Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

eine besondere Resolution erforderlich. Daß die Rechtseinheit wo möglich
unser ganzes Recht begreifen soll, darin sind wol von Haus aus Alle einig.
Es bedarf mithin kaum des besondern Ausdrucks für einzelne Rechtstheile.
Will man aber damit ein besonderes Bedürfniß in diesen bestimmten Rich¬
tungen und die Möglichkeit einer gemeinsamen Codification betonen, so wer¬
den sich bald die Einzelforderungen so Haufen, daß man schließlich doch Nichts
weiter sagen kann, als daß, so weit als nur irgend thunlich , die Einheit
hergestellt werden möge.

Wenn man nicht tiefer in die Sache selbst eingehen wollte, so Hütte
man auch jetzt schon den Wunsch nach einer gemeinsamen Patentgesetzgebung
formuliren können. Das Bedürfniß ist. ohne daß es unserer Darlegung be¬
darf, gewiß nicht minder groß, als an anderen Stellen. Wie dieselbe aus¬
zuführen sei, war noch nicht Gegenstand des Antrags, sondern nur die Dring¬
lichkeit einer Regelung. Gleichwol wurde die Frage auf nächstes Jahr
vertagt. , . . '-.,>.' -^>>!."/>>''!?

Das, was eben über den Umfang der zu erstrebenden Rechtseinheit ge¬
sagt wurde, bewahrheitete sich zugleich an dem Antrag, für eine überein¬
stimmende Strafrechtsgcsetzgebung sich auszusprechen. Dieser Antrag wurde
als ganz selbstverständlich betrachtet. Wahrscheinlich theilte auch Niemand
die seitdem kundgegebene Ansicht des Bundestags, nach welcher die gemeinsame
Herstellung und Einführung des gleichen Strafrechts und Strafprocesses zur
Zeit noch unüberwindliche Schwierigkeiten haben soll. In der That eine
eigenthümliche Ansicht. Andere Leute sind der Meinung, daß der Strafproceß,
und noch mehr das Strafrecht, viel leichter für ganz Deutschland einheitlich
ertheilt werden könnte, als die Civilproceßordnung, für welche der Bund so
regen Eifer entwickelt. Man möchte allerlei Vermuthungen anstellen, warum
die Einheitswillfährigkeit an den Strafproceß nicht reicht.

Freilich treten bei Organisation der Strafrechtspflege die unvermeidlichen
politischen Seiten sehr leicht hervor. Wurde doch auch gegen den Antrag,
sich dafür auszusprechen, daß überall, wo sie noch nicht bestünden, Schwurge¬
richte einzuführen seien, sofort eingewendet, daß mit dessen Annahme der
Congreß seine Kompetenz überschreiten und Politik machen werde. Allein die
zweite Hauptversammlung war nicht mehr in der Stimmung, auf diese War¬
nung viel Gewicht zu legen. Mit großer Majorität erhob man den Antrag
zum Beschluß; im Wesentlichen unbestreitbar aus politischen Rücksichten. Die
wahren sachlichen Gründe fanden keineswegs eine genügende Erörterung--
Daß darunter auch manche Gründe gegen das Geschwornengericht sind, wird
die ruhige Erwägung nicht verkennen. Leider waren die vereinzelten Versuche
zu einer gründlichen Prüfung hinzuleiten, nicht sehr glücklich. Daß es aber
einer solchen bedurft hätte, zeigte deutlich die eben so schnell gefaßte, nach


eine besondere Resolution erforderlich. Daß die Rechtseinheit wo möglich
unser ganzes Recht begreifen soll, darin sind wol von Haus aus Alle einig.
Es bedarf mithin kaum des besondern Ausdrucks für einzelne Rechtstheile.
Will man aber damit ein besonderes Bedürfniß in diesen bestimmten Rich¬
tungen und die Möglichkeit einer gemeinsamen Codification betonen, so wer¬
den sich bald die Einzelforderungen so Haufen, daß man schließlich doch Nichts
weiter sagen kann, als daß, so weit als nur irgend thunlich , die Einheit
hergestellt werden möge.

Wenn man nicht tiefer in die Sache selbst eingehen wollte, so Hütte
man auch jetzt schon den Wunsch nach einer gemeinsamen Patentgesetzgebung
formuliren können. Das Bedürfniß ist. ohne daß es unserer Darlegung be¬
darf, gewiß nicht minder groß, als an anderen Stellen. Wie dieselbe aus¬
zuführen sei, war noch nicht Gegenstand des Antrags, sondern nur die Dring¬
lichkeit einer Regelung. Gleichwol wurde die Frage auf nächstes Jahr
vertagt. , . . '-.,>.' -^>>!.»/>>''!?

