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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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scheinlich, daß Frankreich an seinen Forderungen für die genannten beiden
Artikel Preußen gegenüber hartnäckig festhalten wird, wie es Belgien gegen¬
über gethan hat; daß es aber hier wie dort zu Transnctionen geneigt sein
wird, welche die stufenweise Ermäßigung und Ausnahmen von der völligen Reci¬
procität enthalten. Frankreich wird aber, wie es Belgien gegenüber gethan hat,
die meisten Zugeständnisse, die der Zollverein von ihm verlangt, an die Er¬
füllung seiner Forderung für Seide und Wein knüpfen. Hier scheint uns der
wahre Knotenpunkt der Verhandlungen zu liegen. Bewilligt Preußen diese
Forderungen, so kann ein Vertrag zu Stande kommen, welcher für den Aus¬
tausch zwischen den beiden Ländern, und in seinen weiteren Folgen für den
internationalen Austausch Europas segensreich sein wird. Lehnt Preußen die
bezeichneten Forderungen ab. so schrumpft der Vertrag auf so enge Dimen¬
sionen zusammen, daß dann allerdings die Frage entsteht, ob es nicht besser
wäre, die Wiederaufnahme der Verhandlungen auf eine günstigere Zeit zu
vertagen. Wiv unterlassen es, über die Entscheidung der Frage ein Urtheil
abzugeben, weil wir weder unsere Feder noch die Grxnzbotcn in den Verdacht
bringen wollen, entweder im Solde deutscher Wein- und.Seidenproducenten,
oder gar im Solde Napoleons des Dritten zu schreiben.

Nach Andeutungen, welche in den letzten Tagen deutsche und französische
Blätter gebracht haben, hätte Preußen sich geneigt erwiesen, die französischen
Bedingungen für Wein und Seide zwar nicht vollständig zuzugeben, aber doch
einen Schritt der Annäherung zu thun, unter der Voraussetzung, daß dadurch
eine völlige Verständigung erzielt werden könne. Wenn aber, wie verlautet,
Frankreich seine Basis als ecmcMio sins <ZM ^ für weitere Verhandlungen
aufgestellt hat, und wenn nicht allein über die beiden ^mehrerwähnten Sätze,
sondern auch noch über andere, kaum minder wichtige Punkte, namentlich
über d,e Gleichstellung einer Reihe von Sätzen in beiden Tarifen, welche hier
wie dort nach Stückzahl. Maß oder Gewicht festgestellt sind, principielle Meinungs¬
verschiedenheiten bestehen, dann ist allerdings wahrscheinlich, daß der Abschluß
eines Vertrages nicht das Ergebniß der bisherigen Verhandlungen sein wird.
Wrr erleben dann das seltsame, aber nach anderen neueren Erlebnissen kaum
wehr überraschende Schauspiel, daß der Kaiser der Franzosen als Kämpe der
Befreiung des internationalen Verkehrs von schädlichen Beschränkungen sich
darstellt, während Preußen, oder, wenn man lieber will, eine Coterie anderer
Bereinsregierungcn. den Erfolg seiner löblichen Bestrebungen theilweise ver¬
eitelt. Frankreich, das Musterland des Mercantilsvstems und Fabrikschutzcs.
der Monopole, Prohibitionen und Zollplackernen. steht plötzlich an der Spitze
der großartige" Bewegung für die Befreundung der Nationen durch freien,
lebhaften Austausch ihrer Producte. es hat darin selbst England, welches die
Bewegung eingeleitet, den Rang abgelaufen, indem es sie den übrigen fest-


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scheinlich, daß Frankreich an seinen Forderungen für die genannten beiden
Artikel Preußen gegenüber hartnäckig festhalten wird, wie es Belgien gegen¬
über gethan hat; daß es aber hier wie dort zu Transnctionen geneigt sein
wird, welche die stufenweise Ermäßigung und Ausnahmen von der völligen Reci¬
procität enthalten. Frankreich wird aber, wie es Belgien gegenüber gethan hat,
die meisten Zugeständnisse, die der Zollverein von ihm verlangt, an die Er¬
füllung seiner Forderung für Seide und Wein knüpfen. Hier scheint uns der
wahre Knotenpunkt der Verhandlungen zu liegen. Bewilligt Preußen diese
Forderungen, so kann ein Vertrag zu Stande kommen, welcher für den Aus¬
tausch zwischen den beiden Ländern, und in seinen weiteren Folgen für den
internationalen Austausch Europas segensreich sein wird. Lehnt Preußen die
bezeichneten Forderungen ab. so schrumpft der Vertrag auf so enge Dimen¬
sionen zusammen, daß dann allerdings die Frage entsteht, ob es nicht besser
wäre, die Wiederaufnahme der Verhandlungen auf eine günstigere Zeit zu
vertagen. Wiv unterlassen es, über die Entscheidung der Frage ein Urtheil
abzugeben, weil wir weder unsere Feder noch die Grxnzbotcn in den Verdacht
bringen wollen, entweder im Solde deutscher Wein- und.Seidenproducenten,
oder gar im Solde Napoleons des Dritten zu schreiben.

