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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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und es lag gewiß nicht an ihm, wenn das Corps nicht solche Lorbeeren
heimbrachte, wie die fliegenden Corps von Tschernitscheff, von Tettenborn,
von Helwig und von Colomb. Der kühne Nachtmarsch von Neustadt a/O. bis
Schleiz, am 4. und 5. Juni 1813. führte z. B. unter seiner umsichti¬
gen Leitung zur Ueberrumpelung der Rheinbündler bei Schleiz. Andere Offi¬
ziere, wie v. Reiche, Scheibner u. A., kannte ich nur dem Namen nach, weil
sie wie Beuth. Th. Körner und der wahrhaft edle und tapfere v. Behr-Negen-
dcink zu Lützows Stäbe gehörten und im Ganzen wenig mit den Freiwilligen
im Gliede verkehrten. Schon in Leipzig, wo die Lützow'sche Freischaar die
.Flitterwochen verbrachte und Manchem von uns die Zukunft noch in rosen¬
farbenen Schimmer erschien, wurde es den Meisten wol klar, daß die Wirk¬
samkeit des Corps von seiner ersten glücklich vollbrachten Waffenthat abhängen
werde. In den Reihen der Reiter wurde häufig der Wunsch ausgesprochen,
daß das Corps erst in Gemeinschaft > und zur Seite kriegsgcübter und er¬
probter Regimenter sich seine Sporen verdienen möge, bevor es zur Lö¬
sung seiner Aufgabe, den Feind im Rücken zu alarmiren und den Volks¬
aufstand vorzubereiten, gelangen könne. Es schmeichelte wol nur Wenigen,
als es bei den spätern Kreuz- und Querzügen des Corps, welches am
25. April von Leipzig ab und über die Saale bei Schkopau rückte, sofort
aber wieder zurück über die Saale Halle vorbei von Dieskau auf Dessau
marschirte, verlautete, Lützow werde sich nach Scharnhorsts Plan keinem be¬
stimmten Armeecorps anschließen, sondern auf eigne Faust agircnd mittelst
Auffangen von Courieren, von Transporten, Geschützparks ?c. dem Feinde zu
schaden suchen. Der Marsch zur Saale mochte ein Gedanken-Blitz in Lützow's
Seele sein; wir konnten uns eben so leicht dem auf Halle vorrückenden Bülow'schen
Armee-Corps als der jenseits Merseburg bei Lützen agirenden großen Armee
anschließen. Allein der Blitz fuhr als kalter Schlag in den Sand. Wir
nahmen weder Theil um der Schlacht von Groß-Görschen, noch an dem gleich¬
zeitigen Unternehmen Bülows auf Halle; wir schlössen uns weder der großen
Armee noch dem Corps von Bülow oder Kleist an. Von Dessau aus, wo
wir mit dem Letztgedachter zusammentrafen, zogen wir vielmehr bei Roßlau
über die Elbe und eilten dann über Zerbst. Genesen, Schönhausen, nach Havel¬
berg und über Perleberg bis Dönitz. wo wir am 11. Mai anlangten. Bis¬
her harten wir Lützower nichts Feindliches wahrgenommen als des französischen
Generals Sebastiani's Muskat-Schimmel, welchen Einer der Unsrigen aus einer
Patrouille in der Gegend von Magdeburg diesseits der Elbe erbeutet
hatte.

Von Dönitz ging am 12. Mai eine Abtheilung des Corps über die
Elbe nach Dannenberg und bestand in Verbindung mit dem Dörnverg'schen
Corps ein ehrenvolles Gefecht an der Göhrde, in welchem ein tüchtiger Ober-


und es lag gewiß nicht an ihm, wenn das Corps nicht solche Lorbeeren
heimbrachte, wie die fliegenden Corps von Tschernitscheff, von Tettenborn,
von Helwig und von Colomb. Der kühne Nachtmarsch von Neustadt a/O. bis
Schleiz, am 4. und 5. Juni 1813. führte z. B. unter seiner umsichti¬
gen Leitung zur Ueberrumpelung der Rheinbündler bei Schleiz. Andere Offi¬
ziere, wie v. Reiche, Scheibner u. A., kannte ich nur dem Namen nach, weil
sie wie Beuth. Th. Körner und der wahrhaft edle und tapfere v. Behr-Negen-
dcink zu Lützows Stäbe gehörten und im Ganzen wenig mit den Freiwilligen
im Gliede verkehrten. Schon in Leipzig, wo die Lützow'sche Freischaar die
.Flitterwochen verbrachte und Manchem von uns die Zukunft noch in rosen¬
farbenen Schimmer erschien, wurde es den Meisten wol klar, daß die Wirk¬
samkeit des Corps von seiner ersten glücklich vollbrachten Waffenthat abhängen
werde. In den Reihen der Reiter wurde häufig der Wunsch ausgesprochen,
daß das Corps erst in Gemeinschaft > und zur Seite kriegsgcübter und er¬
probter Regimenter sich seine Sporen verdienen möge, bevor es zur Lö¬
sung seiner Aufgabe, den Feind im Rücken zu alarmiren und den Volks¬
aufstand vorzubereiten, gelangen könne. Es schmeichelte wol nur Wenigen,
als es bei den spätern Kreuz- und Querzügen des Corps, welches am
25. April von Leipzig ab und über die Saale bei Schkopau rückte, sofort
aber wieder zurück über die Saale Halle vorbei von Dieskau auf Dessau
marschirte, verlautete, Lützow werde sich nach Scharnhorsts Plan keinem be¬
stimmten Armeecorps anschließen, sondern auf eigne Faust agircnd mittelst
Auffangen von Courieren, von Transporten, Geschützparks ?c. dem Feinde zu
schaden suchen. Der Marsch zur Saale mochte ein Gedanken-Blitz in Lützow's
Seele sein; wir konnten uns eben so leicht dem auf Halle vorrückenden Bülow'schen
Armee-Corps als der jenseits Merseburg bei Lützen agirenden großen Armee
anschließen. Allein der Blitz fuhr als kalter Schlag in den Sand. Wir
nahmen weder Theil um der Schlacht von Groß-Görschen, noch an dem gleich¬
zeitigen Unternehmen Bülows auf Halle; wir schlössen uns weder der großen
Armee noch dem Corps von Bülow oder Kleist an. Von Dessau aus, wo
wir mit dem Letztgedachter zusammentrafen, zogen wir vielmehr bei Roßlau
über die Elbe und eilten dann über Zerbst. Genesen, Schönhausen, nach Havel¬
berg und über Perleberg bis Dönitz. wo wir am 11. Mai anlangten. Bis¬
her harten wir Lützower nichts Feindliches wahrgenommen als des französischen
Generals Sebastiani's Muskat-Schimmel, welchen Einer der Unsrigen aus einer
Patrouille in der Gegend von Magdeburg diesseits der Elbe erbeutet
hatte.

Von Dönitz ging am 12. Mai eine Abtheilung des Corps über die
Elbe nach Dannenberg und bestand in Verbindung mit dem Dörnverg'schen
Corps ein ehrenvolles Gefecht an der Göhrde, in welchem ein tüchtiger Ober-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/497>, abgerufen am 23.07.2024.