Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schichtliche Vergangenheit die Greifbarkeit der Gegenwart hervorheben, die
Behandlung lehnte sich gegen das Recht des Ideals und der Schönheit ans
und erklärte die geistlose Realität der untersten Gattung für das Künstlerische.
Bis zu diesem Extrem war in seinem einseitigen Verlaufe der Realismus ge¬
kommen, der in Gäricault vom leidenschaftlichen Pathos ausgegangen war.
Courbet und seine Nachfolger vergessen, daß auch die Malerei eine Kunst des
Scheins ist und daß selbst das Gemeine bei seinem Durchgang durch die
Phantasie den verklärenden Hauch des menschlichen Geistes empfängt; will
dieser in das Materielle ganz aufgehen, so ist das einfach ein Widerspruch,
an dem schließlich die ganze Richtung zerschellt. Courbet wurde denn auch,
nachdem er noch mehrere Bilder von jener Art gemalt hatte, der Sache müde
und zeigt nun sein Talent in einer zwar derb-realistischen, aber breiten und
lebendigen Behandlung der Landschaft und des Thierlebens. Seine Nachfolger
sind größtentheils Karikaturen: Millet, Salmon, Desvaux.

Ein eigenthümliches Talent ist Adolphe Breton, der sich, wie Courbet.
die Darstellung des niederen Lebens in selner ganz zufälligen Wirklichkeit zum
Grundsatz macht, ober durch freie, warme Lichtstimmungen und einen leisen
sentimentalen Anflug, den er seinen Gestalten zu geben weiß, eine Art poetischer
Wirkung erreicht. Er entnimmt seine Motive der mühsamen Thätigkeit des
Landmannes; aber das Ganze wirkt in der vollen Glas der Mittagssonne
oder dem warmen Dämmerschein des Abendlichts wie ein wehmüthiges Idyll,
und seine Bäuerinnen sehen nicht selten aus, wie wenn sie um ihre Noth
wüßten und bisweilen wol auch, ähnlich wie die Landmüdchen der Georges
Sand, einer gewissen Gefühlsschwärmerei nicht abgeneigt wären. Nicht zu
vergessen ist, daß diese Realisten in allen äußeren Mitteln der Darstellung
Wohl bewandert sind und vornehmlich durch eine kräftige Behandlung der Lo-
caifarben und eine geschickte Anwendung der Contraste einen lebhaften male¬
rischen Effect zu erreichen wissen. --

(Schluß der Artikel in nächstem Heft)




schichtliche Vergangenheit die Greifbarkeit der Gegenwart hervorheben, die
Behandlung lehnte sich gegen das Recht des Ideals und der Schönheit ans
und erklärte die geistlose Realität der untersten Gattung für das Künstlerische.
Bis zu diesem Extrem war in seinem einseitigen Verlaufe der Realismus ge¬
kommen, der in Gäricault vom leidenschaftlichen Pathos ausgegangen war.
Courbet und seine Nachfolger vergessen, daß auch die Malerei eine Kunst des
Scheins ist und daß selbst das Gemeine bei seinem Durchgang durch die
Phantasie den verklärenden Hauch des menschlichen Geistes empfängt; will
dieser in das Materielle ganz aufgehen, so ist das einfach ein Widerspruch,
an dem schließlich die ganze Richtung zerschellt. Courbet wurde denn auch,
nachdem er noch mehrere Bilder von jener Art gemalt hatte, der Sache müde
und zeigt nun sein Talent in einer zwar derb-realistischen, aber breiten und
lebendigen Behandlung der Landschaft und des Thierlebens. Seine Nachfolger
sind größtentheils Karikaturen: Millet, Salmon, Desvaux.

Ein eigenthümliches Talent ist Adolphe Breton, der sich, wie Courbet.
die Darstellung des niederen Lebens in selner ganz zufälligen Wirklichkeit zum
Grundsatz macht, ober durch freie, warme Lichtstimmungen und einen leisen
sentimentalen Anflug, den er seinen Gestalten zu geben weiß, eine Art poetischer
Wirkung erreicht. Er entnimmt seine Motive der mühsamen Thätigkeit des
Landmannes; aber das Ganze wirkt in der vollen Glas der Mittagssonne
oder dem warmen Dämmerschein des Abendlichts wie ein wehmüthiges Idyll,
und seine Bäuerinnen sehen nicht selten aus, wie wenn sie um ihre Noth
wüßten und bisweilen wol auch, ähnlich wie die Landmüdchen der Georges
Sand, einer gewissen Gefühlsschwärmerei nicht abgeneigt wären. Nicht zu
vergessen ist, daß diese Realisten in allen äußeren Mitteln der Darstellung
Wohl bewandert sind und vornehmlich durch eine kräftige Behandlung der Lo-
caifarben und eine geschickte Anwendung der Contraste einen lebhaften male¬
rischen Effect zu erreichen wissen. —

(Schluß der Artikel in nächstem Heft)