Das, was eben über den Umfang der zu erstrebenden Rechtseinheit ge¬
sagt wurde, bewahrheitete sich zugleich an dem Antrag, für eine überein¬
stimmende Strafrechtsgcsetzgebung sich auszusprechen. Dieser Antrag wurde
als ganz selbstverständlich betrachtet. Wahrscheinlich theilte auch Niemand
die seitdem kundgegebene Ansicht des Bundestags, nach welcher die gemeinsame
Herstellung und Einführung des gleichen Strafrechts und Strafprocesses zur
Zeit noch unüberwindliche Schwierigkeiten haben soll. In der That eine
eigenthümliche Ansicht. Andere Leute sind der Meinung, daß der Strafproceß,
und noch mehr das Strafrecht, viel leichter für ganz Deutschland einheitlich
ertheilt werden könnte, als die Civilproceßordnung, für welche der Bund so
regen Eifer entwickelt. Man möchte allerlei Vermuthungen anstellen, warum
die Einheitswillfährigkeit an den Strafproceß nicht reicht.

Freilich treten bei Organisation der Strafrechtspflege die unvermeidlichen
politischen Seiten sehr leicht hervor. Wurde doch auch gegen den Antrag,
sich dafür auszusprechen, daß überall, wo sie noch nicht bestünden, Schwurge¬
richte einzuführen seien, sofort eingewendet, daß mit dessen Annahme der
Congreß seine Kompetenz überschreiten und Politik machen werde. Allein die
zweite Hauptversammlung war nicht mehr in der Stimmung, auf diese War¬
nung viel Gewicht zu legen. Mit großer Majorität erhob man den Antrag
zum Beschluß; im Wesentlichen unbestreitbar aus politischen Rücksichten. Die
wahren sachlichen Gründe fanden keineswegs eine genügende Erörterung--
Daß darunter auch manche Gründe gegen das Geschwornengericht sind, wird
die ruhige Erwägung nicht verkennen. Leider waren die vereinzelten Versuche
zu einer gründlichen Prüfung hinzuleiten, nicht sehr glücklich. Daß es aber
einer solchen bedurft hätte, zeigte deutlich die eben so schnell gefaßte, nach


