Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

kennen mußten. Da nun aber das auf dem rothen Land aufgestellte Bild
nicht nur Gerichtssäule, sondern Symbol der gesammten städtischen Berechti¬
gungen war, so war es, Alles in eine Bezeichnung zusammengefasst, auch
Wahrzeichen des Wnchbildrechts, '

Der scharfe Gegensatz, in welchem Otto' der Zweite zum Heidenthum als
dessen Zerstörer in Norddeurschland stand, scheint zwar jede Beziehung der
Rolande als seiner Bildsäulen zum Heidenthum auszuschließen. Nichtsdesto¬
weniger aber knüpft sich an diese Bilder eine Reihe von Gebräuchen und
Sagen, welche deutlich das Gepräge ihrer Abstammung aus dem alten deut¬
schen und slavlsäien Heidenthum'an sich tragen und den Roland als den Ge¬
genstand eines gewissen Cultus erscheinen lassen. So sehen wir, daß in Neu-
haldensleben bei Hochzeiten der Zug vor dem Roland anhält Und einen Tanz
aufführt, und daß in Bramstedt die Braut, die von auswärts kommt, dreimal
uni den Roland herumgefahren wird. So erzählt ferner die Sage von Wedel,
daß der Knecht, der mit seinem Wagen den Pastor R>se zur Mitternachtsstunde
zu einem Kranken abholen sollte, vorerst dreimal um den Roland fuhr, um
eine glückliche Fahrt zu haben. So finden wir. daß in Halle der Burgvogt
von Magdeburg feierlich den Roland umritt, um von dem Gericht Besitz zu
nehmen, daß früher in Halle alljährlich ein Frontanz vor dem Roland aufge¬
führt wurde, und daß rü mehren Städtchen der Ditmarsen noch jetzt ein Ro-
landsretten stattfindet, ein Fest, das mit der feierlichen Anführung eines Ro-
landsbildes beginnt. Aus diesen und andern Umständen ersehen wir, daß es
dem Nolandsbild. weiches, wie wir bemerkten, mit der Christianisirung des
nördlichen Deutschland > in Beziehung steht, ähnlich ergangen ist, wie den christ¬
lichen Heiligenbildern. Wie auf diese wurde auch auf jenes manche Vorstel¬
lung und Sitte übertragen, die früher an dem Symbol des heidnischen Göt¬
tercultus, nämlich an dem heiligen Baum oder Baumstumpf haftete. Das
Rolandsbild ging aus dem Schwert- oder Schildpsahl hervor, und dieser .war
nichts Anderes als der Baumstumpf, den man an solchen Gerichtsstätten auf¬
richtete, wo man keinen lebenden Baum von entsprechendem Alter, keine Linde,
Tanne oder Eiche von ausgezeichneter Größe haben konnte, an der man das
Wahrzeichen des Gerichts, Schwert oder Schild hätte aufhängen können. Die
ältesten Gerichte, namentlich die Btutgerichte hingen eng mit dem religiösen
Cultus, dem blutigen Opferdienst zusammen. Da wo das Blut der Opfer
floß!, vor dem heiligen Baum, dem Schwert- oder Schildpfahl, war schon in
uralter Zeit das Blutland, die rothe Erde, das Roth- oder Ruland. und diese
Bezeichnung verblieb dem Platze des Blutgerichts, nachdem die blutigen Opfer
zu Ehren der Götter aufgehört hatten und der alte heilige Baum oder Baum¬
stumpf nur noch als Gerichrsbaum fortbestehen konnte. Blutig aber war das
Gericht der alten Deutschen schon deshalb, weil in heidnischer Zeit in allen


kennen mußten. Da nun aber das auf dem rothen Land aufgestellte Bild
nicht nur Gerichtssäule, sondern Symbol der gesammten städtischen Berechti¬
gungen war, so war es, Alles in eine Bezeichnung zusammengefasst, auch
Wahrzeichen des Wnchbildrechts, '

Der scharfe Gegensatz, in welchem Otto' der Zweite zum Heidenthum als
dessen Zerstörer in Norddeurschland stand, scheint zwar jede Beziehung der
Rolande als seiner Bildsäulen zum Heidenthum auszuschließen. Nichtsdesto¬
weniger aber knüpft sich an diese Bilder eine Reihe von Gebräuchen und
Sagen, welche deutlich das Gepräge ihrer Abstammung aus dem alten deut¬
schen und slavlsäien Heidenthum'an sich tragen und den Roland als den Ge¬
genstand eines gewissen Cultus erscheinen lassen. So sehen wir, daß in Neu-
haldensleben bei Hochzeiten der Zug vor dem Roland anhält Und einen Tanz
aufführt, und daß in Bramstedt die Braut, die von auswärts kommt, dreimal
uni den Roland herumgefahren wird. So erzählt ferner die Sage von Wedel,
daß der Knecht, der mit seinem Wagen den Pastor R>se zur Mitternachtsstunde
zu einem Kranken abholen sollte, vorerst dreimal um den Roland fuhr, um
