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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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selbst gewisse spirituösen, als echten englischen Gin, feinen Schiedtun. schot¬
tischen Whisky, dazu gestatten. Doch vermögen die meisten und darunter
die erleuchtetsten Kenner sich damit so wenig zu befreunden, wie mit der selbst
von jenen als roh verpöntem Methode, Austern mit Rum zu essen, und wir
werden wohl thun, uns dem anzuschließen. Austern mit gebrannten Waffen
genießen, heißt, sie in Spiritus setzen, und damit werden sie gerade einer ihrer
glorreichsten Eigenschaften, der Verdaulichkeit beraubt.

Das vierte Gebot schließt alle künstliche Behandlung der Auster aus.
Wenn die Kunst irgend etwas mit ihr zu schaffen hat, so mag sie sich darauf
beschränken, sie möglichst in dem ihr von der Natur allein zugewiesenen Ge¬
schäft zu unterstützen, das darin besteht, fruchtbar zu sein, sich zu mehren und
fett zu werden, wovon im nächsten Kapitel ausführlich die Rede sein wird.
Auch zur Erhaltung der Auster auf ihrem Wege vom Meer zur Tafel ihrer
Verehrer darf die Kunst ihre Hand leihen. Der Koch sollte nichts mit ihr zu
thun haben, und der wahre Austernfreund erlaubt sich gegen den Gegenstand
seiner Zärtlichkeit in der That nichts, als daß er ihn kaut, statt ihn unzer-
malmt'zu verschlucken. Selbst den Bart der Auster abzunehmen, hält er für
Frevel, da dieser gerade der Sitz ihres Wohlgeschmacks ist. "(Zuck oft Is
tarbh-re", ruft ein enthusiastischer französischer Ostracist aus, "cM mangs ass
Kuttrös cuitsL?" -- Aber, wie es Leute gibt, die gern Borsdorfer Aepfel,
und andere, die noch lieber rohe Zwiebeln essen, so gibt es leider eben so
viele Methoden. Austern zu kochen, zu dämpfen. zu braten u. s. w. als man
Arten, Eier zu bereite", erfunden hat. Grimod de la Reyniöre führt eine
ganze lange Liste dahin bezüglicher Recepte auf, in welche er: Huttrss Z, 1a
torno iLmms -- g. la, äimdo -- an ?irrme8g.n--en eassörolL -- Sir ps-ills -- tar-
eies -- ltriteö -- sautöes vu xaMIotes--co Baisse und en rs.ßoüt einschließt,
und der wir mindestens drei Dutzend andere.Recepte folgen lassen könnten,
welche britische Kochkünstcle,i erdacht hat.

Wir heben die Hände empor gegen solche Mißhandlung unsrer Freundin
und. danken dem Hummel, daß er diese Sünde von dem deutschen Vaterland
bisher so ziemlich fern gehalten hat.^ Um aber nickt in den Verdacht zu ge¬
rathen, daß wir eine Sache mißbilligen, ohne sie zu kennen, theile ich im
Nachstehenden eine kleine Auswahl aus einer großen Anzahl mir vorliegender
englischer Hirngespinnste mit, die sich Recepte zur Behandlung von Austern
nennen. Sie sind sämmtlich von dem Hamburger Meister geprüft und brief¬
lich mit den lakonischer Worte" verworfen worden: "Wo sie schmecken, sinds
keine Austern, wo sie Austern bleiben, sind sie geschmacklos."

Die in ihrer eignen Schale gebratne Auster. Man öffne ^die
Auster sorgfältig, so daß nichts von ihrem Saft verloren geht, füge etwas
Butter, geriebenen Parmesankäse und Pfeffer hinzu, lasse es über einem hellen


selbst gewisse spirituösen, als echten englischen Gin, feinen Schiedtun. schot¬
tischen Whisky, dazu gestatten. Doch vermögen die meisten und darunter
die erleuchtetsten Kenner sich damit so wenig zu befreunden, wie mit der selbst
von jenen als roh verpöntem Methode, Austern mit Rum zu essen, und wir
werden wohl thun, uns dem anzuschließen. Austern mit gebrannten Waffen
genießen, heißt, sie in Spiritus setzen, und damit werden sie gerade einer ihrer
glorreichsten Eigenschaften, der Verdaulichkeit beraubt.

Das vierte Gebot schließt alle künstliche Behandlung der Auster aus.
Wenn die Kunst irgend etwas mit ihr zu schaffen hat, so mag sie sich darauf
beschränken, sie möglichst in dem ihr von der Natur allein zugewiesenen Ge¬
schäft zu unterstützen, das darin besteht, fruchtbar zu sein, sich zu mehren und
fett zu werden, wovon im nächsten Kapitel ausführlich die Rede sein wird.
Auch zur Erhaltung der Auster auf ihrem Wege vom Meer zur Tafel ihrer
Verehrer darf die Kunst ihre Hand leihen. Der Koch sollte nichts mit ihr zu
thun haben, und der wahre Austernfreund erlaubt sich gegen den Gegenstand
seiner Zärtlichkeit in der That nichts, als daß er ihn kaut, statt ihn unzer-
malmt'zu verschlucken. Selbst den Bart der Auster abzunehmen, hält er für
Frevel, da dieser gerade der Sitz ihres Wohlgeschmacks ist. „(Zuck oft Is
tarbh-re", ruft ein enthusiastischer französischer Ostracist aus, „cM mangs ass
Kuttrös cuitsL?" — Aber, wie es Leute gibt, die gern Borsdorfer Aepfel,
und andere, die noch lieber rohe Zwiebeln essen, so gibt es leider eben so
viele Methoden. Austern zu kochen, zu dämpfen. zu braten u. s. w. als man
Arten, Eier zu bereite», erfunden hat. Grimod de la Reyniöre führt eine
ganze lange Liste dahin bezüglicher Recepte auf, in welche er: Huttrss Z, 1a
torno iLmms — g. la, äimdo — an ?irrme8g.n—en eassörolL — Sir ps-ills — tar-
eies — ltriteö — sautöes vu xaMIotes—co Baisse und en rs.ßoüt einschließt,
und der wir mindestens drei Dutzend andere.Recepte folgen lassen könnten,
welche britische Kochkünstcle,i erdacht hat.

