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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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hätten. Schon am folgenden Tage sollte ich Gelegenheit haben, im Sinne
des Tagesbefehls ans Ordnung zu halten. Auf dem Marsche von Plauen
nach Weida war ich von meiner die Nachhut bildenden Schwadron etwas zu¬
rückgeblieben, um den Sattelgurt fester zu schnallen. Indem ich der Schwadron
nacheilte, stürzte ein Weib in fliegende" Haaren mir in den Weg und flehete
um Hülfe; die Kosaken plünderten bei ihr und mißhandelten ihre Tochter. Ich
erblickte denn auch zwei Kosakenpferde vor der Thüre des Bauern Hauses an¬
gebunden, aus welcher mir Wehklagen entgegenschallte. Ich übergab der
Frau mein Pferd zum Halten und eilte mit blankem Säbel in's Haus.

Hier fand ich denn zwei Kosaken im Ringen mit einem Mädchen begriffen;
es schien den Kosaken blos; um's Plündern zu thun, denn sie hatten verschie¬
dene Klcidnngs- und Bettstücke ergriffen, die das Mädchen ihnen zu entreißen
suchte. Einige derbe Hiebe mit flacher Klinge trieben die Kerle zum Hause
hinaus; sie waren aber schneller zu Pferde als ich, und nur dem Scheuwerden
meines Pferdes hatte ich es zu danken, daß nicht der eine Kosnk mich mit
seiner Lanze vom Pferde stach. Ich drückte zwar mein Pistol auf ihn ub,
aber es versagte. Die Russen sprengten davon, ich ihnen nach, ohne sie er¬
reichen zu können; sie waren mir bald aus dem Gesichte. Eine Anzeige beim
Commandirenden führte zu keinem Resultat, weil ich die Uebelthäter aus ihrer
Kvsakengcnossenschast nicht herausfinden und recognosciren konnte. Ich er¬
wähne hier dieses Vorfalls, weil in französischen Noten hin und wieder der
Vorwurf ausgesprochen wurde, daß die Lützower sich ans ihrem Zuge im
Rücken der Armee des Plünderns nicht enthalten hätten.

Von sonstigen Excessen auf unserem Marsch habe ich nie vernommen.
Unsere Leute, ein oder der andere Uhlane ausgenommen, waren nüchtern
und genügsam, und die Offiziere haben gewiß gegen unsere Führung nichts
auszusetzen gehabt; jeder Kamerad würde als ein Ehrloser angesehen worden
sein, der sich auf deutscher Erde das Plündern erlaubt hätte.

Von Weida ging der Marsch über Gera, Langenberg bei Zeitz vorbei
nach Droihig. Um zu hindern, daß Einer der Unserigen etwa nach Zeitz
hineinritt, stand ich während des Vorübermarsches ans dem Wege zur Stadt
Posten und habe damals Gelegenheit gehabt, die freundlichsten Worte mit
denen zu wechseln, die sich andern Tages so feindlich erwiesen.

Am 17. Juni brachen wir bei Zeiten auf und kamen Nachmittags nach
Kitzen am Flößgraben. Wir verließen ans die Anzeige eines feindlichen Offi¬
ziers, daß fremde Truppen das Dorf Kitzen besetzen würden, den Ort. stell¬
ten uns gegen Leipzig vor demselben escadronweise auf und fütterten.
Unsere Offiziere waren zum Theil während des Fütterns nach dem nahen
Lützen gegangen, um das Schlachtfeld, wahrscheinlich das von (Zroß-Görschen.
in Augenschein zu nehmen. Kaum waren diese zurückgekehrt, als feindliche


hätten. Schon am folgenden Tage sollte ich Gelegenheit haben, im Sinne
des Tagesbefehls ans Ordnung zu halten. Auf dem Marsche von Plauen
nach Weida war ich von meiner die Nachhut bildenden Schwadron etwas zu¬
rückgeblieben, um den Sattelgurt fester zu schnallen. Indem ich der Schwadron
nacheilte, stürzte ein Weib in fliegende» Haaren mir in den Weg und flehete
um Hülfe; die Kosaken plünderten bei ihr und mißhandelten ihre Tochter. Ich
erblickte denn auch zwei Kosakenpferde vor der Thüre des Bauern Hauses an¬
gebunden, aus welcher mir Wehklagen entgegenschallte. Ich übergab der
Frau mein Pferd zum Halten und eilte mit blankem Säbel in's Haus.

Hier fand ich denn zwei Kosaken im Ringen mit einem Mädchen begriffen;
es schien den Kosaken blos; um's Plündern zu thun, denn sie hatten verschie¬
dene Klcidnngs- und Bettstücke ergriffen, die das Mädchen ihnen zu entreißen
suchte. Einige derbe Hiebe mit flacher Klinge trieben die Kerle zum Hause
hinaus; sie waren aber schneller zu Pferde als ich, und nur dem Scheuwerden
meines Pferdes hatte ich es zu danken, daß nicht der eine Kosnk mich mit
seiner Lanze vom Pferde stach. Ich drückte zwar mein Pistol auf ihn ub,
aber es versagte. Die Russen sprengten davon, ich ihnen nach, ohne sie er¬
reichen zu können; sie waren mir bald aus dem Gesichte. Eine Anzeige beim
Commandirenden führte zu keinem Resultat, weil ich die Uebelthäter aus ihrer
Kvsakengcnossenschast nicht herausfinden und recognosciren konnte. Ich er¬
wähne hier dieses Vorfalls, weil in französischen Noten hin und wieder der
Vorwurf ausgesprochen wurde, daß die Lützower sich ans ihrem Zuge im
Rücken der Armee des Plünderns nicht enthalten hätten.

Von sonstigen Excessen auf unserem Marsch habe ich nie vernommen.
Unsere Leute, ein oder der andere Uhlane ausgenommen, waren nüchtern
und genügsam, und die Offiziere haben gewiß gegen unsere Führung nichts
auszusetzen gehabt; jeder Kamerad würde als ein Ehrloser angesehen worden
sein, der sich auf deutscher Erde das Plündern erlaubt hätte.

Von Weida ging der Marsch über Gera, Langenberg bei Zeitz vorbei
nach Droihig. Um zu hindern, daß Einer der Unserigen etwa nach Zeitz
hineinritt, stand ich während des Vorübermarsches ans dem Wege zur Stadt
Posten und habe damals Gelegenheit gehabt, die freundlichsten Worte mit
denen zu wechseln, die sich andern Tages so feindlich erwiesen.

Am 17. Juni brachen wir bei Zeiten auf und kamen Nachmittags nach
Kitzen am Flößgraben. Wir verließen ans die Anzeige eines feindlichen Offi¬
ziers, daß fremde Truppen das Dorf Kitzen besetzen würden, den Ort. stell¬
ten uns gegen Leipzig vor demselben escadronweise auf und fütterten.
Unsere Offiziere waren zum Theil während des Fütterns nach dem nahen
Lützen gegangen, um das Schlachtfeld, wahrscheinlich das von (Zroß-Görschen.
in Augenschein zu nehmen. Kaum waren diese zurückgekehrt, als feindliche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/503>, abgerufen am 23.07.2024.