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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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jäger der Lützower Namens Zenker blieb; bei dieser Affaire war ich nicht
zugegen und weiß deshalb nicht, wie es dabei hergegangen ist. Das Corps
kehrte nach Havelberg zurück, wo mehrere Tage gerastet wurde.

Während des eben beschriebenen Marsches von Leipzig aus hatte für die
Kriegsübung nur wenig gethan werden können; ich erinnere mich überhaupt
nur einmal, daß escadronweise exercirt wurde; das war vor Leipzig, wo
unsere Escadron einen leidlichen Choc machte, der zu Lützow's Zufriedenheit aus¬
geführt wurde.

Die Disciplin wurde gelinde geübt, und ich kann dies aus eigner Er¬
fahrung bekunden, da ich bei zwei Gelegenheiten selbst Gegenstand derselben war.
Beide Fälle mögen hier ihre Stelle finden, da sie Licht aus die geübte Kriegs¬
zucht werfen.

Vor Dessau fütterten wir an einem heißen Tage im Anfang Mai. Für
die Mannschaft war hinreichend gesorgt,, aber es gebrach an gelegenen Tränke¬
plätzen sür die Pferde, und wir mußten das Wasser ziemlich weit in Eimern
herholen, um die Pferde tränken zu können. Bei unserer Schwadron waren
sämmtliche Eimer in Gebrauch genommen, und ich sah mich daher in der
Nachbarschaft um, fand auch dort, wo die Uhlanen campirten, mehrere Eimer
unbenutzt stehen. Ich war eben im Begriff mit einem dieser Eimer davon
zu gehen, als ich von hinten heftig am Arme gepackt und mir der Eimer
unier Beilegung eines Schimpfwortes entrissen wurde. In der höchsten Ent¬
rüstung machte ich gegen meinen Widersacher Front und sand, daß es ein
Oberjäger der Uhlanen war. Wir waren beide ohne Waffen und so erfolgte
ein.Wortwechsel, in welchem ich dem Oberjäger Ohrfeigen anbot, weil er mich
hinterrücks angegriffen und mich geschimpft habe, er dagegen das Holen des
Eimers als ein heimliches Entwender schalt. Der Rittmeister v. Kropf trat
hinzu und arretirte mich, als ich in seiner Gegenwart es nicht nur nicht in
Abrede stellte, dem Oberjäger Schulz Ohrfeigen angeboten zu haben, sondern
auch hinzufügte, der Oberjäger möge sie als empfangen immerhin ansehn.

v. Kropf führte mich sofort zu Lützow. der ein ernstes Gesicht machte und
sagte, er werde die Sache durch Standrecht abmachen lassen müssen. Ich
blieb bis Nachts 12 Uhr Arrestant, d. h. unter v. Kropss Aufsicht mußte ich
ihm zu Pferde folgen, wohin er ritt. Dann wurde ich mit einer Warnung
entlassen und hörte nie wieder etwas von der Geschichte.

Einige Tage später wurde ich zu einer Patrouille commandirt, die ein
gewisser v. Thümmel als Gefreiter führte. Wir ritten zu Drei in der Gegend bei
Fischbeck bis in die Nähe der Elbe und kehrten um. als wir uns überzeugt
hatten, daß diesseits der Elbe nichts vom Feinde zu spüren war. Aus dem
Heimwege schlug v. Thümmel einen Pfad über Weideland ein, der offenbar
ein sogenannter Richtweg war und sichtbarlich unsern Weg abkürzte. Wir


jäger der Lützower Namens Zenker blieb; bei dieser Affaire war ich nicht
zugegen und weiß deshalb nicht, wie es dabei hergegangen ist. Das Corps
kehrte nach Havelberg zurück, wo mehrere Tage gerastet wurde.

Während des eben beschriebenen Marsches von Leipzig aus hatte für die
Kriegsübung nur wenig gethan werden können; ich erinnere mich überhaupt
nur einmal, daß escadronweise exercirt wurde; das war vor Leipzig, wo
unsere Escadron einen leidlichen Choc machte, der zu Lützow's Zufriedenheit aus¬
geführt wurde.

Die Disciplin wurde gelinde geübt, und ich kann dies aus eigner Er¬
fahrung bekunden, da ich bei zwei Gelegenheiten selbst Gegenstand derselben war.
Beide Fälle mögen hier ihre Stelle finden, da sie Licht aus die geübte Kriegs¬
zucht werfen.