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0306" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112814"/>
            <p xml:id="ID_904" prev="#ID_903"> eine besondere Resolution erforderlich. Daß die Rechtseinheit wo möglich<lb/>
unser ganzes Recht begreifen soll, darin sind wol von Haus aus Alle einig.<lb/>
Es bedarf mithin kaum des besondern Ausdrucks für einzelne Rechtstheile.<lb/>
Will man aber damit ein besonderes Bedürfniß in diesen bestimmten Rich¬<lb/>
tungen und die Möglichkeit einer gemeinsamen Codification betonen, so wer¬<lb/>
den sich bald die Einzelforderungen so Haufen, daß man schließlich doch Nichts<lb/>
weiter sagen kann, als daß, so weit als nur irgend thunlich , die Einheit<lb/>
hergestellt werden möge.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_905"> Wenn man nicht tiefer in die Sache selbst eingehen wollte, so Hütte<lb/>
man auch jetzt schon den Wunsch nach einer gemeinsamen Patentgesetzgebung<lb/>
formuliren können. Das Bedürfniß ist. ohne daß es unserer Darlegung be¬<lb/>
darf, gewiß nicht minder groß, als an anderen Stellen. Wie dieselbe aus¬<lb/>
zuführen sei, war noch nicht Gegenstand des Antrags, sondern nur die Dring¬<lb/>
lichkeit einer Regelung.  Gleichwol wurde die Frage auf nächstes Jahr<lb/>
vertagt. ,  . . '-.,&gt;.' -^&gt;&gt;!.»/&gt;&gt;''!?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_906"> Das, was eben über den Umfang der zu erstrebenden Rechtseinheit ge¬<lb/>
sagt wurde, bewahrheitete sich zugleich an dem Antrag, für eine überein¬<lb/>
stimmende Strafrechtsgcsetzgebung sich auszusprechen. Dieser Antrag wurde<lb/>
als ganz selbstverständlich betrachtet. Wahrscheinlich theilte auch Niemand<lb/>
die seitdem kundgegebene Ansicht des Bundestags, nach welcher die gemeinsame<lb/>
Herstellung und Einführung des gleichen Strafrechts und Strafprocesses zur<lb/>
Zeit noch unüberwindliche Schwierigkeiten haben soll. In der That eine<lb/>
eigenthümliche Ansicht. Andere Leute sind der Meinung, daß der Strafproceß,<lb/>
und noch mehr das Strafrecht, viel leichter für ganz Deutschland einheitlich<lb/>
ertheilt werden könnte, als die Civilproceßordnung, für welche der Bund so<lb/>
regen Eifer entwickelt. Man möchte allerlei Vermuthungen anstellen, warum<lb/>
die Einheitswillfährigkeit an den Strafproceß nicht reicht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_907" next="#ID_908"> Freilich treten bei Organisation der Strafrechtspflege die unvermeidlichen<lb/>
politischen Seiten sehr leicht hervor. Wurde doch auch gegen den Antrag,<lb/>
sich dafür auszusprechen, daß überall, wo sie noch nicht bestünden, Schwurge¬<lb/>
richte einzuführen seien, sofort eingewendet, daß mit dessen Annahme der<lb/>
Congreß seine Kompetenz überschreiten und Politik machen werde. Allein die<lb/>
zweite Hauptversammlung war nicht mehr in der Stimmung, auf diese War¬<lb/>
nung viel Gewicht zu legen. Mit großer Majorität erhob man den Antrag<lb/>
zum Beschluß; im Wesentlichen unbestreitbar aus politischen Rücksichten. Die<lb/>
wahren sachlichen Gründe fanden keineswegs eine genügende Erörterung--<lb/>
Daß darunter auch manche Gründe gegen das Geschwornengericht sind, wird<lb/>
die ruhige Erwägung nicht verkennen. Leider waren die vereinzelten Versuche<lb/>
zu einer gründlichen Prüfung hinzuleiten, nicht sehr glücklich. Daß es aber<lb/>
einer solchen bedurft hätte, zeigte deutlich die eben so schnell gefaßte, nach</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0306] eine besondere Resolution erforderlich. Daß die Rechtseinheit wo möglich unser ganzes Recht begreifen soll, darin sind wol von Haus aus Alle einig. Es bedarf mithin kaum des besondern Ausdrucks für einzelne Rechtstheile. Will man aber damit ein besonderes Bedürfniß in diesen bestimmten Rich¬ tungen und die Möglichkeit einer gemeinsamen Codification betonen, so wer¬ den sich bald die Einzelforderungen so Haufen, daß man schließlich doch Nichts weiter sagen kann, als daß, so weit als nur irgend thunlich , die Einheit hergestellt werden möge. Wenn man nicht tiefer in die Sache selbst eingehen wollte, so Hütte man auch jetzt schon den Wunsch nach einer gemeinsamen Patentgesetzgebung formuliren können. Das Bedürfniß ist. ohne daß es unserer Darlegung be¬ darf, gewiß nicht minder groß, als an anderen Stellen. Wie dieselbe aus¬ zuführen sei, war noch nicht Gegenstand des Antrags, sondern nur die Dring¬ lichkeit einer Regelung. Gleichwol wurde die Frage auf nächstes Jahr vertagt. , . . '-.,>.' -^>>!.»/>>''!? Das, was eben über den Umfang der zu erstrebenden Rechtseinheit ge¬ sagt wurde, bewahrheitete sich zugleich an dem Antrag, für eine überein¬ stimmende Strafrechtsgcsetzgebung sich auszusprechen. Dieser Antrag wurde als ganz selbstverständlich betrachtet. Wahrscheinlich theilte auch Niemand die seitdem kundgegebene Ansicht des Bundestags, nach welcher die gemeinsame Herstellung und Einführung des gleichen Strafrechts und Strafprocesses zur Zeit noch unüberwindliche Schwierigkeiten haben soll. In der That eine eigenthümliche Ansicht. Andere Leute sind der Meinung, daß der Strafproceß, und noch mehr das Strafrecht, viel leichter für ganz Deutschland einheitlich ertheilt werden könnte, als die Civilproceßordnung, für welche der Bund so regen Eifer entwickelt. Man möchte allerlei Vermuthungen anstellen, warum die Einheitswillfährigkeit an den Strafproceß nicht reicht. Freilich treten bei Organisation der Strafrechtspflege die unvermeidlichen politischen Seiten sehr leicht hervor. Wurde doch auch gegen den Antrag, sich dafür auszusprechen, daß überall, wo sie noch nicht bestünden, Schwurge¬ richte einzuführen seien, sofort eingewendet, daß mit dessen Annahme der Congreß seine Kompetenz überschreiten und Politik machen werde. Allein die zweite Hauptversammlung war nicht mehr in der Stimmung, auf diese War¬ nung viel Gewicht zu legen. Mit großer Majorität erhob man den Antrag zum Beschluß; im Wesentlichen unbestreitbar aus politischen Rücksichten. Die wahren sachlichen Gründe fanden keineswegs eine genügende Erörterung-- Daß darunter auch manche Gründe gegen das Geschwornengericht sind, wird die ruhige Erwägung nicht verkennen. Leider waren die vereinzelten Versuche zu einer gründlichen Prüfung hinzuleiten, nicht sehr glücklich. Daß es aber einer solchen bedurft hätte, zeigte deutlich die eben so schnell gefaßte, nach

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/306
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/306>, abgerufen am 23.07.2024.