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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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liehen hatte. Er war eben so beliebt beim Volk wie bei der Geistlichkeit. Er
spielt ferner eine hervorragende Rolle in den Rechtssagen, die sehr Vieles,
was später für die Gesetzgebung und die Organisation des Rechts geschah,
auf ihn zurückführen. Es ging ferner in Magdeburg die Sage, daß der
dortige Roland das Bild Otto's des Rothen sei. und man darf darauf die
Vermuthung bauen, daß alle Rolande in den Orten, die von Magdeburg
ihr Recht holten, wie Halle und die Städte in Sachsen und den Marken, nur
Wiederholungen jenes Königsbildes waren, welches sie in der Mutterstadt ihres
Rechts fanden, wo die glänzendste königliche Pfalz auf sächsischer Erde und
ihr höchster Stuhl stand. Von besondrer Wichtigkeit aber ist für unsere Be¬
weisführung der Ausdruck "rother König." Derselbe ist nicht von der Ge¬
sichtsfarbe, nicht von Haar oder Bart und ebenso wenig davon hergenommen,
daß Otto der Zweite viel Blut in Schlachten vergossen, sondern bezieht sich
auf etwas ganz Anderes. Roth ist die Farbe des Blutgerichts, roth der
Mantel des Königs als obersten Richters, roth der Blutschild und die Blut¬
sahne als Zeichen des Blutbanns, rothe Thürme heißen die Gefängnisse, in
denen die auf Leib und Leben Angeklagten verwahrt wurden, rothe Binden
trugen die Richter des Wassergerichts in der Wetternu. rother Karren hieß in
Frankfurt a. M. der Wagen, auf dem bei Auspfändungen die weggenom¬
menem Möbel fortgeschafft wurden, ebendaselbst trug der oberste Richter bei
der Hinrichtung eines Missethäters einen rothen Mantel und einen Scepter
von gleicher Farbe. Auf rothen Bänken ferner saßen Richter und Schöffen
beim Blutgericht, rothe Erde hieß nicht bloß bei den westfälischen Fehm-
gerichten die Stätte, wo über todeswürdige Verbrechen gerichtet wurde. Roth
endlich ist die Farbe der Iuristenfacultät. Kann hiernach, und wenn man
noch anerkennen muß, daß der Rau° oder Rugraf nichts Anderes als ein
Rothgraf, ein Blutrichter ist, noch zweifelhaft sein, daß unter einem "rothen
König" ein solcher zu verstehen ist, der streng auf Handhabung der Gerech¬
tigkeit hält, mit starker Hand den Landfrieden schützt, unnachsichtlich im Blut¬
gericht die Landfriedensbrecher zur Strafe bringt und dadurch der Wohlthäter
seines Volks, insbesondere der Bürger und Bauern wird? Daß aber Otto
der Zweite ein solcher Herrscher war, bezeugt die Geschichte.

Der Name Roland oder richtiger Ruland, den die BUder tragen, ist nicht
von der Ruhe, die durch fleißige Handhabung des Rechts und Gesetzes im
Lande erhalten wird, und ebensowenig davon, daß die Rolandsbilder an
Orten standen, wo Rügen, d. h. Criminalgenchte gehalten wurden, sondern
von Rothland abzuleiten, ein Wort, welches dasselbe wie "rothe Erde" besagt,
eine Rothlandssäule somit eine auf der Blutgerichtsstätte errichtete, als Wahr¬
zeichen des Gerichts aufgestellte Bildsäule, also grammatisch genau dasselbe,
als was wir den Roland oder Ruland aus rechtsgeschichtlichen Gründen er-


liehen hatte. Er war eben so beliebt beim Volk wie bei der Geistlichkeit. Er
spielt ferner eine hervorragende Rolle in den Rechtssagen, die sehr Vieles,
was später für die Gesetzgebung und die Organisation des Rechts geschah,
auf ihn zurückführen. Es ging ferner in Magdeburg die Sage, daß der
dortige Roland das Bild Otto's des Rothen sei. und man darf darauf die
Vermuthung bauen, daß alle Rolande in den Orten, die von Magdeburg
ihr Recht holten, wie Halle und die Städte in Sachsen und den Marken, nur
Wiederholungen jenes Königsbildes waren, welches sie in der Mutterstadt ihres
Rechts fanden, wo die glänzendste königliche Pfalz auf sächsischer Erde und
ihr höchster Stuhl stand. Von besondrer Wichtigkeit aber ist für unsere Be¬
weisführung der Ausdruck „rother König." Derselbe ist nicht von der Ge¬
sichtsfarbe, nicht von Haar oder Bart und ebenso wenig davon hergenommen,
daß Otto der Zweite viel Blut in Schlachten vergossen, sondern bezieht sich
auf etwas ganz Anderes. Roth ist die Farbe des Blutgerichts, roth der
Mantel des Königs als obersten Richters, roth der Blutschild und die Blut¬
sahne als Zeichen des Blutbanns, rothe Thürme heißen die Gefängnisse, in
denen die auf Leib und Leben Angeklagten verwahrt wurden, rothe Binden
trugen die Richter des Wassergerichts in der Wetternu. rother Karren hieß in
Frankfurt a. M. der Wagen, auf dem bei Auspfändungen die weggenom¬
menem Möbel fortgeschafft wurden, ebendaselbst trug der oberste Richter bei
der Hinrichtung eines Missethäters einen rothen Mantel und einen Scepter
von gleicher Farbe. Auf rothen Bänken ferner saßen Richter und Schöffen
beim Blutgericht, rothe Erde hieß nicht bloß bei den westfälischen Fehm-
gerichten die Stätte, wo über todeswürdige Verbrechen gerichtet wurde. Roth
endlich ist die Farbe der Iuristenfacultät. Kann hiernach, und wenn man
noch anerkennen muß, daß der Rau° oder Rugraf nichts Anderes als ein
Rothgraf, ein Blutrichter ist, noch zweifelhaft sein, daß unter einem „rothen
König" ein solcher zu verstehen ist, der streng auf Handhabung der Gerech¬
tigkeit hält, mit starker Hand den Landfrieden schützt, unnachsichtlich im Blut¬
gericht die Landfriedensbrecher zur Strafe bringt und dadurch der Wohlthäter
seines Volks, insbesondere der Bürger und Bauern wird? Daß aber Otto
der Zweite ein solcher Herrscher war, bezeugt die Geschichte.

Der Name Roland oder richtiger Ruland, den die BUder tragen, ist nicht
von der Ruhe, die durch fleißige Handhabung des Rechts und Gesetzes im
Lande erhalten wird, und ebensowenig davon, daß die Rolandsbilder an
Orten standen, wo Rügen, d. h. Criminalgenchte gehalten wurden, sondern
von Rothland abzuleiten, ein Wort, welches dasselbe wie „rothe Erde" besagt,
eine Rothlandssäule somit eine auf der Blutgerichtsstätte errichtete, als Wahr¬
zeichen des Gerichts aufgestellte Bildsäule, also grammatisch genau dasselbe,
als was wir den Roland oder Ruland aus rechtsgeschichtlichen Gründen er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/391>, abgerufen am 23.07.2024.