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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Mit sehr wenigen Ausnahmen also hängt der Norden der Vereinigten Staa¬
ten mit ganzer Seele an der Union, und selbst die Perständigen und Um¬
sichtigen, welche von dem Kriege für die Erhaltung derselben wenig hoffen,
erklären laut, daß Alles angewandt werden müsse, die Vollendung des Bruchs
zu verhüten. Im Folgenden betrachten wir die Gründe, welche sie für ihr
zähes Widerstreben gegen das Ausscheiden des Südens und ihren Eifer in
Betreff des ihnen selbst zweifelhaft erscheinenden Unternehmens einer Wieder¬
herstellung des alten Bundesverhältnisses vorzubringen pflegen.

Um mit dem wichtigsten Punkt zu beginnen, kann kein Zweifel sein, daß
die Zerschneidung der großen amerikanischen Republik in zwei Theile derselben
in bedeutendem Grade ihr Jmponirendes nimmt. Ihre Macht wird dadurch
unstreitbar geschmälert, ihr Ansehen in der alten wie in der neuen Welt be¬
trächtlich erschüttert. Es ist hart, die Aussicht zu verlieren, die den Amerikanern
aus der Zukunft winkte, unerfreulich, statt einst über einen ganzen Kontinent
herrschen zu können, nur die Hoffnung auf Beherrschung der Hälfte zu behal¬
ten, unliebsam, von einer Nation von dreißig zu einer Nation von nur
zwanzig Millionen herabzusinken. Es ist ein schwerer Schlag, ein prächtiges
Gebiet zu verlieren, welches jetzt schon ungeheure Ausdehnung hat und noch
viel größerer Erweiterung nach Süden hin sähig ist. Aber dies ist nicht der
eigentliche, wenigstens nicht der Hauptgrund,'weshalb in den freien Staaten
das Gelingen der Secession für ein Unheil gehalten wird, sondern man fürchtet
das böse Beispiel, welches damit gegeben würde. Man meint, daß damit
der Anfatig gemacht sein würde zu allgemeinem Zerfall der Union in ihre
Glieder, daß die Lostrennung des Südens vom Norden einmal vollbracht --
wenigstens ohne furchtbaren, die Nachfolge anderer zurückschreckenden Zusammen¬
stoß vollbracht -- bald die Scheidung zwischen Osten und Westen, zwischen
den Staaten am Atlantischen und denen am Stillen Meer zur Folge haben,
ja daß eine unaufhaltsam weitergehende Auslösung eintreten und endlich Nord¬
amerika statt eine einzige große Republik, die Jedermann bewunderte und
fürchtete, ein Dutzend oder mehr Staaten von mäßiger Größe darstellen werde, vor
denen Niemand besondern Respect zu haben brauchte. Mit einem Worte,
man ahnt den Charakter und das Schicksal der Republiken, die aus den
Kolonien Spaniens in der neuen Welt entstanden -- eine Ahnung, mit
der sich die. denen sie vorschwebt, eben kein großes Compliment machen.

Nehmen wir an, daß im Laufe der Zeit, wenn die Interessen sich mehr und
nichr widersprechen und die Bevölkerung wächst, die Befürchtung der Föderalisten
sich in soweit bewahrheitet, daß das gegenwärtige Gebiet der Ver. Staaten
in etwa sechs Staaten zerfällt, so wird man behaupten können, daß selbst
dann jeder derselben noch genug Ausdehnung und Macht besitzen wird, genug
jedenfalls für die Wohlfahrt dieser Staaten selbst und gerade so viel, als sich


Mit sehr wenigen Ausnahmen also hängt der Norden der Vereinigten Staa¬
ten mit ganzer Seele an der Union, und selbst die Perständigen und Um¬
sichtigen, welche von dem Kriege für die Erhaltung derselben wenig hoffen,
erklären laut, daß Alles angewandt werden müsse, die Vollendung des Bruchs
zu verhüten. Im Folgenden betrachten wir die Gründe, welche sie für ihr
zähes Widerstreben gegen das Ausscheiden des Südens und ihren Eifer in
Betreff des ihnen selbst zweifelhaft erscheinenden Unternehmens einer Wieder¬
herstellung des alten Bundesverhältnisses vorzubringen pflegen.

Um mit dem wichtigsten Punkt zu beginnen, kann kein Zweifel sein, daß
die Zerschneidung der großen amerikanischen Republik in zwei Theile derselben
in bedeutendem Grade ihr Jmponirendes nimmt. Ihre Macht wird dadurch
unstreitbar geschmälert, ihr Ansehen in der alten wie in der neuen Welt be¬
trächtlich erschüttert. Es ist hart, die Aussicht zu verlieren, die den Amerikanern
aus der Zukunft winkte, unerfreulich, statt einst über einen ganzen Kontinent
herrschen zu können, nur die Hoffnung auf Beherrschung der Hälfte zu behal¬
ten, unliebsam, von einer Nation von dreißig zu einer Nation von nur
zwanzig Millionen herabzusinken. Es ist ein schwerer Schlag, ein prächtiges
Gebiet zu verlieren, welches jetzt schon ungeheure Ausdehnung hat und noch
viel größerer Erweiterung nach Süden hin sähig ist. Aber dies ist nicht der
eigentliche, wenigstens nicht der Hauptgrund,'weshalb in den freien Staaten
das Gelingen der Secession für ein Unheil gehalten wird, sondern man fürchtet
das böse Beispiel, welches damit gegeben würde. Man meint, daß damit
der Anfatig gemacht sein würde zu allgemeinem Zerfall der Union in ihre
Glieder, daß die Lostrennung des Südens vom Norden einmal vollbracht —
wenigstens ohne furchtbaren, die Nachfolge anderer zurückschreckenden Zusammen¬
stoß vollbracht — bald die Scheidung zwischen Osten und Westen, zwischen
den Staaten am Atlantischen und denen am Stillen Meer zur Folge haben,
ja daß eine unaufhaltsam weitergehende Auslösung eintreten und endlich Nord¬
amerika statt eine einzige große Republik, die Jedermann bewunderte und
fürchtete, ein Dutzend oder mehr Staaten von mäßiger Größe darstellen werde, vor
denen Niemand besondern Respect zu haben brauchte. Mit einem Worte,
man ahnt den Charakter und das Schicksal der Republiken, die aus den
Kolonien Spaniens in der neuen Welt entstanden — eine Ahnung, mit
der sich die. denen sie vorschwebt, eben kein großes Compliment machen.

Nehmen wir an, daß im Laufe der Zeit, wenn die Interessen sich mehr und
nichr widersprechen und die Bevölkerung wächst, die Befürchtung der Föderalisten
sich in soweit bewahrheitet, daß das gegenwärtige Gebiet der Ver. Staaten
in etwa sechs Staaten zerfällt, so wird man behaupten können, daß selbst
dann jeder derselben noch genug Ausdehnung und Macht besitzen wird, genug
jedenfalls für die Wohlfahrt dieser Staaten selbst und gerade so viel, als sich


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[0135] Mit sehr wenigen Ausnahmen also hängt der Norden der Vereinigten Staa¬ ten mit ganzer Seele an der Union, und selbst die Perständigen und Um¬ sichtigen, welche von dem Kriege für die Erhaltung derselben wenig hoffen, erklären laut, daß Alles angewandt werden müsse, die Vollendung des Bruchs zu verhüten. Im Folgenden betrachten wir die Gründe, welche sie für ihr zähes Widerstreben gegen das Ausscheiden des Südens und ihren Eifer in Betreff des ihnen selbst zweifelhaft erscheinenden Unternehmens einer Wieder¬ herstellung des alten Bundesverhältnisses vorzubringen pflegen. Um mit dem wichtigsten Punkt zu beginnen, kann kein Zweifel sein, daß die Zerschneidung der großen amerikanischen Republik in zwei Theile derselben in bedeutendem Grade ihr Jmponirendes nimmt. Ihre Macht wird dadurch unstreitbar geschmälert, ihr Ansehen in der alten wie in der neuen Welt be¬ trächtlich erschüttert. Es ist hart, die Aussicht zu verlieren, die den Amerikanern aus der Zukunft winkte, unerfreulich, statt einst über einen ganzen Kontinent herrschen zu können, nur die Hoffnung auf Beherrschung der Hälfte zu behal¬ ten, unliebsam, von einer Nation von dreißig zu einer Nation von nur zwanzig Millionen herabzusinken. Es ist ein schwerer Schlag, ein prächtiges Gebiet zu verlieren, welches jetzt schon ungeheure Ausdehnung hat und noch viel größerer Erweiterung nach Süden hin sähig ist. Aber dies ist nicht der eigentliche, wenigstens nicht der Hauptgrund,'weshalb in den freien Staaten das Gelingen der Secession für ein Unheil gehalten wird, sondern man fürchtet das böse Beispiel, welches damit gegeben würde. Man meint, daß damit der Anfatig gemacht sein würde zu allgemeinem Zerfall der Union in ihre Glieder, daß die Lostrennung des Südens vom Norden einmal vollbracht — wenigstens ohne furchtbaren, die Nachfolge anderer zurückschreckenden Zusammen¬ stoß vollbracht — bald die Scheidung zwischen Osten und Westen, zwischen den Staaten am Atlantischen und denen am Stillen Meer zur Folge haben, ja daß eine unaufhaltsam weitergehende Auslösung eintreten und endlich Nord¬ amerika statt eine einzige große Republik, die Jedermann bewunderte und fürchtete, ein Dutzend oder mehr Staaten von mäßiger Größe darstellen werde, vor denen Niemand besondern Respect zu haben brauchte. Mit einem Worte, man ahnt den Charakter und das Schicksal der Republiken, die aus den Kolonien Spaniens in der neuen Welt entstanden — eine Ahnung, mit der sich die. denen sie vorschwebt, eben kein großes Compliment machen. Nehmen wir an, daß im Laufe der Zeit, wenn die Interessen sich mehr und nichr widersprechen und die Bevölkerung wächst, die Befürchtung der Föderalisten sich in soweit bewahrheitet, daß das gegenwärtige Gebiet der Ver. Staaten in etwa sechs Staaten zerfällt, so wird man behaupten können, daß selbst dann jeder derselben noch genug Ausdehnung und Macht besitzen wird, genug jedenfalls für die Wohlfahrt dieser Staaten selbst und gerade so viel, als sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/135>, abgerufen am 28.12.2024.