Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band."Ad sendet den Rundschauer wieder auf seinen alten Platz. Auch Herrn Wagner Die große Mehrheit der nächsten Kammer wird auf der liberalen Seite stehen. Auf alle Fälle aber kann man vorhersagen, daß die liberale Seite des Abge¬ Im nächsten Abgeordnetenhause wird die liberale Mehrheit sich naturgemäß in 50*
»Ad sendet den Rundschauer wieder auf seinen alten Platz. Auch Herrn Wagner Die große Mehrheit der nächsten Kammer wird auf der liberalen Seite stehen. Auf alle Fälle aber kann man vorhersagen, daß die liberale Seite des Abge¬ Im nächsten Abgeordnetenhause wird die liberale Mehrheit sich naturgemäß in 50*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0405" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112913"/> <p xml:id="ID_1192" prev="#ID_1191"> »Ad sendet den Rundschauer wieder auf seinen alten Platz. Auch Herrn Wagner<lb/> und Herrn von Blankenburg würden wir ungern im neuen Abgeordnetenhaus ver¬<lb/> missen. Sie würden stets in einer unschädliche» Minorität sein und doch nicht<lb/> wenig zur Würze der Verhandlungen beitragen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1193"> Die große Mehrheit der nächsten Kammer wird auf der liberalen Seite stehen.<lb/> Das ist schon jetzt vollkommen gewiß. Ob aber innerhalb der liberalen Mehrheit<lb/> die Fortschrittspartei oder die altconstitutioncllc Partei stärker vertreten sein wird,<lb/> das wird man mit Bestimmtheit erst nach dem 6. Den. sagen können. Denn<lb/> Niemand ist im Stande, die Parteistellung aller Wahlmänner im ganzen Lande<lb/> mit Genauigkeit anzugeben; auch laufen die Nüancirungen so vielfach in einander<lb/> über , daß man erst, wenn die Abgeordnetenwahlen vollzogen find, im Stande sein<lb/> wird, über die verhältnißmäßige Stärke der beiden liberalen Fractionen einen<lb/> Ueberschlag zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1194"> Auf alle Fälle aber kann man vorhersagen, daß die liberale Seite des Abge¬<lb/> ordnetenhauses eine von der bisherigen ganz verschiedene Gestalt gewinnen wird.<lb/> Bisher theilte sich dieselbe in die Fractionen Vincke und Mctthis; erst während der<lb/> «letzten Diät zweigte sich die Fraction Wehrend als die entschiedener liberale Partei<lb/> von der großen Vincke'sehen Fraction ab. Die letztere wollte ministeriell sein<lb/> und sie bereitete gelegentlich den Ministern Niederlagen und Verlegenheiten; sie<lb/> wollte zugleich die unabhängige Ansicht des Landes vertreten, aber ihre Unabhän¬<lb/> gigkeit reichte dazu nicht aus, so oft das Ministerium gegen sie gewisse Hebel in<lb/> Bewegung setzte. Die Fraction Mathis war theils nur ein Appendix der Vincke'¬<lb/> sehen, theils der Ansatz einer neuen conservativen Partei ohne Ansehen und<lb/> Kraft; sie leistete nur durch einzelne tüchtige Mitglieder etwas, nichts als Partei.<lb/> Beide Fractionen hatten sich nach den Wahlen von 1858 gebildet, als man nur<lb/> die allgemeine Parole kannte, ministeriell sein zu wollen. Wie schwach ihr Zu¬<lb/> sammenhang als Partei war, zeigte sich darin, daß sie bei den wichtigsten prin-<lb/> cipiellen Abstimmungen in sich zerspalten waren. Bei der Militärsrage, bei der<lb/> ldeutschen Frage, bei dem Vincke'sehen Amendement zur italienischen Frage haben<lb/> Mitglieder beider Fractionen auf verschiedenen Seiten für und wider gestimmt. So<lb/> kam es dahin, daß das Abgeordnetenhaus trotz aller Ministcrialität doch für das<lb/> Ministerium nur eine schwache Stütze war. Es bewährte sich von Neuem der alte<lb/> Satz, daß, was nicht Widerstand leisten, auch nicht stützen kann. Zuletzt spielten<lb/> die Abgeordneten fast eine Rolle, wie der Chor der antiken Tragödie, der nicht<lb/> selbst in die Handlung eingriff, sondern über ihr schwebte und sie mit weisen Re¬<lb/> flexionen begleitete. Der eigentlich tragische Held aber war das Ministerium, welches<lb/> sich vergeblich bemühte, das im Herrenhaus verkörperte Fatum durch immer neue<lb/> Concessionen zu besänftigen; das Herrenhaus dagegen wurde nicht müde, die Kin¬<lb/> der des Ministeriums, die Gesetzentwürfe, noch als Embryonen abzuschlachten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1195" next="#ID_1196"> Im nächsten Abgeordnetenhause wird die liberale Mehrheit sich naturgemäß in<lb/> zwei Hälften theilen. Die Fraction Behrend. welche während der letzten Diät in<lb/> einer stahl verschwindenden Minderheit auftrat und es eigentlich nur bis zu dem<lb/> Ansatz einer Fractionsbildung brachte, wird jetzt als eine imposante Partei auf¬<lb/> treten. Wenn auch in einzelnen Punkten über die Linie, die das Ministerium sich<lb/> vorgezeichnet hat, hinausgehend, wird doch diese Partei nicht antiministeriell sein,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 50*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0405]
»Ad sendet den Rundschauer wieder auf seinen alten Platz. Auch Herrn Wagner
und Herrn von Blankenburg würden wir ungern im neuen Abgeordnetenhaus ver¬
missen. Sie würden stets in einer unschädliche» Minorität sein und doch nicht
wenig zur Würze der Verhandlungen beitragen.