eine glückliche Fahrt zu haben. So finden wir. daß in Halle der Burgvogt
von Magdeburg feierlich den Roland umritt, um von dem Gericht Besitz zu
nehmen, daß früher in Halle alljährlich ein Frontanz vor dem Roland aufge¬
führt wurde, und daß rü mehren Städtchen der Ditmarsen noch jetzt ein Ro-
landsretten stattfindet, ein Fest, das mit der feierlichen Anführung eines Ro-
landsbildes beginnt. Aus diesen und andern Umständen ersehen wir, daß es
dem Nolandsbild. weiches, wie wir bemerkten, mit der Christianisirung des
nördlichen Deutschland > in Beziehung steht, ähnlich ergangen ist, wie den christ¬
lichen Heiligenbildern. Wie auf diese wurde auch auf jenes manche Vorstel¬
lung und Sitte übertragen, die früher an dem Symbol des heidnischen Göt¬
tercultus, nämlich an dem heiligen Baum oder Baumstumpf haftete. Das
Rolandsbild ging aus dem Schwert- oder Schildpsahl hervor, und dieser .war
nichts Anderes als der Baumstumpf, den man an solchen Gerichtsstätten auf¬
richtete, wo man keinen lebenden Baum von entsprechendem Alter, keine Linde,
Tanne oder Eiche von ausgezeichneter Größe haben konnte, an der man das
Wahrzeichen des Gerichts, Schwert oder Schild hätte aufhängen können. Die
ältesten Gerichte, namentlich die Btutgerichte hingen eng mit dem religiösen
Cultus, dem blutigen Opferdienst zusammen. Da wo das Blut der Opfer
floß!, vor dem heiligen Baum, dem Schwert- oder Schildpfahl, war schon in
uralter Zeit das Blutland, die rothe Erde, das Roth- oder Ruland. und diese
Bezeichnung verblieb dem Platze des Blutgerichts, nachdem die blutigen Opfer
zu Ehren der Götter aufgehört hatten und der alte heilige Baum oder Baum¬
stumpf nur noch als Gerichrsbaum fortbestehen konnte. Blutig aber war das
Gericht der alten Deutschen schon deshalb, weil in heidnischer Zeit in allen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0392" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112900"/>
          <p xml:id="ID_1157" prev="#ID_1156"> kennen mußten. Da nun aber das auf dem rothen Land aufgestellte Bild<lb/>
nicht nur Gerichtssäule, sondern Symbol der gesammten städtischen Berechti¬<lb/>
gungen war, so war es, Alles in eine Bezeichnung zusammengefasst, auch<lb/>
Wahrzeichen des Wnchbildrechts, '</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1158" next="#ID_1159"> Der scharfe Gegensatz, in welchem Otto' der Zweite zum Heidenthum als<lb/>
dessen Zerstörer in Norddeurschland stand, scheint zwar jede Beziehung der<lb/>
Rolande als seiner Bildsäulen zum Heidenthum auszuschließen. Nichtsdesto¬<lb/>
weniger aber knüpft sich an diese Bilder eine Reihe von Gebräuchen und<lb/>
Sagen, welche deutlich das Gepräge ihrer Abstammung aus dem alten deut¬<lb/>
schen und slavlsäien Heidenthum'an sich tragen und den Roland als den Ge¬<lb/>
genstand eines gewissen Cultus erscheinen lassen. So sehen wir, daß in Neu-<lb/>
haldensleben bei Hochzeiten der Zug vor dem Roland anhält Und einen Tanz<lb/>
aufführt, und daß in Bramstedt die Braut, die von auswärts kommt, dreimal<lb/>
uni den Roland herumgefahren wird. So erzählt ferner die Sage von Wedel,<lb/>
daß der Knecht, der mit seinem Wagen den Pastor R&gt;se zur Mitternachtsstunde<lb/>
zu einem Kranken abholen sollte, vorerst dreimal um den Roland fuhr, um<lb/>
eine glückliche Fahrt zu haben. So finden wir. daß in Halle der Burgvogt<lb/>
von Magdeburg feierlich den Roland umritt, um von dem Gericht Besitz zu<lb/>
nehmen, daß früher in Halle alljährlich ein Frontanz vor dem Roland aufge¬<lb/>
führt wurde, und daß rü mehren Städtchen der Ditmarsen noch jetzt ein Ro-<lb/>
landsretten stattfindet, ein Fest, das mit der feierlichen Anführung eines Ro-<lb/>
landsbildes beginnt. Aus diesen und andern Umständen ersehen wir, daß es<lb/>
dem Nolandsbild. weiches, wie wir bemerkten, mit der Christianisirung des<lb/>
nördlichen Deutschland &gt; in Beziehung steht, ähnlich ergangen ist, wie den christ¬<lb/>
lichen Heiligenbildern. Wie auf diese wurde auch auf jenes manche Vorstel¬<lb/>
lung und Sitte übertragen, die früher an dem Symbol des heidnischen Göt¬<lb/>
tercultus, nämlich an dem heiligen Baum oder Baumstumpf haftete. Das<lb/>
