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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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wird, wo ihr dies recht scheint, eine Hülfe des Ministeriums und wieder
Verbündeter der Linken gegen das Ministerium sein dürfen. Sie war in der
That von je eine Ccntrumpnrtei, soweit die leitenden Persönlichkeiten ihr eine
Physiognomie gaben.

Es ist allbekannt, aber immer wieder muß daran erinnert werden, daß
fast jeder politische Fortschritt durch euren Kompromiß bewirkt wird, welchen aus¬
einandergehende Interessen und abweichende Ueberzeugungen mit einander
schließen. Das Volk ist sehr geneigt, die Größe des Muthes und der Energie,
welche sein Vertreter bewährt, nach der Energie und Entschiedenheit zu messen,
mit welcher derselbe eine leidenschaftliche Forderung der Zeit ausspricht. Aber
es ist ein weiter Weg von politischen Forderungen, wie sie sich in dem Wesen
'des Einzelnen ausdrücken, bis zu ihrer Äealisirung im Gesep. Nur selten
wird ein großes Begehren ganz und voll in die That umgesetzt. Bei dem
Wege aber, welchen dasselbe zu durchlaufen hat, bevor es gemeingültiges Sta¬
tut wird, bei den Concessionen, welche bestehenden, entgegenstrcbenden Ge¬
walten einzuräumen sind, zeigt sich Beides, sowohl die Weisheit als die
Schwache der Individuen, welche die Vermittelung des Ideals mit dem Le¬
ben übernommen haben. Wie ein Minister nicht immer das Gute zu
thun vermag, das er einst als Führer seiner Partei gefordert hat, so wird
auch der entschlossenste Vertreter warmer Parteiwünsche, wenn er in das De¬
tail des Kampfes nicht nur protestirend hineintritt, seine Forderungen ermä¬
ßigen müssen. Leicht nennt dann die Menge Mangel an Muth und That¬
kraft, was nur kluge Berechnung der eignen Kraft ist.
'

Und wieder auf der andern Seite bedarf der Staatsmann, welcher sich
rings von den Schwierigkeiten der Durchführung umgeben sieht, nichts so
sehr zur eigenen Kräftigung, als solche Stimme", welche, laut und entschlos¬
sen ihm gegenüber die vernünftigen Forderungen der Zeit geltend machen.
Es wird nützlich für ihn sein, wenn ihm um so energischer ein unbedingtes
Fordern entgegengestellt wird, je mehr er durch Naturell und die Schwierig,
leiten seiner Stellung geneigt >se, Concessionen zu machen. Auch deshalb be¬
grüßen wir die neuen Wahlen in Preußen als einen Fortschritt. Und es ist
durchaus kein Unglück, wenn die Fortschrittspartei der Zahl nach stärker ge¬
worden ist, als sie selbst vor wenig Wochen noch hoffte.

Aber ihr sowohl, als der ^altlideralen Partei erwachsen für die nächste
Sitzung einige Schwierigkeiten. Die Liberalen werden diesmal ohne ihren
Führer Vincke zu kämpfen haben. Die Ansicht, daß das Ausbleiben dieses
starken Talentes ein großer Uebelstand sei, ist auch außerhalb Preußen allgemein.
Die Partei selbst wird dadurch in Gefahr gesetzt, ihre alte Direction, wie un¬
bequem diese auch manchmal für Einzelne war, zu verlieren. Und doch be¬
darf sie gerade bei der neuen Stellung, in welche, sie gedrängt wird, mehr


wird, wo ihr dies recht scheint, eine Hülfe des Ministeriums und wieder
Verbündeter der Linken gegen das Ministerium sein dürfen. Sie war in der
That von je eine Ccntrumpnrtei, soweit die leitenden Persönlichkeiten ihr eine
Physiognomie gaben.

Es ist allbekannt, aber immer wieder muß daran erinnert werden, daß
fast jeder politische Fortschritt durch euren Kompromiß bewirkt wird, welchen aus¬
einandergehende Interessen und abweichende Ueberzeugungen mit einander
schließen. Das Volk ist sehr geneigt, die Größe des Muthes und der Energie,
welche sein Vertreter bewährt, nach der Energie und Entschiedenheit zu messen,
mit welcher derselbe eine leidenschaftliche Forderung der Zeit ausspricht. Aber
es ist ein weiter Weg von politischen Forderungen, wie sie sich in dem Wesen
'des Einzelnen ausdrücken, bis zu ihrer Äealisirung im Gesep. Nur selten
wird ein großes Begehren ganz und voll in die That umgesetzt. Bei dem
Wege aber, welchen dasselbe zu durchlaufen hat, bevor es gemeingültiges Sta¬
tut wird, bei den Concessionen, welche bestehenden, entgegenstrcbenden Ge¬
walten einzuräumen sind, zeigt sich Beides, sowohl die Weisheit als die
Schwache der Individuen, welche die Vermittelung des Ideals mit dem Le¬
ben übernommen haben. Wie ein Minister nicht immer das Gute zu
thun vermag, das er einst als Führer seiner Partei gefordert hat, so wird
auch der entschlossenste Vertreter warmer Parteiwünsche, wenn er in das De¬
tail des Kampfes nicht nur protestirend hineintritt, seine Forderungen ermä¬
ßigen müssen. Leicht nennt dann die Menge Mangel an Muth und That¬
kraft, was nur kluge Berechnung der eignen Kraft ist.
'

Und wieder auf der andern Seite bedarf der Staatsmann, welcher sich
rings von den Schwierigkeiten der Durchführung umgeben sieht, nichts so
sehr zur eigenen Kräftigung, als solche Stimme», welche, laut und entschlos¬
sen ihm gegenüber die vernünftigen Forderungen der Zeit geltend machen.
Es wird nützlich für ihn sein, wenn ihm um so energischer ein unbedingtes
Fordern entgegengestellt wird, je mehr er durch Naturell und die Schwierig,
leiten seiner Stellung geneigt >se, Concessionen zu machen. Auch deshalb be¬
grüßen wir die neuen Wahlen in Preußen als einen Fortschritt. Und es ist
durchaus kein Unglück, wenn die Fortschrittspartei der Zahl nach stärker ge¬
worden ist, als sie selbst vor wenig Wochen noch hoffte.

Aber ihr sowohl, als der ^altlideralen Partei erwachsen für die nächste
Sitzung einige Schwierigkeiten. Die Liberalen werden diesmal ohne ihren
Führer Vincke zu kämpfen haben. Die Ansicht, daß das Ausbleiben dieses
starken Talentes ein großer Uebelstand sei, ist auch außerhalb Preußen allgemein.
Die Partei selbst wird dadurch in Gefahr gesetzt, ihre alte Direction, wie un¬
bequem diese auch manchmal für Einzelne war, zu verlieren. Und doch be¬
darf sie gerade bei der neuen Stellung, in welche, sie gedrängt wird, mehr


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/452>, abgerufen am 27.12.2024.