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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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det, ja sogar den Wallfahrtszug zum wunderthätigen Bild auf dem Weißen¬
stein selbst angeführt, wozu Ersterer zur Erbietung der Glaubenseinheit aufge¬
fordert. Jedermann wisse, daß solche Bittgänge ein wirksames Mittel seien,
um des Volkes Phantasie zu erhitzen und ihm den Wahn beizubringen, die
Religion stehe in Gefahr. Als nun der Propst nach Verlauf der 3 Tage kei¬
nen Bericht erstattete und auf zweimalige Vorladung sich mit der Ausflucht
zu erscheinen weigerte, er könne nichts gegen sein Gewissen thun, ließ ihm der
Bürgermeister durch einen Polizeimann die zwangsweise Vorführung androhen,
wenn er auch jetzt nicht Folge leisten wolle. Obschon nun der Propst, der
nicht den Muth hatte, sich offen gegen die Aufträge der Regierung aufzulehnen,
zu Protokoll erklärte: "er verpflichte sich, Alles anzuwenden, um jede Agitation
zu vermeiden, verspreche den Predigern auszutragen, sich im Geiste der Liebe
und Versöhnung auszusprechen und das Patent vom 8. April zu achten, war
es ihm doch mit der Erfüllung dieses Versprechens keineswegs Ernst. Absicht¬
lich verließ er die Stadt und gestattete dem Kapuziner P. Josue Trois wäh¬
rend seiner Abwesenheit zu predigen, der dann auch den willkommenen Anlaß
ergriff, am nächsten Sonntage von der Kanzel zu poltern, dem Gemeindeaus¬
schusse Bestechung bei den Wahlen und dem Bürgermeister wegen der Behand¬
lung des Propstes einen Faustschlag gegen den Katholicismus vorzuwerfen.
Hand in Hand mit den verfolgten Hütern des Altars entbot auch der Landes¬
hauptmannstellvertreter Carl v. Zallinger, der zugleich Gemeindeausschußmitglied
von Bozen ist, in die nächste öffentliche Ausschußsitzung einen hellen Haufen von
Leuten seiner Gesinnung und selbst Bauern der umliegenden Orte, dem Bürger¬
meister über sein Vorgehen ein Mißtrauensvotum auszusprechen. Der helle
Haufe kam aber zu spät, um noch vom Flammenstrome des Redners ergriffen
zu werden, und nachdem der Ausschuß mit großer Stimmenmehrheit zur Tages¬
ordnung übergegangen war, entfernte er sich unverrichteter Sache.

So ging es denn fort mit Predigten, Wallfahrten und eifrigem Gebete
um rettende Engel mit feurigen Schwertern gegen die Ketzer, bis zur Ankunft
des neuen Statthalters, des Fürsten Lobkowitz. der am 24. Juli in Innsbruck
eintraf. Die klerikalen Parteigänger in Wien sollen seine Ernennung als ein
großes Unglück für das arme Tirol beklagt haben, denn er halte keine Gemein¬
schaft mit ihnen. Die erst vom großen deutschen Liederseste in Nürnberg rück¬
gekehrte Innsbrucker Liedertafel, vereint mit den Sängern von Hall, schwatz,
Sterzing. Brixen und Lienz begrüßte ihn in freudiger Ahnung mit einem be¬
geisterten Hoch. Musik und Böllerknall, der ständige Ausschuß des Landtags
aber vernahm ans seinem Munde, daß er gekommen sei, die Gesetze gegen
Jedermann, ohne Rücksicht der Person, aufrecht zu halten. Zugleich erläuterte
die Ansicht der Regierung betreffs der Hcrzenssrage der officielle "Tiroler Bote"
in einer Reihe von Artikeln über die Möglichkeit eines "confessionellen Aus-


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det, ja sogar den Wallfahrtszug zum wunderthätigen Bild auf dem Weißen¬
stein selbst angeführt, wozu Ersterer zur Erbietung der Glaubenseinheit aufge¬
fordert. Jedermann wisse, daß solche Bittgänge ein wirksames Mittel seien,
um des Volkes Phantasie zu erhitzen und ihm den Wahn beizubringen, die
Religion stehe in Gefahr. Als nun der Propst nach Verlauf der 3 Tage kei¬
nen Bericht erstattete und auf zweimalige Vorladung sich mit der Ausflucht
zu erscheinen weigerte, er könne nichts gegen sein Gewissen thun, ließ ihm der
Bürgermeister durch einen Polizeimann die zwangsweise Vorführung androhen,
wenn er auch jetzt nicht Folge leisten wolle. Obschon nun der Propst, der
nicht den Muth hatte, sich offen gegen die Aufträge der Regierung aufzulehnen,
zu Protokoll erklärte: „er verpflichte sich, Alles anzuwenden, um jede Agitation
zu vermeiden, verspreche den Predigern auszutragen, sich im Geiste der Liebe
und Versöhnung auszusprechen und das Patent vom 8. April zu achten, war
es ihm doch mit der Erfüllung dieses Versprechens keineswegs Ernst. Absicht¬
lich verließ er die Stadt und gestattete dem Kapuziner P. Josue Trois wäh¬
rend seiner Abwesenheit zu predigen, der dann auch den willkommenen Anlaß
ergriff, am nächsten Sonntage von der Kanzel zu poltern, dem Gemeindeaus¬
schusse Bestechung bei den Wahlen und dem Bürgermeister wegen der Behand¬
lung des Propstes einen Faustschlag gegen den Katholicismus vorzuwerfen.
Hand in Hand mit den verfolgten Hütern des Altars entbot auch der Landes¬
hauptmannstellvertreter Carl v. Zallinger, der zugleich Gemeindeausschußmitglied
von Bozen ist, in die nächste öffentliche Ausschußsitzung einen hellen Haufen von
Leuten seiner Gesinnung und selbst Bauern der umliegenden Orte, dem Bürger¬
meister über sein Vorgehen ein Mißtrauensvotum auszusprechen. Der helle
Haufe kam aber zu spät, um noch vom Flammenstrome des Redners ergriffen
zu werden, und nachdem der Ausschuß mit großer Stimmenmehrheit zur Tages¬
ordnung übergegangen war, entfernte er sich unverrichteter Sache.

So ging es denn fort mit Predigten, Wallfahrten und eifrigem Gebete
um rettende Engel mit feurigen Schwertern gegen die Ketzer, bis zur Ankunft
des neuen Statthalters, des Fürsten Lobkowitz. der am 24. Juli in Innsbruck
eintraf. Die klerikalen Parteigänger in Wien sollen seine Ernennung als ein
großes Unglück für das arme Tirol beklagt haben, denn er halte keine Gemein¬
schaft mit ihnen. Die erst vom großen deutschen Liederseste in Nürnberg rück¬
gekehrte Innsbrucker Liedertafel, vereint mit den Sängern von Hall, schwatz,
Sterzing. Brixen und Lienz begrüßte ihn in freudiger Ahnung mit einem be¬
geisterten Hoch. Musik und Böllerknall, der ständige Ausschuß des Landtags
aber vernahm ans seinem Munde, daß er gekommen sei, die Gesetze gegen
Jedermann, ohne Rücksicht der Person, aufrecht zu halten. Zugleich erläuterte
die Ansicht der Regierung betreffs der Hcrzenssrage der officielle „Tiroler Bote"
in einer Reihe von Artikeln über die Möglichkeit eines „confessionellen Aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/69>, abgerufen am 28.12.2024.