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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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wie bei der Bildung der ästhetischen Vorstellungen (womit natürlich nicht ge¬
leugnet wird, daß bei den mythologischen Vorstellungen-neben der Phantasie
auch noch andere Seelenkräfte, wie der Religionstrieb u. s. w.. thätig sind).
Die Phantasie nun bewegt sich immer in bildlichen indirecten Ausdrucksweisen,
aber nicht alle indirecte Ausdrucksweise, nicht alle Formgebung ist symbolisch,
sonst mühte am Ende die Sprache selbst symbolisch sein: wenn ich die Vor¬
stellung von Christus mit dem Wort Christus bezeichne , so ist'dieses Wort
nicht Christus selbst und doch gewiß nicht symbolisch. Ebenso wenig ist es
Symbolik, wenn der Maler ein Christusbild malt, wohl aber wenn et-'ein
Lamm malt, das Christus vorstellen soll. Also ist Symbolik diejenige um¬
schreibende, indirecte Ausdrucksweise, in welcher das Zeichen den gemeinten
Gegenstand nur andeutet, ihm in irgend einer Hinsicht ähnlich ist, nicht aber
denselben als Porträt darstellt. Aber noch ein Anderes muß zum Begriff des
symbolischen hinzutreten: es muß ein mehr oder wemgerj klares Bewußtsein
darüber vorhanden sein, daß das Zeichen nur Zeichen, nicht Abbild, nicht
directer wahrer Ausdruck ist. Wenn ein modewer Dichter das Rollen des
Donners von dem rasselnden Wagen des Donar ableitet, so ist das Sym¬
bolik, wenn aber die Germarien dies thaten, so war es keine Symbolik, son¬
dern Volksglaube. Wenn die oberbairischen Bauern bei Gewitter sagen.
Christus und die Apostel schieben Kegel, so ist das eine humoristische Sym¬
bolik, weil sie sich der Unwahrheit des Ausdrucks bewußt sind.

Die Symbolik ist also eine Unterart des Tropus und kann ihrer Natur
nach in Worten, Geberden, und Handlungen sich darstellen. Es ist Symbolik
in Worten, wenn der Liebende die Geliebte statt sie sein sanftes, stilles,
schönes Mädchen zu nennen, seine Blume nennt. Es ist Symbolik in Ge¬
berden, wenn der Betende die Hände faltet und so wehrlos, nicht der
eignen freien Arme Kraft vertrauend, sondern allem Schutz, den er sich selbst
geben könnte, entsagend, sich einzig dem Schutz Gottes übergibt. Es ist end¬
lich Symbolik in Handlungen, wenn die Hexe oder das alte Bauernweib einen
"Tattermann" von Wachs bildet nach der Gestalt ihres Feindes und dieses
Bild mit glühenden Nadeln durchsticht. .

Alte diese Arten von Symbolik und jede in unerschöpflich mannigfaltigen
Anwendungen kommen nun in der deutschen Mythologie vor: hier sollen aus
dem überreichen Material nur einige Beispiele, zunächst aus dem Gebiet des
Aberglaubens vom Angang, von Krankheit und Heilung herausgegriffen wer¬
den, an ihnen das Wesen dieser Symbolik darzuthun.

Es ist nämlich keineswegs immer leicht, in einem Mythologen. dessen
symbolische Natur sofort in- die Augen füllt, nun such den Sir" desselben
zu deuten und, wo mehrere Beziehungen möglich, die richtige zu treffen: wenn
z. B. gegen alle Arten von Erkrankung Mühlradwasser prophylaktische Kraft


wie bei der Bildung der ästhetischen Vorstellungen (womit natürlich nicht ge¬
leugnet wird, daß bei den mythologischen Vorstellungen-neben der Phantasie
auch noch andere Seelenkräfte, wie der Religionstrieb u. s. w.. thätig sind).
Die Phantasie nun bewegt sich immer in bildlichen indirecten Ausdrucksweisen,
aber nicht alle indirecte Ausdrucksweise, nicht alle Formgebung ist symbolisch,
sonst mühte am Ende die Sprache selbst symbolisch sein: wenn ich die Vor¬
stellung von Christus mit dem Wort Christus bezeichne , so ist'dieses Wort
nicht Christus selbst und doch gewiß nicht symbolisch. Ebenso wenig ist es
Symbolik, wenn der Maler ein Christusbild malt, wohl aber wenn et-'ein
Lamm malt, das Christus vorstellen soll. Also ist Symbolik diejenige um¬
schreibende, indirecte Ausdrucksweise, in welcher das Zeichen den gemeinten
Gegenstand nur andeutet, ihm in irgend einer Hinsicht ähnlich ist, nicht aber
denselben als Porträt darstellt. Aber noch ein Anderes muß zum Begriff des
symbolischen hinzutreten: es muß ein mehr oder wemgerj klares Bewußtsein
darüber vorhanden sein, daß das Zeichen nur Zeichen, nicht Abbild, nicht
directer wahrer Ausdruck ist. Wenn ein modewer Dichter das Rollen des
Donners von dem rasselnden Wagen des Donar ableitet, so ist das Sym¬
bolik, wenn aber die Germarien dies thaten, so war es keine Symbolik, son¬
dern Volksglaube. Wenn die oberbairischen Bauern bei Gewitter sagen.
Christus und die Apostel schieben Kegel, so ist das eine humoristische Sym¬
bolik, weil sie sich der Unwahrheit des Ausdrucks bewußt sind.