Die große Mehrheit der nächsten Kammer wird auf der liberalen Seite stehen.
Das ist schon jetzt vollkommen gewiß. Ob aber innerhalb der liberalen Mehrheit
die Fortschrittspartei oder die altconstitutioncllc Partei stärker vertreten sein wird,
das wird man mit Bestimmtheit erst nach dem 6. Den. sagen können. Denn
Niemand ist im Stande, die Parteistellung aller Wahlmänner im ganzen Lande
mit Genauigkeit anzugeben; auch laufen die Nüancirungen so vielfach in einander
über , daß man erst, wenn die Abgeordnetenwahlen vollzogen find, im Stande sein
wird, über die verhältnißmäßige Stärke der beiden liberalen Fractionen einen
Ueberschlag zu machen.
Auf alle Fälle aber kann man vorhersagen, daß die liberale Seite des Abge¬
ordnetenhauses eine von der bisherigen ganz verschiedene Gestalt gewinnen wird.
Bisher theilte sich dieselbe in die Fractionen Vincke und Mctthis; erst während der
«letzten Diät zweigte sich die Fraction Wehrend als die entschiedener liberale Partei
von der großen Vincke'sehen Fraction ab. Die letztere wollte ministeriell sein
und sie bereitete gelegentlich den Ministern Niederlagen und Verlegenheiten; sie
wollte zugleich die unabhängige Ansicht des Landes vertreten, aber ihre Unabhän¬
gigkeit reichte dazu nicht aus, so oft das Ministerium gegen sie gewisse Hebel in
Bewegung setzte. Die Fraction Mathis war theils nur ein Appendix der Vincke'¬
sehen, theils der Ansatz einer neuen conservativen Partei ohne Ansehen und
Kraft; sie leistete nur durch einzelne tüchtige Mitglieder etwas, nichts als Partei.
Beide Fractionen hatten sich nach den Wahlen von 1858 gebildet, als man nur
die allgemeine Parole kannte, ministeriell sein zu wollen. Wie schwach ihr Zu¬
sammenhang als Partei war, zeigte sich darin, daß sie bei den wichtigsten prin-
cipiellen Abstimmungen in sich zerspalten waren. Bei der Militärsrage, bei der
ldeutschen Frage, bei dem Vincke'sehen Amendement zur italienischen Frage haben
Mitglieder beider Fractionen auf verschiedenen Seiten für und wider gestimmt. So
kam es dahin, daß das Abgeordnetenhaus trotz aller Ministcrialität doch für das
Ministerium nur eine schwache Stütze war. Es bewährte sich von Neuem der alte
Satz, daß, was nicht Widerstand leisten, auch nicht stützen kann. Zuletzt spielten
die Abgeordneten fast eine Rolle, wie der Chor der antiken Tragödie, der nicht
selbst in die Handlung eingriff, sondern über ihr schwebte und sie mit weisen Re¬
flexionen begleitete. Der eigentlich tragische Held aber war das Ministerium, welches
sich vergeblich bemühte, das im Herrenhaus verkörperte Fatum durch immer neue
Concessionen zu besänftigen; das Herrenhaus dagegen wurde nicht müde, die Kin¬
der des Ministeriums, die Gesetzentwürfe, noch als Embryonen abzuschlachten.
Im nächsten Abgeordnetenhause wird die liberale Mehrheit sich naturgemäß in
zwei Hälften theilen. Die Fraction Behrend. welche während der letzten Diät in
einer stahl verschwindenden Minderheit auftrat und es eigentlich nur bis zu dem
Ansatz einer Fractionsbildung brachte, wird jetzt als eine imposante Partei auf¬
treten. Wenn auch in einzelnen Punkten über die Linie, die das Ministerium sich
vorgezeichnet hat, hinausgehend, wird doch diese Partei nicht antiministeriell sein,
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