Wir heben die Hände empor gegen solche Mißhandlung unsrer Freundin
und. danken dem Hummel, daß er diese Sünde von dem deutschen Vaterland
bisher so ziemlich fern gehalten hat.^ Um aber nickt in den Verdacht zu ge¬
rathen, daß wir eine Sache mißbilligen, ohne sie zu kennen, theile ich im
Nachstehenden eine kleine Auswahl aus einer großen Anzahl mir vorliegender
englischer Hirngespinnste mit, die sich Recepte zur Behandlung von Austern
nennen. Sie sind sämmtlich von dem Hamburger Meister geprüft und brief¬
lich mit den lakonischer Worte» verworfen worden: „Wo sie schmecken, sinds
keine Austern, wo sie Austern bleiben, sind sie geschmacklos."

Die in ihrer eignen Schale gebratne Auster. Man öffne ^die
Auster sorgfältig, so daß nichts von ihrem Saft verloren geht, füge etwas
Butter, geriebenen Parmesankäse und Pfeffer hinzu, lasse es über einem hellen


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[0430] selbst gewisse spirituösen, als echten englischen Gin, feinen Schiedtun. schot¬ tischen Whisky, dazu gestatten. Doch vermögen die meisten und darunter die erleuchtetsten Kenner sich damit so wenig zu befreunden, wie mit der selbst von jenen als roh verpöntem Methode, Austern mit Rum zu essen, und wir werden wohl thun, uns dem anzuschließen. Austern mit gebrannten Waffen genießen, heißt, sie in Spiritus setzen, und damit werden sie gerade einer ihrer glorreichsten Eigenschaften, der Verdaulichkeit beraubt. Das vierte Gebot schließt alle künstliche Behandlung der Auster aus. Wenn die Kunst irgend etwas mit ihr zu schaffen hat, so mag sie sich darauf beschränken, sie möglichst in dem ihr von der Natur allein zugewiesenen Ge¬ schäft zu unterstützen, das darin besteht, fruchtbar zu sein, sich zu mehren und fett zu werden, wovon im nächsten Kapitel ausführlich die Rede sein wird. Auch zur Erhaltung der Auster auf ihrem Wege vom Meer zur Tafel ihrer Verehrer darf die Kunst ihre Hand leihen. Der Koch sollte nichts mit ihr zu thun haben, und der wahre Austernfreund erlaubt sich gegen den Gegenstand seiner Zärtlichkeit in der That nichts, als daß er ihn kaut, statt ihn unzer- malmt'zu verschlucken. Selbst den Bart der Auster abzunehmen, hält er für Frevel, da dieser gerade der Sitz ihres Wohlgeschmacks ist. „(Zuck oft Is tarbh-re", ruft ein enthusiastischer französischer Ostracist aus, „cM mangs ass Kuttrös cuitsL?" — Aber, wie es Leute gibt, die gern Borsdorfer Aepfel, und andere, die noch lieber rohe Zwiebeln essen, so gibt es leider eben so viele Methoden. Austern zu kochen, zu dämpfen. zu braten u. s. w. als man Arten, Eier zu bereite», erfunden hat. Grimod de la Reyniöre führt eine ganze lange Liste dahin bezüglicher Recepte auf, in welche er: Huttrss Z, 1a torno iLmms — g. la, äimdo — an ?irrme8g.n—en eassörolL — Sir ps-ills — tar- eies — ltriteö — sautöes vu xaMIotes—co Baisse und en rs.ßoüt einschließt, und der wir mindestens drei Dutzend andere.Recepte folgen lassen könnten, welche britische Kochkünstcle,i erdacht hat. Wir heben die Hände empor gegen solche Mißhandlung unsrer Freundin und. danken dem Hummel, daß er diese Sünde von dem deutschen Vaterland bisher so ziemlich fern gehalten hat.^ Um aber nickt in den Verdacht zu ge¬ rathen, daß wir eine Sache mißbilligen, ohne sie zu kennen, theile ich im Nachstehenden eine kleine Auswahl aus einer großen Anzahl mir vorliegender englischer Hirngespinnste mit, die sich Recepte zur Behandlung von Austern nennen. Sie sind sämmtlich von dem Hamburger Meister geprüft und brief¬ lich mit den lakonischer Worte» verworfen worden: „Wo sie schmecken, sinds keine Austern, wo sie Austern bleiben, sind sie geschmacklos." Die in ihrer eignen Schale gebratne Auster. Man öffne ^die Auster sorgfältig, so daß nichts von ihrem Saft verloren geht, füge etwas Butter, geriebenen Parmesankäse und Pfeffer hinzu, lasse es über einem hellen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/430>, abgerufen am 23.07.2024.