Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.als je eines kräftigen Zusammenhalts und eines innern Aufschwungs, um Nicht leichter ist die Aufgabe der neuen Fortschrittspartei. Sie hat ihre Wir dürfen annehmen, daß die große Mehrzahl der Partei ihren Erfolg mit Der Sieg der Fortschrittspartei ist durch eine umsichtige Agitation be¬ 56*
als je eines kräftigen Zusammenhalts und eines innern Aufschwungs, um Nicht leichter ist die Aufgabe der neuen Fortschrittspartei. Sie hat ihre Wir dürfen annehmen, daß die große Mehrzahl der Partei ihren Erfolg mit Der Sieg der Fortschrittspartei ist durch eine umsichtige Agitation be¬ 56*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0453" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112961"/> <p xml:id="ID_1381" prev="#ID_1380"> als je eines kräftigen Zusammenhalts und eines innern Aufschwungs, um<lb/> nicht nach rechts und links Mitglieder zu verlieren. Es liegt ohnedies im<lb/> Wesen dieser Partei, welche sich zum großen Theil aus älteren Männern mit<lb/> reicher Erfahrung und wohlberechtigten persönlichen Ansprüchen zusammen¬<lb/> setzt, daß bei ihr sich öfter auseinandergehende Ansichten geltend machen, als<lb/> bei dem rechten und linken Flügel einer Hersammlung, deren Parteidisciplin<lb/> zu allen Zeiten vollständiger gewesen ist, als die der Mittelfractionen. Es<lb/> wird den Liberalen gerade jetzt nicht leicht sein, eine Parteiorganisation zu<lb/> bilden, welche die Mitglieder fest zusammenhält, ohne sie durch Parteisitzungen<lb/> zu überbürden. Dem Ministerium gegenüber aber wird der Partei unter diesen<lb/> Umständen doppelt schwer werden, eine feste Tactik zu bewahren und der Gefahr zu<lb/> entgehen, daß sie selbst zu weit rechts gedrängt werde. Auch der Gegensatz ge¬<lb/> gen die neuen Fortschrittsmnnner mag diese letzte Gefahr steigern.</p><lb/> <p xml:id="ID_1382"> Nicht leichter ist die Aufgabe der neuen Fortschrittspartei. Sie hat ihre<lb/> Tüchtigkeit erst zu bewähren, sie hat große Hoffnungen des Volkes zu recht¬<lb/> fertigen. Sie enthält rieben" einigen erfahrenen Führern und einer Anzahl<lb/> parlamentarisch geschulter Mitglieder auch eine große Anzahl neuer Namen.<lb/> Es ist viel junge bürgerliche Kraft der Nation in ihr gesammelt, welche ihre<lb/> erste Schule zu machen hat. Es ist wahrscheinlich, daß bei ihr die Fügsam-<lb/> keit und Parteidisciplin am größten sein wird; ebenso wahrscheinlich aber,<lb/> daß sie nicht als einheitliche Masse aus die Länge zusammenhalten wird, son¬<lb/> dern daß sich eine kleinere Zahl Mitglieder, etwa unter Waldeck's Führung,<lb/> als äußerste Linke von der größern Zahl trennen wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1383"> Wir dürfen annehmen, daß die große Mehrzahl der Partei ihren Erfolg mit<lb/> Mäßigung und Klugheit benutzen wird. Denn die Führer haben den Vor¬<lb/> zug, die Stimmung des Volkes genau zu kennen.' Das preußische Volk<lb/> fordert die Reformen, welche es nach zehnjährigein argem Mißregiment unter<lb/> dem gegenwärtigen Ministerium zu hoffen berechtigt war. Aber es ist keines¬<lb/> wegs in der Stimmung, rcidicale Maßregeln gut zu heißen, es will eine<lb/> ruhige gesetzmäßige Entwickelung und seine Loyalität ist warm und eifrig.