So kam Ostern heran, uns wurde zum Oster¬ fest eine Blutrache angesagt. Wieder bat ich um Militär und erhielt 50 Mann Infanterie. Auch eine Husarcnpatrouille kam von Mogilno und blieb die Nacht, früh am Sonnabend vor Ostern rückte sie wieder ab, in der Stadt begegneten die Husaren dem Pfaffen mit der polnischen Eocarde, sie nahmen ihm die Mütze vom Kopfe, schnitten mit dem Säbel die Cocarde herunter, drückten ihm die Mütze wieder auf den Kopf und ritten lachend weiter. Die Polen aber handelten diesmal bei uns nach angelegtem Plane; man hatte mir zugesteckt, daß ich bedroht sei, um eine Abtheilung preußischer Soldaten hierher zu locken, von den Truppen abzuschneiden und zu überfallen. Kaum hatte ich das erfahren, so schrieb ich an den Hauptmann Fröhlich nach Mogilno, wenn er die 50 Mann nicht erwürgt sehen wollte, möchte er auf der Stelle Verstärkung schicken. Lachmann net eben über den Hof, ich bat ihn, schein¬ bar aufs Feld zu reiten und von da ganz unbemerkt nach Mogilno. Ich sandte wieder nach der Stadt, aber es war nicht mehr möglich, eine genügende Anzahl Deutscher zusammenzubringen. Am Mittag kam Kleist von Mlzez

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/178>, abgerufen am 25.06.2024.