Nach Andeutungen, welche in den letzten Tagen deutsche und französische
Blätter gebracht haben, hätte Preußen sich geneigt erwiesen, die französischen
Bedingungen für Wein und Seide zwar nicht vollständig zuzugeben, aber doch
einen Schritt der Annäherung zu thun, unter der Voraussetzung, daß dadurch
eine völlige Verständigung erzielt werden könne. Wenn aber, wie verlautet,
Frankreich seine Basis als ecmcMio sins <ZM ^ für weitere Verhandlungen
aufgestellt hat, und wenn nicht allein über die beiden ^mehrerwähnten Sätze,
sondern auch noch über andere, kaum minder wichtige Punkte, namentlich
über d,e Gleichstellung einer Reihe von Sätzen in beiden Tarifen, welche hier
wie dort nach Stückzahl. Maß oder Gewicht festgestellt sind, principielle Meinungs¬
verschiedenheiten bestehen, dann ist allerdings wahrscheinlich, daß der Abschluß
eines Vertrages nicht das Ergebniß der bisherigen Verhandlungen sein wird.
Wrr erleben dann das seltsame, aber nach anderen neueren Erlebnissen kaum
wehr überraschende Schauspiel, daß der Kaiser der Franzosen als Kämpe der
Befreiung des internationalen Verkehrs von schädlichen Beschränkungen sich
darstellt, während Preußen, oder, wenn man lieber will, eine Coterie anderer
Bereinsregierungcn. den Erfolg seiner löblichen Bestrebungen theilweise ver¬
eitelt. Frankreich, das Musterland des Mercantilsvstems und Fabrikschutzcs.
der Monopole, Prohibitionen und Zollplackernen. steht plötzlich an der Spitze
der großartige» Bewegung für die Befreundung der Nationen durch freien,
lebhaften Austausch ihrer Producte. es hat darin selbst England, welches die
Bewegung eingeleitet, den Rang abgelaufen, indem es sie den übrigen fest-


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[0301] scheinlich, daß Frankreich an seinen Forderungen für die genannten beiden Artikel Preußen gegenüber hartnäckig festhalten wird, wie es Belgien gegen¬ über gethan hat; daß es aber hier wie dort zu Transnctionen geneigt sein wird, welche die stufenweise Ermäßigung und Ausnahmen von der völligen Reci¬ procität enthalten. Frankreich wird aber, wie es Belgien gegenüber gethan hat, die meisten Zugeständnisse, die der Zollverein von ihm verlangt, an die Er¬ füllung seiner Forderung für Seide und Wein knüpfen. Hier scheint uns der wahre Knotenpunkt der Verhandlungen zu liegen. Bewilligt Preußen diese Forderungen, so kann ein Vertrag zu Stande kommen, welcher für den Aus¬ tausch zwischen den beiden Ländern, und in seinen weiteren Folgen für den internationalen Austausch Europas segensreich sein wird. Lehnt Preußen die bezeichneten Forderungen ab. so schrumpft der Vertrag auf so enge Dimen¬ sionen zusammen, daß dann allerdings die Frage entsteht, ob es nicht besser wäre, die Wiederaufnahme der Verhandlungen auf eine günstigere Zeit zu vertagen. Wiv unterlassen es, über die Entscheidung der Frage ein Urtheil abzugeben, weil wir weder unsere Feder noch die Grxnzbotcn in den Verdacht bringen wollen, entweder im Solde deutscher Wein- und.Seidenproducenten, oder gar im Solde Napoleons des Dritten zu schreiben. Nach Andeutungen, welche in den letzten Tagen deutsche und französische Blätter gebracht haben, hätte Preußen sich geneigt erwiesen, die französischen Bedingungen für Wein und Seide zwar nicht vollständig zuzugeben, aber doch einen Schritt der Annäherung zu thun, unter der Voraussetzung, daß dadurch eine völlige Verständigung erzielt werden könne. Wenn aber, wie verlautet, Frankreich seine Basis als ecmcMio sins <ZM ^ für weitere Verhandlungen aufgestellt hat, und wenn nicht allein über die beiden ^mehrerwähnten Sätze, sondern auch noch über andere, kaum minder wichtige Punkte, namentlich über d,e Gleichstellung einer Reihe von Sätzen in beiden Tarifen, welche hier wie dort nach Stückzahl. Maß oder Gewicht festgestellt sind, principielle Meinungs¬ verschiedenheiten bestehen, dann ist allerdings wahrscheinlich, daß der Abschluß eines Vertrages nicht das Ergebniß der bisherigen Verhandlungen sein wird. Wrr erleben dann das seltsame, aber nach anderen neueren Erlebnissen kaum wehr überraschende Schauspiel, daß der Kaiser der Franzosen als Kämpe der Befreiung des internationalen Verkehrs von schädlichen Beschränkungen sich darstellt, während Preußen, oder, wenn man lieber will, eine Coterie anderer Bereinsregierungcn. den Erfolg seiner löblichen Bestrebungen theilweise ver¬ eitelt. Frankreich, das Musterland des Mercantilsvstems und Fabrikschutzcs. der Monopole, Prohibitionen und Zollplackernen. steht plötzlich an der Spitze der großartige» Bewegung für die Befreundung der Nationen durch freien, lebhaften Austausch ihrer Producte. es hat darin selbst England, welches die Bewegung eingeleitet, den Rang abgelaufen, indem es sie den übrigen fest- 37"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/301>, abgerufen am 28.12.2024.