</p><lb/> <p xml:id="ID_1384" next="#ID_1385"> Der Sieg der Fortschrittspartei ist durch eine umsichtige Agitation be¬<lb/> wirkt worden, sie hat für den Augenblick verstanden, die Sehnsucht des Vol-<lb/> kes nach politischer Wärme und Kraftentwickelung zu erregen; aber sie ist<lb/> keineswegs sicher, daß der frische Antheil, welchen die Provinzen an ihrem<lb/> Aufstreben nahmen, schon so stark und sicher sei. daß er eine Krisis im Staats¬<lb/> leben. Auflösung der Kammern und eine Appellation der Krone um das Volk<lb/> überdaure. Noch ist in Preußen ein schneller Rückschlag der öffentlichen Mei¬<lb/> nung gar nicht unmöglich, denn das politische Leben ist dort noch jung, das<lb/> Volk an den peinlichen Kampf gegen seine Regierung, der ihm leicht als ein<lb/> Kampf gegen die Majestät der Krone erscheinen mag, nicht gewöhnt. Schon</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 56*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0453]
als je eines kräftigen Zusammenhalts und eines innern Aufschwungs, um
nicht nach rechts und links Mitglieder zu verlieren. Es liegt ohnedies im
Wesen dieser Partei, welche sich zum großen Theil aus älteren Männern mit
reicher Erfahrung und wohlberechtigten persönlichen Ansprüchen zusammen¬
setzt, daß bei ihr sich öfter auseinandergehende Ansichten geltend machen, als
bei dem rechten und linken Flügel einer Hersammlung, deren Parteidisciplin
zu allen Zeiten vollständiger gewesen ist, als die der Mittelfractionen. Es
wird den Liberalen gerade jetzt nicht leicht sein, eine Parteiorganisation zu
bilden, welche die Mitglieder fest zusammenhält, ohne sie durch Parteisitzungen
zu überbürden. Dem Ministerium gegenüber aber wird der Partei unter diesen
Umständen doppelt schwer werden, eine feste Tactik zu bewahren und der Gefahr zu
entgehen, daß sie selbst zu weit rechts gedrängt werde. Auch der Gegensatz ge¬
gen die neuen Fortschrittsmnnner mag diese letzte Gefahr steigern.
Nicht leichter ist die Aufgabe der neuen Fortschrittspartei. Sie hat ihre
Tüchtigkeit erst zu bewähren, sie hat große Hoffnungen des Volkes zu recht¬
fertigen. Sie enthält rieben" einigen erfahrenen Führern und einer Anzahl
parlamentarisch geschulter Mitglieder auch eine große Anzahl neuer Namen.
Es ist viel junge bürgerliche Kraft der Nation in ihr gesammelt, welche ihre
erste Schule zu machen hat. Es ist wahrscheinlich, daß bei ihr die Fügsam-
keit und Parteidisciplin am größten sein wird; ebenso wahrscheinlich aber,
daß sie nicht als einheitliche Masse aus die Länge zusammenhalten wird, son¬
dern daß sich eine kleinere Zahl Mitglieder, etwa unter Waldeck's Führung,
als äußerste Linke von der größern Zahl trennen wird.
Wir dürfen annehmen, daß die große Mehrzahl der Partei ihren Erfolg mit
Mäßigung und Klugheit benutzen wird. Denn die Führer haben den Vor¬
zug, die Stimmung des Volkes genau zu kennen.' Das preußische Volk
fordert die Reformen, welche es nach zehnjährigein argem Mißregiment unter
dem gegenwärtigen Ministerium zu hoffen berechtigt war. Aber es ist keines¬
wegs in der Stimmung, rcidicale Maßregeln gut zu heißen, es will eine
ruhige gesetzmäßige Entwickelung und seine Loyalität ist warm und eifrig.
Der Sieg der Fortschrittspartei ist durch eine umsichtige Agitation be¬
wirkt worden, sie hat für den Augenblick verstanden, die Sehnsucht des Vol-
kes nach politischer Wärme und Kraftentwickelung zu erregen; aber sie ist
keineswegs sicher, daß der frische Antheil, welchen die Provinzen an ihrem
Aufstreben nahmen, schon so stark und sicher sei. daß er eine Krisis im Staats¬
leben. Auflösung der Kammern und eine Appellation der Krone um das Volk
überdaure. Noch ist in Preußen ein schneller Rückschlag der öffentlichen Mei¬
nung gar nicht unmöglich, denn das politische Leben ist dort noch jung, das
Volk an den peinlichen Kampf gegen seine Regierung, der ihm leicht als ein
Kampf gegen die Majestät der Krone erscheinen mag, nicht gewöhnt. Schon
56*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |