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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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die hierher zählenden, schon erwähnten allegorischen Plafonds des Louvre zum
größten Theil in eine spätere Zeit.

Alle diese Maler können auf eine hervortretende Eigenthümlichkeit keinen
Anspruch machen; sie vertreten insgesammt die mehr oder minder geschickte
Mittelmäßigkeit, die sich ihrer Aufgaben so gut sie eben kann entledigt. Sie
suchten sich von der todten akademischen Regel, welche der Geist Davids ver¬
lassen hatte, zu befreien. Aber noch hatte sich ein neues Stylgesetz, eine neue
Anschauungsweise nicht gebildet, und so kamen sie über ein unsicheres Herum¬
tasten nach malerischen Stoffen und über eine Behandlung nicht hinaus, welche
diesen sich anzubequemen strebte und doch die leere Erhabenheit und die gesuchte
Linie der David'sehen Schule nicht los wurde. Der Malerei war der Boden,
auf dem sie bisher gelebt, entzogen, sie suchte, wo sie wieder festen Fuß fassen
könnte, sie sah sich nach einem neuen Inhalte für die Phantasie um, ehe sie
an eine neue Auffassungsweise sich wagte. Daher wußte jene Richtung, welche
das geschichtliche Genre ausbildete und im romantischen Sinne die malerische
Vergangenheit aufsuchte, noch am ehesten, was sie wollte. Sie war es auch, die
zuerst zu den kunstgeschichtlichen Motiven griff. Sie entdeckte in ihnen
einen Stoff, welcher der gestaltenden Hand leicht sich fügte; die Malerei fand
sich so arm, daß sie an ihrer eigenen Vergangenheit zu zehren begann. Die
Salons von 1817 und 1819 waren überfüllt mit Vorfällen aus dem Leben
der Raphael, van Eyk, Poussin, Michel Angelo, Carracci (außer den meisten
der oben genannten Maler zählen noch Hievher Ansiaux, Perignon und Mau-
zaisse). Andrerseits griff die Kunst t'urzweg zu den poetischen Gestalten der
romantischen Phantasie. Rinald und Armida, Angelika und Medor wurden
in allen möglichen Situationen verherrlicht, dann wieder aus dem Leben der
Dichter selbst, Tasso's und Ariost's, der ein und andere Vorgang hervorgehoben,
um sich an einem solchen zugleich malerischen und das Gemüth näher be¬
rührenden Stoff zu versuchen. Man war der. Kälte des Ideals vollkommen
überdrüssig und ging aus einen seelenvollen Inhalt aus, der aus lebenswarmer
Nähe und in farbiger Erscheinung zum Herzen des Beschauers reden sollte.
Aber die Genremaler blieben in dem ungewohnten Reichthum des Beiwerks
stecken und die Nachfolger Davids, die Idealisten, welche denselben Weg be¬
traten, konnten sich auch hier ihrer akademischen Gespreiztheit und ihres aus¬
druckslosen Formenwesens nicht entschlagen.

Nur von zwei Malern schien die damalige Kunst eine Fortbildung hoffen
zu können: von Louis Hersent, einem Schüler Negnaults, und Auguste
Couder, einem Schüler Davids. Hersent hatte sich zuerst, wie Girodet,
durch Darstellungen aus der Atala von Chateaubriand bekannt gemacht;
auch er suchte in einer neuen Welt nach ästhetischen Motiven, und man fand
in den Bildern die Fähigkeit einer eigenthümlichen Empfindung. Im Jahre


die hierher zählenden, schon erwähnten allegorischen Plafonds des Louvre zum
größten Theil in eine spätere Zeit.

Alle diese Maler können auf eine hervortretende Eigenthümlichkeit keinen
Anspruch machen; sie vertreten insgesammt die mehr oder minder geschickte
Mittelmäßigkeit, die sich ihrer Aufgaben so gut sie eben kann entledigt. Sie
suchten sich von der todten akademischen Regel, welche der Geist Davids ver¬
lassen hatte, zu befreien. Aber noch hatte sich ein neues Stylgesetz, eine neue
Anschauungsweise nicht gebildet, und so kamen sie über ein unsicheres Herum¬
tasten nach malerischen Stoffen und über eine Behandlung nicht hinaus, welche
diesen sich anzubequemen strebte und doch die leere Erhabenheit und die gesuchte
Linie der David'sehen Schule nicht los wurde. Der Malerei war der Boden,
auf dem sie bisher gelebt, entzogen, sie suchte, wo sie wieder festen Fuß fassen
könnte, sie sah sich nach einem neuen Inhalte für die Phantasie um, ehe sie
an eine neue Auffassungsweise sich wagte. Daher wußte jene Richtung, welche
das geschichtliche Genre ausbildete und im romantischen Sinne die malerische
Vergangenheit aufsuchte, noch am ehesten, was sie wollte. Sie war es auch, die
zuerst zu den kunstgeschichtlichen Motiven griff. Sie entdeckte in ihnen
einen Stoff, welcher der gestaltenden Hand leicht sich fügte; die Malerei fand
sich so arm, daß sie an ihrer eigenen Vergangenheit zu zehren begann. Die
Salons von 1817 und 1819 waren überfüllt mit Vorfällen aus dem Leben
der Raphael, van Eyk, Poussin, Michel Angelo, Carracci (außer den meisten
der oben genannten Maler zählen noch Hievher Ansiaux, Perignon und Mau-
zaisse). Andrerseits griff die Kunst t'urzweg zu den poetischen Gestalten der
romantischen Phantasie. Rinald und Armida, Angelika und Medor wurden
in allen möglichen Situationen verherrlicht, dann wieder aus dem Leben der
Dichter selbst, Tasso's und Ariost's, der ein und andere Vorgang hervorgehoben,
um sich an einem solchen zugleich malerischen und das Gemüth näher be¬
rührenden Stoff zu versuchen. Man war der. Kälte des Ideals vollkommen
überdrüssig und ging aus einen seelenvollen Inhalt aus, der aus lebenswarmer
Nähe und in farbiger Erscheinung zum Herzen des Beschauers reden sollte.
Aber die Genremaler blieben in dem ungewohnten Reichthum des Beiwerks
stecken und die Nachfolger Davids, die Idealisten, welche denselben Weg be¬
traten, konnten sich auch hier ihrer akademischen Gespreiztheit und ihres aus¬
druckslosen Formenwesens nicht entschlagen.

Nur von zwei Malern schien die damalige Kunst eine Fortbildung hoffen
zu können: von Louis Hersent, einem Schüler Negnaults, und Auguste
Couder, einem Schüler Davids. Hersent hatte sich zuerst, wie Girodet,
durch Darstellungen aus der Atala von Chateaubriand bekannt gemacht;
auch er suchte in einer neuen Welt nach ästhetischen Motiven, und man fand
in den Bildern die Fähigkeit einer eigenthümlichen Empfindung. Im Jahre


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[0036] die hierher zählenden, schon erwähnten allegorischen Plafonds des Louvre zum größten Theil in eine spätere Zeit. Alle diese Maler können auf eine hervortretende Eigenthümlichkeit keinen Anspruch machen; sie vertreten insgesammt die mehr oder minder geschickte Mittelmäßigkeit, die sich ihrer Aufgaben so gut sie eben kann entledigt. Sie suchten sich von der todten akademischen Regel, welche der Geist Davids ver¬ lassen hatte, zu befreien. Aber noch hatte sich ein neues Stylgesetz, eine neue Anschauungsweise nicht gebildet, und so kamen sie über ein unsicheres Herum¬ tasten nach malerischen Stoffen und über eine Behandlung nicht hinaus, welche diesen sich anzubequemen strebte und doch die leere Erhabenheit und die gesuchte Linie der David'sehen Schule nicht los wurde. Der Malerei war der Boden, auf dem sie bisher gelebt, entzogen, sie suchte, wo sie wieder festen Fuß fassen könnte, sie sah sich nach einem neuen Inhalte für die Phantasie um, ehe sie an eine neue Auffassungsweise sich wagte. Daher wußte jene Richtung, welche das geschichtliche Genre ausbildete und im romantischen Sinne die malerische Vergangenheit aufsuchte, noch am ehesten, was sie wollte. Sie war es auch, die zuerst zu den kunstgeschichtlichen Motiven griff. Sie entdeckte in ihnen einen Stoff, welcher der gestaltenden Hand leicht sich fügte; die Malerei fand sich so arm, daß sie an ihrer eigenen Vergangenheit zu zehren begann. Die Salons von 1817 und 1819 waren überfüllt mit Vorfällen aus dem Leben der Raphael, van Eyk, Poussin, Michel Angelo, Carracci (außer den meisten der oben genannten Maler zählen noch Hievher Ansiaux, Perignon und Mau- zaisse). Andrerseits griff die Kunst t'urzweg zu den poetischen Gestalten der romantischen Phantasie. Rinald und Armida, Angelika und Medor wurden in allen möglichen Situationen verherrlicht, dann wieder aus dem Leben der Dichter selbst, Tasso's und Ariost's, der ein und andere Vorgang hervorgehoben, um sich an einem solchen zugleich malerischen und das Gemüth näher be¬ rührenden Stoff zu versuchen. Man war der. Kälte des Ideals vollkommen überdrüssig und ging aus einen seelenvollen Inhalt aus, der aus lebenswarmer Nähe und in farbiger Erscheinung zum Herzen des Beschauers reden sollte. Aber die Genremaler blieben in dem ungewohnten Reichthum des Beiwerks stecken und die Nachfolger Davids, die Idealisten, welche denselben Weg be¬ traten, konnten sich auch hier ihrer akademischen Gespreiztheit und ihres aus¬ druckslosen Formenwesens nicht entschlagen. Nur von zwei Malern schien die damalige Kunst eine Fortbildung hoffen zu können: von Louis Hersent, einem Schüler Negnaults, und Auguste Couder, einem Schüler Davids. Hersent hatte sich zuerst, wie Girodet, durch Darstellungen aus der Atala von Chateaubriand bekannt gemacht; auch er suchte in einer neuen Welt nach ästhetischen Motiven, und man fand in den Bildern die Fähigkeit einer eigenthümlichen Empfindung. Im Jahre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/36>, abgerufen am 27.12.2024.