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0271" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112779"/>
            <p xml:id="ID_799" prev="#ID_798"> schichtliche Vergangenheit die Greifbarkeit der Gegenwart hervorheben, die<lb/>
Behandlung lehnte sich gegen das Recht des Ideals und der Schönheit ans<lb/>
und erklärte die geistlose Realität der untersten Gattung für das Künstlerische.<lb/>
Bis zu diesem Extrem war in seinem einseitigen Verlaufe der Realismus ge¬<lb/>
kommen, der in Gäricault vom leidenschaftlichen Pathos ausgegangen war.<lb/>
Courbet und seine Nachfolger vergessen, daß auch die Malerei eine Kunst des<lb/>
Scheins ist und daß selbst das Gemeine bei seinem Durchgang durch die<lb/>
Phantasie den verklärenden Hauch des menschlichen Geistes empfängt; will<lb/>
dieser in das Materielle ganz aufgehen, so ist das einfach ein Widerspruch,<lb/>
an dem schließlich die ganze Richtung zerschellt. Courbet wurde denn auch,<lb/>
nachdem er noch mehrere Bilder von jener Art gemalt hatte, der Sache müde<lb/>
und zeigt nun sein Talent in einer zwar derb-realistischen, aber breiten und<lb/>
lebendigen Behandlung der Landschaft und des Thierlebens. Seine Nachfolger<lb/>
sind größtentheils Karikaturen: Millet, Salmon, Desvaux.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_800"> Ein eigenthümliches Talent ist Adolphe Breton, der sich, wie Courbet.<lb/>
die Darstellung des niederen Lebens in selner ganz zufälligen Wirklichkeit zum<lb/>
Grundsatz macht, ober durch freie, warme Lichtstimmungen und einen leisen<lb/>
sentimentalen Anflug, den er seinen Gestalten zu geben weiß, eine Art poetischer<lb/>
Wirkung erreicht. Er entnimmt seine Motive der mühsamen Thätigkeit des<lb/>
Landmannes; aber das Ganze wirkt in der vollen Glas der Mittagssonne<lb/>
oder dem warmen Dämmerschein des Abendlichts wie ein wehmüthiges Idyll,<lb/>
und seine Bäuerinnen sehen nicht selten aus, wie wenn sie um ihre Noth<lb/>
wüßten und bisweilen wol auch, ähnlich wie die Landmüdchen der Georges<lb/>
Sand, einer gewissen Gefühlsschwärmerei nicht abgeneigt wären. Nicht zu<lb/>
vergessen ist, daß diese Realisten in allen äußeren Mitteln der Darstellung<lb/>
Wohl bewandert sind und vornehmlich durch eine kräftige Behandlung der Lo-<lb/>
caifarben und eine geschickte Anwendung der Contraste einen lebhaften male¬<lb/>
rischen Effect zu erreichen wissen. &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_801"> (Schluß der Artikel in nächstem Heft)</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0271] schichtliche Vergangenheit die Greifbarkeit der Gegenwart hervorheben, die Behandlung lehnte sich gegen das Recht des Ideals und der Schönheit ans und erklärte die geistlose Realität der untersten Gattung für das Künstlerische. Bis zu diesem Extrem war in seinem einseitigen Verlaufe der Realismus ge¬ kommen, der in Gäricault vom leidenschaftlichen Pathos ausgegangen war. Courbet und seine Nachfolger vergessen, daß auch die Malerei eine Kunst des Scheins ist und daß selbst das Gemeine bei seinem Durchgang durch die Phantasie den verklärenden Hauch des menschlichen Geistes empfängt; will dieser in das Materielle ganz aufgehen, so ist das einfach ein Widerspruch, an dem schließlich die ganze Richtung zerschellt. Courbet wurde denn auch, nachdem er noch mehrere Bilder von jener Art gemalt hatte, der Sache müde und zeigt nun sein Talent in einer zwar derb-realistischen, aber breiten und lebendigen Behandlung der Landschaft und des Thierlebens. Seine Nachfolger sind größtentheils Karikaturen: Millet, Salmon, Desvaux. Ein eigenthümliches Talent ist Adolphe Breton, der sich, wie Courbet. die Darstellung des niederen Lebens in selner ganz zufälligen Wirklichkeit zum Grundsatz macht, ober durch freie, warme Lichtstimmungen und einen leisen sentimentalen Anflug, den er seinen Gestalten zu geben weiß, eine Art poetischer Wirkung erreicht. Er entnimmt seine Motive der mühsamen Thätigkeit des Landmannes; aber das Ganze wirkt in der vollen Glas der Mittagssonne oder dem warmen Dämmerschein des Abendlichts wie ein wehmüthiges Idyll, und seine Bäuerinnen sehen nicht selten aus, wie wenn sie um ihre Noth wüßten und bisweilen wol auch, ähnlich wie die Landmüdchen der Georges Sand, einer gewissen Gefühlsschwärmerei nicht abgeneigt wären. Nicht zu vergessen ist, daß diese Realisten in allen äußeren Mitteln der Darstellung Wohl bewandert sind und vornehmlich durch eine kräftige Behandlung der Lo- caifarben und eine geschickte Anwendung der Contraste einen lebhaften male¬ rischen Effect zu erreichen wissen. — (Schluß der Artikel in nächstem Heft)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/271
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/271>, abgerufen am 23.07.2024.