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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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und et'Ltretg.t. ^) Hier ißt man zu allen Stunden die besten Austern in
Paris, und die Masse der hier verzehrten Austern ist so ungeheuer, daß in
kurzer Zeit blos ihre Schalen, bis zu den Giebeln der höchsten Häuser auf¬
geschichtet, Felsen der furchtbarsten Art bilden würden."

Der berühmte Rocks? ac Llmealö existirt jetzt leider nicht mehr, doch ist
für Ersatz gesorgt; denn bei Philippe an der gegenüberliegenden Ecke kann
man die schönsten Diners und Soupers in Paris und Austern so fein haben,
als sie je von Cancale und Marennes geliefert worden. Was übrigens die
letzteren betrifft, so begegnet man ihnen nicht nur in allen Gasthöfen und
Speisehäusern von Bordeaux, sondern in jeder einigermaßen respectabeln Stadt
an der Garonne bis hinauf, wo der Fluß schiffbar zu sein aufhört. Sie
werden hauptsächlich von den wandernden Austernverkäufern von La Rochelle
hierher gebracht, welchen man auf allen Dampfschiffen der Garonne begegnet,
und die wir sofort an ihren seltsam geformten Hüten und ihren schwarzen
mit zugespitzten Kaputzen versehnen Mänteln erkennen. Dieses lustige Völkchen
kommt großentheils von Tremblade und andern Inseln in der Nachbarschaft
von La Rochelle und reist im Herbst mit Allstem und Sardinen stromauf¬
wärts, um sich in irgend eurer der volkreichen Städte an demselben für die
kalten Monate niederzulassen, wo sie dann jede Woche zwei bis dreimal frische
Sendungen ihrer beliebten Waare erhalten. Gewöhnlich sitzen sie vor den
Thüren der Hotels, und nicht selten hört man sie da ihre heimischen Weisen
mit hübschen frischen Stimmen singen.

Die Franzosen haben aber nicht blos als Verzehrn-, sondern auch als
Forscher sich sehr ernstlich mit dem Geschlecht der ostrsa eclulis beschäftigt-
Bnffon, Cuvier und de Blainville sowie verschiedene andere bedeutende Na¬
men der Wissenschaft widmeten sich mit Eifer und Glück der Austernkunde,
und de Lamarck führt nicht weniger als achtundvierzig Arten von Austern auf,
die, was für uns Laien das Beste an der Sache ist, allesammt eßbar sind.

Eine vortreffliche Auster ist die von Ostende. Sie ist jedoch nichts An¬
deres als die englische; denn sie kommt aus den britischen Fischereien und
wird nur in den Parks von Ostende gereinigt und gemästet. Sie hat eine
feine, dünne und fast durchsichtige Schale, ist sehr voll, weiß und fett, leicht
verdaulich und mit einem ungewöhnlich kleinen Bart versehen. Letzterer nimmt,
wenn Südwestwinde wehen, welche den Parks jene mikroskopischen Keime
von Seepflanzen zuführen, die der Auster zur Hauptnahrung dienen, eine
apfelgrüne Farbe an. Die Ostcndcr Auster wird vorzüglich deshalb in Deutsch¬
land geschätzt, weil sie uns von allen Sorten am schnellsten erreicht (Berlin mittelst
der Eisenbahn in sechsunddreißig bis vierzig Stunden) und folglich, am Ziel



"> So hießen die beiden größten Austern "Restaurants in Paris.

und et'Ltretg.t. ^) Hier ißt man zu allen Stunden die besten Austern in
Paris, und die Masse der hier verzehrten Austern ist so ungeheuer, daß in
kurzer Zeit blos ihre Schalen, bis zu den Giebeln der höchsten Häuser auf¬
geschichtet, Felsen der furchtbarsten Art bilden würden."

Der berühmte Rocks? ac Llmealö existirt jetzt leider nicht mehr, doch ist
für Ersatz gesorgt; denn bei Philippe an der gegenüberliegenden Ecke kann
man die schönsten Diners und Soupers in Paris und Austern so fein haben,
als sie je von Cancale und Marennes geliefert worden. Was übrigens die
letzteren betrifft, so begegnet man ihnen nicht nur in allen Gasthöfen und
Speisehäusern von Bordeaux, sondern in jeder einigermaßen respectabeln Stadt
an der Garonne bis hinauf, wo der Fluß schiffbar zu sein aufhört. Sie
werden hauptsächlich von den wandernden Austernverkäufern von La Rochelle
hierher gebracht, welchen man auf allen Dampfschiffen der Garonne begegnet,
und die wir sofort an ihren seltsam geformten Hüten und ihren schwarzen
mit zugespitzten Kaputzen versehnen Mänteln erkennen. Dieses lustige Völkchen
kommt großentheils von Tremblade und andern Inseln in der Nachbarschaft
von La Rochelle und reist im Herbst mit Allstem und Sardinen stromauf¬
wärts, um sich in irgend eurer der volkreichen Städte an demselben für die
kalten Monate niederzulassen, wo sie dann jede Woche zwei bis dreimal frische
Sendungen ihrer beliebten Waare erhalten. Gewöhnlich sitzen sie vor den
Thüren der Hotels, und nicht selten hört man sie da ihre heimischen Weisen
mit hübschen frischen Stimmen singen.

