Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.als ich in meiner krampfhaft geballten Faust noch meinen Säbel fühlte. Von einem Barbier wurde am andern Morgen ein nothdürftiger Verband als ich in meiner krampfhaft geballten Faust noch meinen Säbel fühlte. Von einem Barbier wurde am andern Morgen ein nothdürftiger Verband <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0506" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113014"/> <p xml:id="ID_1588" prev="#ID_1587"> als ich in meiner krampfhaft geballten Faust noch meinen Säbel fühlte.<lb/> Dunkel erinnerte ich mich des im Kampfe gehörten feindlichen Zurufs: „schmeiß<lb/> den Säbel weg, Hund!" und meine erste Thätigkeit bestand darin, den Säbel<lb/> feindlichen Nachforschungen zu entziehen. Mehr kriechend als gehend, schleppte<lb/> ich mich durch eine halb offene Pforte in einen Garten, wo ich den Säbel<lb/> unter einen, Baume verscharrte. Der Garten gehörte zur Schenke „das Lämm-<lb/> chen" in Klein-Schkorlop, und es ist unrichtig, wenn der Ueberfall nach dem<lb/> Dorfe Kitzen benannt wird. Der Abmarsch des Lützow'schen Corps fand<lb/> allerdings vor Kitzen statt, allein der völkerrechtswidrige Angriff geschah vor<lb/> und in Mein-Schkorlop. auf der nach Leipzig führenden Straße. Nachdem<lb/> ich. von den Bewohnern der Schenke gutmüthig in's Haus aufgenommen<lb/> worden war und aus sieben Wunden blutend dem Tode entgegensah, war ich<lb/> nicht ohne Leidensgefährten. Storch aus Liegnitz und Otto v. Wülkenitz<lb/> aus Berlin, beide Kameraden der zweiten Schwadron, waren gleichfalls ver¬<lb/> wundet, Storch durch einen schweren Gesichtshieb, Wülkenitz durch einen Hieb in<lb/> die Hand, auch sie hatten Zuflucht in der Schenke gesucht und gefunden. Wir harr¬<lb/> ten hier dem Tage und ärztlicher Hülfe entgegen. Da unser Zufluchtsort abgelegen<lb/> von der Straße war, so wurden wir von Feinden nicht belästigt; noch spät in<lb/> der Nacht fand sich Lützorv mit mehreren Offizieren ein; er sprach uns<lb/> Muth und Trost zu. Wie ich ihn verstand, war er vom Pferde gerissen worden<lb/> und hatte sich in der allgemeinen Verwirrung davon gemacht. Lützo.? mit<lb/> seinen Gefährten verließ uns bald, es ist bekannt, daß er glücklich durch den<lb/> Harz über die Elbe entkommen ist. Die unsere Avantgarde bildenden Kosaken<lb/> und Uhlanen hatten gleich beim ersten Waffenlärm das Weite gesucht und<lb/> kamen glücklich über die Elbe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1589" next="#ID_1590"> Von einem Barbier wurde am andern Morgen ein nothdürftiger Verband<lb/> um die Hauptwunden der drei Verwundeten angelegt. Durch einen Kameraden<lb/> von der ersten Schwadron Namens Lorenz, der Angehörige in Zeitz besaß<lb/> und vernommen hatte, daß daselbst keine feindlichen Truppen sich befänden,<lb/> geleitet, gelangten wir auf einem Bauer-Karren nach Zeitz. Storch und ich.<lb/> von Allem entblößt, außer der zerfetzten Uniform, die wir auf dem Leibe trugen,<lb/> fanden die liebreichste Ausnahme bei den Kupferschmidt Wagner'schen Ehe¬<lb/> leuten, die uns das beste Zimmer ihres Hauses einräumten und uns wie eigene<lb/> Kinder sorgsam pflegten, so daß wir nach einem Zeitraum von zwei Wochen so<lb/> weit von unsern Wunden hergestellt waren, daß wir ein Entkommen über die<lb/> böhmische Grenze vorbereiten konnten. Allein durch einen französischen Spion,<lb/> den deutschen Domherren v. d. Pfordten wurde unser Plan vereitelt, unsere<lb/> Anwesenheit in Zeitz den französischen Behörden verrathen und Storch. Wülke¬<lb/> nitz und ich als Kriegs-Gefangene nach Leipzig abgeführt. In einem fran¬<lb/> zösischen Offizier - Lazarett) untergebracht, verblieben wir nur einige Tage in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0506]
als ich in meiner krampfhaft geballten Faust noch meinen Säbel fühlte.
Dunkel erinnerte ich mich des im Kampfe gehörten feindlichen Zurufs: „schmeiß
den Säbel weg, Hund!" und meine erste Thätigkeit bestand darin, den Säbel
feindlichen Nachforschungen zu entziehen. Mehr kriechend als gehend, schleppte
ich mich durch eine halb offene Pforte in einen Garten, wo ich den Säbel
unter einen, Baume verscharrte. Der Garten gehörte zur Schenke „das Lämm-
chen" in Klein-Schkorlop, und es ist unrichtig, wenn der Ueberfall nach dem
Dorfe Kitzen benannt wird. Der Abmarsch des Lützow'schen Corps fand
allerdings vor Kitzen statt, allein der völkerrechtswidrige Angriff geschah vor
und in Mein-Schkorlop. auf der nach Leipzig führenden Straße. Nachdem
ich. von den Bewohnern der Schenke gutmüthig in's Haus aufgenommen
worden war und aus sieben Wunden blutend dem Tode entgegensah, war ich
nicht ohne Leidensgefährten. Storch aus Liegnitz und Otto v. Wülkenitz
aus Berlin, beide Kameraden der zweiten Schwadron, waren gleichfalls ver¬
wundet, Storch durch einen schweren Gesichtshieb, Wülkenitz durch einen Hieb in
die Hand, auch sie hatten Zuflucht in der Schenke gesucht und gefunden. Wir harr¬
ten hier dem Tage und ärztlicher Hülfe entgegen. Da unser Zufluchtsort abgelegen
von der Straße war, so wurden wir von Feinden nicht belästigt; noch spät in
der Nacht fand sich Lützorv mit mehreren Offizieren ein; er sprach uns
Muth und Trost zu. Wie ich ihn verstand, war er vom Pferde gerissen worden
und hatte sich in der allgemeinen Verwirrung davon gemacht. Lützo.? mit
seinen Gefährten verließ uns bald, es ist bekannt, daß er glücklich durch den
Harz über die Elbe entkommen ist. Die unsere Avantgarde bildenden Kosaken
und Uhlanen hatten gleich beim ersten Waffenlärm das Weite gesucht und
kamen glücklich über die Elbe.
Von einem Barbier wurde am andern Morgen ein nothdürftiger Verband
um die Hauptwunden der drei Verwundeten angelegt. Durch einen Kameraden
von der ersten Schwadron Namens Lorenz, der Angehörige in Zeitz besaß
und vernommen hatte, daß daselbst keine feindlichen Truppen sich befänden,
geleitet, gelangten wir auf einem Bauer-Karren nach Zeitz. Storch und ich.
von Allem entblößt, außer der zerfetzten Uniform, die wir auf dem Leibe trugen,
fanden die liebreichste Ausnahme bei den Kupferschmidt Wagner'schen Ehe¬
leuten, die uns das beste Zimmer ihres Hauses einräumten und uns wie eigene
Kinder sorgsam pflegten, so daß wir nach einem Zeitraum von zwei Wochen so
weit von unsern Wunden hergestellt waren, daß wir ein Entkommen über die
böhmische Grenze vorbereiten konnten. Allein durch einen französischen Spion,
den deutschen Domherren v. d. Pfordten wurde unser Plan vereitelt, unsere
Anwesenheit in Zeitz den französischen Behörden verrathen und Storch. Wülke¬
nitz und ich als Kriegs-Gefangene nach Leipzig abgeführt. In einem fran¬
zösischen Offizier - Lazarett) untergebracht, verblieben wir nur einige Tage in
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