Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.ob sie sentimental oder fröhlich werden, ist ganz gleichgültig: immer ist Es kann nicht Wunder nehmen, daß sich die vornehme Welt aus dieser Es bleibt uns noch die Betrachtung derjenigen Genremaler übrig, die ob sie sentimental oder fröhlich werden, ist ganz gleichgültig: immer ist Es kann nicht Wunder nehmen, daß sich die vornehme Welt aus dieser Es bleibt uns noch die Betrachtung derjenigen Genremaler übrig, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0266" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112774"/> <p xml:id="ID_784" prev="#ID_783"> ob sie sentimental oder fröhlich werden, ist ganz gleichgültig: immer ist<lb/> ihnen die rosige Seifenglätte des Fleisches und der funkelnagelneue Schimmer<lb/> der Stoffe die Hauptsache. Was den Ausdruck anlangt, so wird Heiterkeit<lb/> durch Lächeln mit einer Reihe von Perlenzähnen, Schmerz durch unmenschlich<lb/> rührenden Augenaufschlag bezeichnet. Weder in dem einen noch andern Falle<lb/> ist ein Fünkchen Seele in den Personen, und man begreift nicht recht, wie sie<lb/> sich bewegen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_785"> Es kann nicht Wunder nehmen, daß sich die vornehme Welt aus dieser<lb/> Klasse ihre Portraitmaler holt, die beiden Dubufe und Winterhalter; ganz so,<lb/> wie sie sich im Spiegel sieht, ganz so wissen diese Maler sie darzustellen, nur<lb/> noch etwas verwaschener. Was das Portrait überhaupt betrifft, so ließe<lb/> sich dabei allein ein langes Klagelied über die heruntergekommene Kunst an¬<lb/> stimmen. Entweder es gibt fast keine Individuen mehr, die in ihrer bloßen<lb/> Erscheinung die Bewegtheit und den Wurf eines inneren tüchtigen Lebens<lb/> haben, welche die Festigkeit ihres so oder so bestimmten Charakters an der<lb/> Stirne tragen und in deren Augen doch die Ruhe und der Frieden des allge¬<lb/> mein Menschlichen ist: oder die Kunst versteht es nicht mehr, die Menschen<lb/> so zu erfassen. Hoffentlich nur das Letztere. Die breite und große Art. das<lb/> Individuum in seiner Besonderheit und doch wieder in der Allgemeinheit seines<lb/> geistigen Lebens zu sehen, diese Art, welche die alten Deutschen. Italiener<lb/> und Niederländer gemein haben, scheint verloren zu sein. Nur Ingres, seine<lb/> Schule und Delaroche machen hier und da eine Ausnahme; aber der mächtige<lb/> Zug der unbewußten Lebensfülle ist doch auch in ihren Bildern nicht. Von<lb/> den eigentlichen Portraitmalern ist es fast nur Ricard, der bisweilen mit<lb/> coloristischer Wärme die Individualität aus ihrer T>efe heraus zu geben<lb/> sucht; aber durch das Bestreben, die individuelle Lebensfarbe durch aparte<lb/> Proceduren herauszubringen, erhält die Erscheinung etwas Unfreies und Ge¬<lb/> machtes. —</p><lb/> <p xml:id="ID_786" next="#ID_787"> Es bleibt uns noch die Betrachtung derjenigen Genremaler übrig, die<lb/> ihre Stoffe der gegenwärtigen Wirklichkeit entnehmen. Schon öfters<lb/> ist der Ungunst der modernen Culturformen gedacht; mit der knappen mürrischen<lb/> Sitte und der unmalerischen Erscheinung der höheren Stände kann der Maler<lb/> wenig anfangen. Man sieht denn auch wenig Versuche der Art (Toul-<lb/> mouche); rührende Familienbegebenheiten aus der bürgerlichen Sphäre, wie<lb/> sie in früheren Jahren von dem älteren Duval le Camus, Grenier,<lb/> Destouches, Lesorre nicht ohne Erfolg dargestellt wurden, sind aus der<lb/> Mode gekommen. Ein ausgiebigeres Bild bieten die niederen Stunde, das<lb/> Leben des Volkes. Es handelt sich hier nicht um die absichtliche, anspruchs¬<lb/> volle Darstellung der platten Wirklichkeit; sondern der Künstler will dieses<lb/> einfache, beschränkte Dasein schildern, weil es sich doch noch malerischer an-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0266]
ob sie sentimental oder fröhlich werden, ist ganz gleichgültig: immer ist
ihnen die rosige Seifenglätte des Fleisches und der funkelnagelneue Schimmer
der Stoffe die Hauptsache. Was den Ausdruck anlangt, so wird Heiterkeit
durch Lächeln mit einer Reihe von Perlenzähnen, Schmerz durch unmenschlich
rührenden Augenaufschlag bezeichnet. Weder in dem einen noch andern Falle
ist ein Fünkchen Seele in den Personen, und man begreift nicht recht, wie sie
sich bewegen können.