Die Symbolik ist also eine Unterart des Tropus und kann ihrer Natur
nach in Worten, Geberden, und Handlungen sich darstellen. Es ist Symbolik
in Worten, wenn der Liebende die Geliebte statt sie sein sanftes, stilles,
schönes Mädchen zu nennen, seine Blume nennt. Es ist Symbolik in Ge¬
berden, wenn der Betende die Hände faltet und so wehrlos, nicht der
eignen freien Arme Kraft vertrauend, sondern allem Schutz, den er sich selbst
geben könnte, entsagend, sich einzig dem Schutz Gottes übergibt. Es ist end¬
lich Symbolik in Handlungen, wenn die Hexe oder das alte Bauernweib einen
„Tattermann" von Wachs bildet nach der Gestalt ihres Feindes und dieses
Bild mit glühenden Nadeln durchsticht. .

Alte diese Arten von Symbolik und jede in unerschöpflich mannigfaltigen
Anwendungen kommen nun in der deutschen Mythologie vor: hier sollen aus
dem überreichen Material nur einige Beispiele, zunächst aus dem Gebiet des
Aberglaubens vom Angang, von Krankheit und Heilung herausgegriffen wer¬
den, an ihnen das Wesen dieser Symbolik darzuthun.

Es ist nämlich keineswegs immer leicht, in einem Mythologen. dessen
symbolische Natur sofort in- die Augen füllt, nun such den Sir» desselben
zu deuten und, wo mehrere Beziehungen möglich, die richtige zu treffen: wenn
z. B. gegen alle Arten von Erkrankung Mühlradwasser prophylaktische Kraft


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[0114] wie bei der Bildung der ästhetischen Vorstellungen (womit natürlich nicht ge¬ leugnet wird, daß bei den mythologischen Vorstellungen-neben der Phantasie auch noch andere Seelenkräfte, wie der Religionstrieb u. s. w.. thätig sind). Die Phantasie nun bewegt sich immer in bildlichen indirecten Ausdrucksweisen, aber nicht alle indirecte Ausdrucksweise, nicht alle Formgebung ist symbolisch, sonst mühte am Ende die Sprache selbst symbolisch sein: wenn ich die Vor¬ stellung von Christus mit dem Wort Christus bezeichne , so ist'dieses Wort nicht Christus selbst und doch gewiß nicht symbolisch. Ebenso wenig ist es Symbolik, wenn der Maler ein Christusbild malt, wohl aber wenn et-'ein Lamm malt, das Christus vorstellen soll. Also ist Symbolik diejenige um¬ schreibende, indirecte Ausdrucksweise, in welcher das Zeichen den gemeinten Gegenstand nur andeutet, ihm in irgend einer Hinsicht ähnlich ist, nicht aber denselben als Porträt darstellt. Aber noch ein Anderes muß zum Begriff des symbolischen hinzutreten: es muß ein mehr oder wemgerj klares Bewußtsein darüber vorhanden sein, daß das Zeichen nur Zeichen, nicht Abbild, nicht directer wahrer Ausdruck ist. Wenn ein modewer Dichter das Rollen des Donners von dem rasselnden Wagen des Donar ableitet, so ist das Sym¬ bolik, wenn aber die Germarien dies thaten, so war es keine Symbolik, son¬ dern Volksglaube. Wenn die oberbairischen Bauern bei Gewitter sagen. Christus und die Apostel schieben Kegel, so ist das eine humoristische Sym¬ bolik, weil sie sich der Unwahrheit des Ausdrucks bewußt sind. Die Symbolik ist also eine Unterart des Tropus und kann ihrer Natur nach in Worten, Geberden, und Handlungen sich darstellen. Es ist Symbolik in Worten, wenn der Liebende die Geliebte statt sie sein sanftes, stilles, schönes Mädchen zu nennen, seine Blume nennt. Es ist Symbolik in Ge¬ berden, wenn der Betende die Hände faltet und so wehrlos, nicht der eignen freien Arme Kraft vertrauend, sondern allem Schutz, den er sich selbst geben könnte, entsagend, sich einzig dem Schutz Gottes übergibt. Es ist end¬ lich Symbolik in Handlungen, wenn die Hexe oder das alte Bauernweib einen „Tattermann" von Wachs bildet nach der Gestalt ihres Feindes und dieses Bild mit glühenden Nadeln durchsticht. . Alte diese Arten von Symbolik und jede in unerschöpflich mannigfaltigen Anwendungen kommen nun in der deutschen Mythologie vor: hier sollen aus dem überreichen Material nur einige Beispiele, zunächst aus dem Gebiet des Aberglaubens vom Angang, von Krankheit und Heilung herausgegriffen wer¬ den, an ihnen das Wesen dieser Symbolik darzuthun. Es ist nämlich keineswegs immer leicht, in einem Mythologen. dessen symbolische Natur sofort in- die Augen füllt, nun such den Sir» desselben zu deuten und, wo mehrere Beziehungen möglich, die richtige zu treffen: wenn z. B. gegen alle Arten von Erkrankung Mühlradwasser prophylaktische Kraft

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/114>, abgerufen am 23.07.2024.