Vor Dessau fütterten wir an einem heißen Tage im Anfang Mai. Für
die Mannschaft war hinreichend gesorgt,, aber es gebrach an gelegenen Tränke¬
plätzen sür die Pferde, und wir mußten das Wasser ziemlich weit in Eimern
herholen, um die Pferde tränken zu können. Bei unserer Schwadron waren
sämmtliche Eimer in Gebrauch genommen, und ich sah mich daher in der
Nachbarschaft um, fand auch dort, wo die Uhlanen campirten, mehrere Eimer
unbenutzt stehen. Ich war eben im Begriff mit einem dieser Eimer davon
zu gehen, als ich von hinten heftig am Arme gepackt und mir der Eimer
unier Beilegung eines Schimpfwortes entrissen wurde. In der höchsten Ent¬
rüstung machte ich gegen meinen Widersacher Front und sand, daß es ein
Oberjäger der Uhlanen war. Wir waren beide ohne Waffen und so erfolgte
ein.Wortwechsel, in welchem ich dem Oberjäger Ohrfeigen anbot, weil er mich
hinterrücks angegriffen und mich geschimpft habe, er dagegen das Holen des
Eimers als ein heimliches Entwender schalt. Der Rittmeister v. Kropf trat
hinzu und arretirte mich, als ich in seiner Gegenwart es nicht nur nicht in
Abrede stellte, dem Oberjäger Schulz Ohrfeigen angeboten zu haben, sondern
auch hinzufügte, der Oberjäger möge sie als empfangen immerhin ansehn.

v. Kropf führte mich sofort zu Lützow. der ein ernstes Gesicht machte und
sagte, er werde die Sache durch Standrecht abmachen lassen müssen. Ich
blieb bis Nachts 12 Uhr Arrestant, d. h. unter v. Kropss Aufsicht mußte ich
ihm zu Pferde folgen, wohin er ritt. Dann wurde ich mit einer Warnung
entlassen und hörte nie wieder etwas von der Geschichte.

Einige Tage später wurde ich zu einer Patrouille commandirt, die ein
gewisser v. Thümmel als Gefreiter führte. Wir ritten zu Drei in der Gegend bei
Fischbeck bis in die Nähe der Elbe und kehrten um. als wir uns überzeugt
hatten, daß diesseits der Elbe nichts vom Feinde zu spüren war. Aus dem
Heimwege schlug v. Thümmel einen Pfad über Weideland ein, der offenbar
ein sogenannter Richtweg war und sichtbarlich unsern Weg abkürzte. Wir


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[0498] jäger der Lützower Namens Zenker blieb; bei dieser Affaire war ich nicht zugegen und weiß deshalb nicht, wie es dabei hergegangen ist. Das Corps kehrte nach Havelberg zurück, wo mehrere Tage gerastet wurde. Während des eben beschriebenen Marsches von Leipzig aus hatte für die Kriegsübung nur wenig gethan werden können; ich erinnere mich überhaupt nur einmal, daß escadronweise exercirt wurde; das war vor Leipzig, wo unsere Escadron einen leidlichen Choc machte, der zu Lützow's Zufriedenheit aus¬ geführt wurde. Die Disciplin wurde gelinde geübt, und ich kann dies aus eigner Er¬ fahrung bekunden, da ich bei zwei Gelegenheiten selbst Gegenstand derselben war. Beide Fälle mögen hier ihre Stelle finden, da sie Licht aus die geübte Kriegs¬ zucht werfen. Vor Dessau fütterten wir an einem heißen Tage im Anfang Mai. Für die Mannschaft war hinreichend gesorgt,, aber es gebrach an gelegenen Tränke¬ plätzen sür die Pferde, und wir mußten das Wasser ziemlich weit in Eimern herholen, um die Pferde tränken zu können. Bei unserer Schwadron waren sämmtliche Eimer in Gebrauch genommen, und ich sah mich daher in der Nachbarschaft um, fand auch dort, wo die Uhlanen campirten, mehrere Eimer unbenutzt stehen. Ich war eben im Begriff mit einem dieser Eimer davon zu gehen, als ich von hinten heftig am Arme gepackt und mir der Eimer unier Beilegung eines Schimpfwortes entrissen wurde. In der höchsten Ent¬ rüstung machte ich gegen meinen Widersacher Front und sand, daß es ein Oberjäger der Uhlanen war. Wir waren beide ohne Waffen und so erfolgte ein.Wortwechsel, in welchem ich dem Oberjäger Ohrfeigen anbot, weil er mich hinterrücks angegriffen und mich geschimpft habe, er dagegen das Holen des Eimers als ein heimliches Entwender schalt. Der Rittmeister v. Kropf trat hinzu und arretirte mich, als ich in seiner Gegenwart es nicht nur nicht in Abrede stellte, dem Oberjäger Schulz Ohrfeigen angeboten zu haben, sondern auch hinzufügte, der Oberjäger möge sie als empfangen immerhin ansehn. v. Kropf führte mich sofort zu Lützow. der ein ernstes Gesicht machte und sagte, er werde die Sache durch Standrecht abmachen lassen müssen. Ich blieb bis Nachts 12 Uhr Arrestant, d. h. unter v. Kropss Aufsicht mußte ich ihm zu Pferde folgen, wohin er ritt. Dann wurde ich mit einer Warnung entlassen und hörte nie wieder etwas von der Geschichte. Einige Tage später wurde ich zu einer Patrouille commandirt, die ein gewisser v. Thümmel als Gefreiter führte. Wir ritten zu Drei in der Gegend bei Fischbeck bis in die Nähe der Elbe und kehrten um. als wir uns überzeugt hatten, daß diesseits der Elbe nichts vom Feinde zu spüren war. Aus dem Heimwege schlug v. Thümmel einen Pfad über Weideland ein, der offenbar ein sogenannter Richtweg war und sichtbarlich unsern Weg abkürzte. Wir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/498>, abgerufen am 23.07.2024.