Die Franzosen haben aber nicht blos als Verzehrn-, sondern auch als
Forscher sich sehr ernstlich mit dem Geschlecht der ostrsa eclulis beschäftigt-
Bnffon, Cuvier und de Blainville sowie verschiedene andere bedeutende Na¬
men der Wissenschaft widmeten sich mit Eifer und Glück der Austernkunde,
und de Lamarck führt nicht weniger als achtundvierzig Arten von Austern auf,
die, was für uns Laien das Beste an der Sache ist, allesammt eßbar sind.

Eine vortreffliche Auster ist die von Ostende. Sie ist jedoch nichts An¬
deres als die englische; denn sie kommt aus den britischen Fischereien und
wird nur in den Parks von Ostende gereinigt und gemästet. Sie hat eine
feine, dünne und fast durchsichtige Schale, ist sehr voll, weiß und fett, leicht
verdaulich und mit einem ungewöhnlich kleinen Bart versehen. Letzterer nimmt,
wenn Südwestwinde wehen, welche den Parks jene mikroskopischen Keime
von Seepflanzen zuführen, die der Auster zur Hauptnahrung dienen, eine
apfelgrüne Farbe an. Die Ostcndcr Auster wird vorzüglich deshalb in Deutsch¬
land geschätzt, weil sie uns von allen Sorten am schnellsten erreicht (Berlin mittelst
der Eisenbahn in sechsunddreißig bis vierzig Stunden) und folglich, am Ziel



"> So hießen die beiden größten Austern «Restaurants in Paris.
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[0472] und et'Ltretg.t. ^) Hier ißt man zu allen Stunden die besten Austern in Paris, und die Masse der hier verzehrten Austern ist so ungeheuer, daß in kurzer Zeit blos ihre Schalen, bis zu den Giebeln der höchsten Häuser auf¬ geschichtet, Felsen der furchtbarsten Art bilden würden." Der berühmte Rocks? ac Llmealö existirt jetzt leider nicht mehr, doch ist für Ersatz gesorgt; denn bei Philippe an der gegenüberliegenden Ecke kann man die schönsten Diners und Soupers in Paris und Austern so fein haben, als sie je von Cancale und Marennes geliefert worden. Was übrigens die letzteren betrifft, so begegnet man ihnen nicht nur in allen Gasthöfen und Speisehäusern von Bordeaux, sondern in jeder einigermaßen respectabeln Stadt an der Garonne bis hinauf, wo der Fluß schiffbar zu sein aufhört. Sie werden hauptsächlich von den wandernden Austernverkäufern von La Rochelle hierher gebracht, welchen man auf allen Dampfschiffen der Garonne begegnet, und die wir sofort an ihren seltsam geformten Hüten und ihren schwarzen mit zugespitzten Kaputzen versehnen Mänteln erkennen. Dieses lustige Völkchen kommt großentheils von Tremblade und andern Inseln in der Nachbarschaft von La Rochelle und reist im Herbst mit Allstem und Sardinen stromauf¬ wärts, um sich in irgend eurer der volkreichen Städte an demselben für die kalten Monate niederzulassen, wo sie dann jede Woche zwei bis dreimal frische Sendungen ihrer beliebten Waare erhalten. Gewöhnlich sitzen sie vor den Thüren der Hotels, und nicht selten hört man sie da ihre heimischen Weisen mit hübschen frischen Stimmen singen. Die Franzosen haben aber nicht blos als Verzehrn-, sondern auch als Forscher sich sehr ernstlich mit dem Geschlecht der ostrsa eclulis beschäftigt- Bnffon, Cuvier und de Blainville sowie verschiedene andere bedeutende Na¬ men der Wissenschaft widmeten sich mit Eifer und Glück der Austernkunde, und de Lamarck führt nicht weniger als achtundvierzig Arten von Austern auf, die, was für uns Laien das Beste an der Sache ist, allesammt eßbar sind. Eine vortreffliche Auster ist die von Ostende. Sie ist jedoch nichts An¬ deres als die englische; denn sie kommt aus den britischen Fischereien und wird nur in den Parks von Ostende gereinigt und gemästet. Sie hat eine feine, dünne und fast durchsichtige Schale, ist sehr voll, weiß und fett, leicht verdaulich und mit einem ungewöhnlich kleinen Bart versehen. Letzterer nimmt, wenn Südwestwinde wehen, welche den Parks jene mikroskopischen Keime von Seepflanzen zuführen, die der Auster zur Hauptnahrung dienen, eine apfelgrüne Farbe an. Die Ostcndcr Auster wird vorzüglich deshalb in Deutsch¬ land geschätzt, weil sie uns von allen Sorten am schnellsten erreicht (Berlin mittelst der Eisenbahn in sechsunddreißig bis vierzig Stunden) und folglich, am Ziel "> So hießen die beiden größten Austern «Restaurants in Paris.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/472>, abgerufen am 23.07.2024.