Es kann nicht Wunder nehmen, daß sich die vornehme Welt aus dieser
Klasse ihre Portraitmaler holt, die beiden Dubufe und Winterhalter; ganz so,
wie sie sich im Spiegel sieht, ganz so wissen diese Maler sie darzustellen, nur
noch etwas verwaschener. Was das Portrait überhaupt betrifft, so ließe
sich dabei allein ein langes Klagelied über die heruntergekommene Kunst an¬
stimmen. Entweder es gibt fast keine Individuen mehr, die in ihrer bloßen
Erscheinung die Bewegtheit und den Wurf eines inneren tüchtigen Lebens
haben, welche die Festigkeit ihres so oder so bestimmten Charakters an der
Stirne tragen und in deren Augen doch die Ruhe und der Frieden des allge¬
mein Menschlichen ist: oder die Kunst versteht es nicht mehr, die Menschen
so zu erfassen. Hoffentlich nur das Letztere. Die breite und große Art. das
Individuum in seiner Besonderheit und doch wieder in der Allgemeinheit seines
geistigen Lebens zu sehen, diese Art, welche die alten Deutschen. Italiener
und Niederländer gemein haben, scheint verloren zu sein. Nur Ingres, seine
Schule und Delaroche machen hier und da eine Ausnahme; aber der mächtige
Zug der unbewußten Lebensfülle ist doch auch in ihren Bildern nicht. Von
den eigentlichen Portraitmalern ist es fast nur Ricard, der bisweilen mit
coloristischer Wärme die Individualität aus ihrer T>efe heraus zu geben
sucht; aber durch das Bestreben, die individuelle Lebensfarbe durch aparte
Proceduren herauszubringen, erhält die Erscheinung etwas Unfreies und Ge¬
machtes. —
Es bleibt uns noch die Betrachtung derjenigen Genremaler übrig, die
ihre Stoffe der gegenwärtigen Wirklichkeit entnehmen. Schon öfters
ist der Ungunst der modernen Culturformen gedacht; mit der knappen mürrischen
Sitte und der unmalerischen Erscheinung der höheren Stände kann der Maler
wenig anfangen. Man sieht denn auch wenig Versuche der Art (Toul-
mouche); rührende Familienbegebenheiten aus der bürgerlichen Sphäre, wie
sie in früheren Jahren von dem älteren Duval le Camus, Grenier,
Destouches, Lesorre nicht ohne Erfolg dargestellt wurden, sind aus der
Mode gekommen. Ein ausgiebigeres Bild bieten die niederen Stunde, das
Leben des Volkes. Es handelt sich hier nicht um die absichtliche, anspruchs¬
volle Darstellung der platten Wirklichkeit; sondern der Künstler will dieses
einfache, beschränkte Dasein schildern, weil es sich doch noch malerischer an-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |