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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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dans, die dabei zu Tage gekommen sind. Dreierlei gelernt: 1) nämlich, daß der
Volkswille sich in den Südstaaten in demselben Grade für die Trennung er¬
klärt hat, wie in Italien für die Vereinigung*); 2) daß die Südländer, wo nickt
nach Sprache und Abstammung, doch unzweifelhaft nach ihrer Denkart, ihren
Sitten und vor Allem nach ihren Interessen eine von den Nordländern ebenso
verschiedene Nation sind, wie etwa die Deutschen von den Oestreichern; 3)
daß der Norden die Sympathien, die wir ihm als einem Feinde der Sklaverei
zuwendeten, nicht verdient.

Wir begreifen nicht, daß es der Billigkeit, daß es dem republikanischen
Princip, daß es den Interessen auch nur eines der beiden Theile gemäß ist.
wenn man einem großen Lande oder einer großen Abtheilung eines Landes
eine Regierung aufzwingen will, welche der ungeheuren Mehrzahl von dessen
Bewohnern von Grund aus zuwider ist. Wir sehen nicht ein, daß es abso¬
lut nothwendig und nützlich ist. ein Volk, welches einerseits als vorwiegend
ackerbauendes auf Freihandel angewiesen ist, andrerseits der aristokratischen
Staatsverfassung zustrebt, mit einem Volke zusammengeschweißt zu halten,
welches den Schutzzoll vorzieht und durchaus demokratisch empfindet. Die
Anhänger der Union machen einen großen Unterschied zwischen dieser und al¬
len frühern Revolutionen, indem sie behaupten, die Regierung der Conföde-
rirten werde, wenn sie endgültig festgestellt sei, auf die Sklaverei gegründet
sein. Dies, so versichern sie. rechtfertige einen Widerstand gegen die Pläne
der Aufständischen, de-r selbst vor deren Untergang und Ausrottung nicht zurück¬
schrecke. Nun geben wir zu, daß dies ein sehr hörbarer Grund für eine Na¬
tion sein würde, welche die Sklaverei überhaupt nicht anerkennte; wenn er
aber von Leuten vorgebracht wird, die für eine die Sklaverei als zu Recht
bestehend erklärende Verfassung und für eine Regierung kämpfen, welche noch
keinen Finger zur Abänderung der Verfassung in diesem Punkt gerührt hat,
so nimmt er sich, wo nicht wie Heuchelei, doch sicher sehr unlogisch aus.

Aber, sagen die Gegner der Sklaverei, zunächst zu England, dann zur
öffentlichen Meinung überhaupt, der Krieg wird die Sklaverei wegschaffen,
darum tretet auf unsre Seite. Wir entgegnen: Das ist abermals unlogisch;
es sollte vielmehr heißen: darum sorgt, daß der Krieg fortdauert, was wiede¬
rum die Bedeutung hat: deshalb tretet auf die Seite der schwächeren Par¬
tei, denn sicher ist. je länger diese schwächere Partei sich zu halten vermag,
desto mehr reift die Hoffnung zur Gewißheit, daß die Sklaverei durch den
Kampf aufgehoben werden wird. Aber ob die Aufhebung derselben durch
den Norden erfolgen wird, dessen Heere und Schiffe nur den Saum des Ge-



") Von ungefähr sechs Millionen Menschen, also etwa "00,000 Stimmberechtigten, spra¬
chen sich nur 2000 gegen die Secession aus.

dans, die dabei zu Tage gekommen sind. Dreierlei gelernt: 1) nämlich, daß der
Volkswille sich in den Südstaaten in demselben Grade für die Trennung er¬
klärt hat, wie in Italien für die Vereinigung*); 2) daß die Südländer, wo nickt
nach Sprache und Abstammung, doch unzweifelhaft nach ihrer Denkart, ihren
Sitten und vor Allem nach ihren Interessen eine von den Nordländern ebenso
verschiedene Nation sind, wie etwa die Deutschen von den Oestreichern; 3)
daß der Norden die Sympathien, die wir ihm als einem Feinde der Sklaverei
zuwendeten, nicht verdient.

Wir begreifen nicht, daß es der Billigkeit, daß es dem republikanischen
Princip, daß es den Interessen auch nur eines der beiden Theile gemäß ist.
wenn man einem großen Lande oder einer großen Abtheilung eines Landes
eine Regierung aufzwingen will, welche der ungeheuren Mehrzahl von dessen
Bewohnern von Grund aus zuwider ist. Wir sehen nicht ein, daß es abso¬
lut nothwendig und nützlich ist. ein Volk, welches einerseits als vorwiegend
ackerbauendes auf Freihandel angewiesen ist, andrerseits der aristokratischen
Staatsverfassung zustrebt, mit einem Volke zusammengeschweißt zu halten,
welches den Schutzzoll vorzieht und durchaus demokratisch empfindet. Die
Anhänger der Union machen einen großen Unterschied zwischen dieser und al¬
len frühern Revolutionen, indem sie behaupten, die Regierung der Conföde-
rirten werde, wenn sie endgültig festgestellt sei, auf die Sklaverei gegründet
sein. Dies, so versichern sie. rechtfertige einen Widerstand gegen die Pläne
der Aufständischen, de-r selbst vor deren Untergang und Ausrottung nicht zurück¬
schrecke. Nun geben wir zu, daß dies ein sehr hörbarer Grund für eine Na¬
tion sein würde, welche die Sklaverei überhaupt nicht anerkennte; wenn er
aber von Leuten vorgebracht wird, die für eine die Sklaverei als zu Recht
bestehend erklärende Verfassung und für eine Regierung kämpfen, welche noch
keinen Finger zur Abänderung der Verfassung in diesem Punkt gerührt hat,
so nimmt er sich, wo nicht wie Heuchelei, doch sicher sehr unlogisch aus.

Aber, sagen die Gegner der Sklaverei, zunächst zu England, dann zur
öffentlichen Meinung überhaupt, der Krieg wird die Sklaverei wegschaffen,
darum tretet auf unsre Seite. Wir entgegnen: Das ist abermals unlogisch;
es sollte vielmehr heißen: darum sorgt, daß der Krieg fortdauert, was wiede¬
rum die Bedeutung hat: deshalb tretet auf die Seite der schwächeren Par¬
tei, denn sicher ist. je länger diese schwächere Partei sich zu halten vermag,
desto mehr reift die Hoffnung zur Gewißheit, daß die Sklaverei durch den
Kampf aufgehoben werden wird. Aber ob die Aufhebung derselben durch
den Norden erfolgen wird, dessen Heere und Schiffe nur den Saum des Ge-



") Von ungefähr sechs Millionen Menschen, also etwa «00,000 Stimmberechtigten, spra¬
chen sich nur 2000 gegen die Secession aus.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/130>, abgerufen am 23.07.2024.