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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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""Der fragliche Vorschlag des tirolischen Landtages hat offenbar den
Zweck, die Wirksamkeit des von Seiner Majestät am 8. April d. I. allgemein
und ausdrücklich auch für Tirol giltig erlassenen Patentes aufzuheben, --
eines Gesetzes, welches sowol im Sinne der zu den geläutertsten Grundsätzen
christlicher Duldsamkeit emporgestiegenen Anforderungen der europäischen Ge¬
sellschaft, als auch im Sinne des bereits am 1. September 1859 erlasse¬
nen analogen Gesetzes für Ungarn und endlich im Sinne des. Art. XVI
der Bundesacte verfaßt und allenthalben, im In- und Auslande, als ein
wesentlicher Fortschritt freudig begrüßt worden ist. Es genügt, die Form, in
welcher dieser Landtagsvorschlag unterbreitet worden ist. in's Auge zu fassen,
um zur Ueberzeugung zu gelangen, daß er mit den Bestimmungen der tiroli-
schen Landesordnung nicht im Einklange steht. Denn diese gestattet zwar im
§ 19 dem Landtage über kundgemachte allgemeine Gesetze und Einrichtungen
bezüglich ihrer besonderen Rückwirkung auf das Wohl des Landes zu berathen
und Anträge zu stellen, sie räumt aber nicht die Befugniß ein, in solchen An¬
gelegenheiten Landesgesetze vorzuschlagen, welches Recht im § 17 auf die da¬
selbst im Gegensatz zu H 19 angeführten Angelegenheiten beschränkt ist. Hier¬
aus folgt, wie der Herr Staatsminister weiter sagt, daß in das Innere des
fraglichen Landtagsbeschlusses nicht einzugehen war, weil er wegen des er¬
wähnten Formfehlers nicht als ein gesetzliches Substrat der Allerhöchsten
Sanction angesehen werden kann.- 'Dies ist der gesetzliche Standpunkt, wor-
nach die Angelegenheit dermal auf dem Boden des formellen Staatsrechtes
eine Lösung findet, durch welche in der Sache selbst nicht vorgegriffen wird,
indem nichts entgegensteht, daß in das Innere der Sache eingegangen werde,
sobald der Landtag die Vorlage mit dem tirolischen Grundgesetze in Einklang
gebracht und sohin in dieser verbesserten Form vorgelegt haben wird.""
Es ist nach dem Schreiben des Herrn Staatsministcrs vom 15. d. M. eine
natürliche Folge dieser Ablehnung des Antrags des tirolischen Landtages, daß
das Patent vom 8. April d. I., dessen Erlassung innerhalb der zum deutschen
Bunde gehörigen Länder eine vertragsmäßig zu erfüllende Pflicht gewesen sei,
in gesetzlicher Wirksamkeit bleibt. Der Herr Staatsminister bemerkt serner,
""daß die Einführung dieses Gesetzes in Tirol als eine unschädliche Maßregel
erschien, weil nicht zu besorgen war, daß unmittelbar nach der Kundmachung
dieses Gesetzes auf Seite der katholischen Bewohner Tirols plötzlich eine so
gesteigerte Neigung zum Verkaufe des Grundeigenthums an protestantische
Käufer und in Folge dessen eine erhebliche Vermehrung der protestantischen
Ansässigkeiten eintreten werde, nachdem seit der Erlassung des Toleranzpaten-
tes, also seit 80 Jahren, die Protestanten in Tirol nur in verschwindend klei-
ner Zahl Fuß fassen konnten, so daß deren jetzt nur 27 im Lande zerstreut
leben."" Wörtlich wurde ferner bemerkt: ""Indem sonach dieses Patent durch


„„Der fragliche Vorschlag des tirolischen Landtages hat offenbar den
Zweck, die Wirksamkeit des von Seiner Majestät am 8. April d. I. allgemein
und ausdrücklich auch für Tirol giltig erlassenen Patentes aufzuheben, —
eines Gesetzes, welches sowol im Sinne der zu den geläutertsten Grundsätzen
christlicher Duldsamkeit emporgestiegenen Anforderungen der europäischen Ge¬
sellschaft, als auch im Sinne des bereits am 1. September 1859 erlasse¬
nen analogen Gesetzes für Ungarn und endlich im Sinne des. Art. XVI
der Bundesacte verfaßt und allenthalben, im In- und Auslande, als ein
wesentlicher Fortschritt freudig begrüßt worden ist. Es genügt, die Form, in
welcher dieser Landtagsvorschlag unterbreitet worden ist. in's Auge zu fassen,
um zur Ueberzeugung zu gelangen, daß er mit den Bestimmungen der tiroli-
schen Landesordnung nicht im Einklange steht. Denn diese gestattet zwar im
§ 19 dem Landtage über kundgemachte allgemeine Gesetze und Einrichtungen
bezüglich ihrer besonderen Rückwirkung auf das Wohl des Landes zu berathen
und Anträge zu stellen, sie räumt aber nicht die Befugniß ein, in solchen An¬
gelegenheiten Landesgesetze vorzuschlagen, welches Recht im § 17 auf die da¬
selbst im Gegensatz zu H 19 angeführten Angelegenheiten beschränkt ist. Hier¬
aus folgt, wie der Herr Staatsminister weiter sagt, daß in das Innere des
fraglichen Landtagsbeschlusses nicht einzugehen war, weil er wegen des er¬
wähnten Formfehlers nicht als ein gesetzliches Substrat der Allerhöchsten
Sanction angesehen werden kann.- 'Dies ist der gesetzliche Standpunkt, wor-
nach die Angelegenheit dermal auf dem Boden des formellen Staatsrechtes
eine Lösung findet, durch welche in der Sache selbst nicht vorgegriffen wird,
indem nichts entgegensteht, daß in das Innere der Sache eingegangen werde,
sobald der Landtag die Vorlage mit dem tirolischen Grundgesetze in Einklang
gebracht und sohin in dieser verbesserten Form vorgelegt haben wird.""
Es ist nach dem Schreiben des Herrn Staatsministcrs vom 15. d. M. eine
natürliche Folge dieser Ablehnung des Antrags des tirolischen Landtages, daß
das Patent vom 8. April d. I., dessen Erlassung innerhalb der zum deutschen
Bunde gehörigen Länder eine vertragsmäßig zu erfüllende Pflicht gewesen sei,
in gesetzlicher Wirksamkeit bleibt. Der Herr Staatsminister bemerkt serner,
„„daß die Einführung dieses Gesetzes in Tirol als eine unschädliche Maßregel
erschien, weil nicht zu besorgen war, daß unmittelbar nach der Kundmachung
dieses Gesetzes auf Seite der katholischen Bewohner Tirols plötzlich eine so
gesteigerte Neigung zum Verkaufe des Grundeigenthums an protestantische
Käufer und in Folge dessen eine erhebliche Vermehrung der protestantischen
Ansässigkeiten eintreten werde, nachdem seit der Erlassung des Toleranzpaten-
tes, also seit 80 Jahren, die Protestanten in Tirol nur in verschwindend klei-
ner Zahl Fuß fassen konnten, so daß deren jetzt nur 27 im Lande zerstreut
leben."" Wörtlich wurde ferner bemerkt: „„Indem sonach dieses Patent durch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/62>, abgerufen am 23.07.2024.