Rolandsbild ging aus dem Schwert- oder Schildpsahl hervor, und dieser .war<lb/>
nichts Anderes als der Baumstumpf, den man an solchen Gerichtsstätten auf¬<lb/>
richtete, wo man keinen lebenden Baum von entsprechendem Alter, keine Linde,<lb/>
Tanne oder Eiche von ausgezeichneter Größe haben konnte, an der man das<lb/>
Wahrzeichen des Gerichts, Schwert oder Schild hätte aufhängen können. Die<lb/>
ältesten Gerichte, namentlich die Btutgerichte hingen eng mit dem religiösen<lb/>
Cultus, dem blutigen Opferdienst zusammen. Da wo das Blut der Opfer<lb/>
floß!, vor dem heiligen Baum, dem Schwert- oder Schildpfahl, war schon in<lb/>
uralter Zeit das Blutland, die rothe Erde, das Roth- oder Ruland. und diese<lb/>
Bezeichnung verblieb dem Platze des Blutgerichts, nachdem die blutigen Opfer<lb/>
zu Ehren der Götter aufgehört hatten und der alte heilige Baum oder Baum¬<lb/>
stumpf nur noch als Gerichrsbaum fortbestehen konnte. Blutig aber war das<lb/>
Gericht der alten Deutschen schon deshalb, weil in heidnischer Zeit in allen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0392] kennen mußten. Da nun aber das auf dem rothen Land aufgestellte Bild nicht nur Gerichtssäule, sondern Symbol der gesammten städtischen Berechti¬ gungen war, so war es, Alles in eine Bezeichnung zusammengefasst, auch Wahrzeichen des Wnchbildrechts, ' Der scharfe Gegensatz, in welchem Otto' der Zweite zum Heidenthum als dessen Zerstörer in Norddeurschland stand, scheint zwar jede Beziehung der Rolande als seiner Bildsäulen zum Heidenthum auszuschließen. Nichtsdesto¬ weniger aber knüpft sich an diese Bilder eine Reihe von Gebräuchen und Sagen, welche deutlich das Gepräge ihrer Abstammung aus dem alten deut¬ schen und slavlsäien Heidenthum'an sich tragen und den Roland als den Ge¬ genstand eines gewissen Cultus erscheinen lassen. So sehen wir, daß in Neu- haldensleben bei Hochzeiten der Zug vor dem Roland anhält Und einen Tanz aufführt, und daß in Bramstedt die Braut, die von auswärts kommt, dreimal uni den Roland herumgefahren wird. So erzählt ferner die Sage von Wedel, daß der Knecht, der mit seinem Wagen den Pastor R>se zur Mitternachtsstunde zu einem Kranken abholen sollte, vorerst dreimal um den Roland fuhr, um eine glückliche Fahrt zu haben. So finden wir. daß in Halle der Burgvogt von Magdeburg feierlich den Roland umritt, um von dem Gericht Besitz zu nehmen, daß früher in Halle alljährlich ein Frontanz vor dem Roland aufge¬ führt wurde, und daß rü mehren Städtchen der Ditmarsen noch jetzt ein Ro- landsretten stattfindet, ein Fest, das mit der feierlichen Anführung eines Ro- landsbildes beginnt. Aus diesen und andern Umständen ersehen wir, daß es dem Nolandsbild. weiches, wie wir bemerkten, mit der Christianisirung des nördlichen Deutschland > in Beziehung steht, ähnlich ergangen ist, wie den christ¬ lichen Heiligenbildern. Wie auf diese wurde auch auf jenes manche Vorstel¬ lung und Sitte übertragen, die früher an dem Symbol des heidnischen Göt¬ tercultus, nämlich an dem heiligen Baum oder Baumstumpf haftete. Das Rolandsbild ging aus dem Schwert- oder Schildpsahl hervor, und dieser .war nichts Anderes als der Baumstumpf, den man an solchen Gerichtsstätten auf¬ richtete, wo man keinen lebenden Baum von entsprechendem Alter, keine Linde, Tanne oder Eiche von ausgezeichneter Größe haben konnte, an der man das Wahrzeichen des Gerichts, Schwert oder Schild hätte aufhängen können. Die ältesten Gerichte, namentlich die Btutgerichte hingen eng mit dem religiösen Cultus, dem blutigen Opferdienst zusammen. Da wo das Blut der Opfer floß!, vor dem heiligen Baum, dem Schwert- oder Schildpfahl, war schon in uralter Zeit das Blutland, die rothe Erde, das Roth- oder Ruland. und diese Bezeichnung verblieb dem Platze des Blutgerichts, nachdem die blutigen Opfer zu Ehren der Götter aufgehört hatten und der alte heilige Baum oder Baum¬ stumpf nur noch als Gerichrsbaum fortbestehen konnte. Blutig aber war das Gericht der alten Deutschen schon deshalb, weil in heidnischer Zeit in allen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/392
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/392>, abgerufen am 23.07.2024.