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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Mannschaften. Durchgängig sind es solche Leute, welche durch eine längere
Dienstzeit sich eine Anstellung im Civilstaatsdienst erwerben wollen. Sie dienen
deshalb im Durchschnitt 12 Jahre, und nur wenige lassen sich durch eine mo¬
mentan gute Stellung verleiten, länger zu dienen. Für Keinen aber von
ihnen bildet es die Berufsstellung. Die ganze Zukunft des Unteroffiziers
liegt bei uns außerhalb seiner momentanen militärischen Thätigkeit, und das
ist ein großer Uebelstand im ganzen Organismus der Armee. -- Bei den
großen Anforderungen, welche die neuere Fecbtcut an die Selbständigkeit der
einzelnen Soldaten macht, ist es von der größten Wichtigkeit, daß der dem
Soldaten nächststehende Vorgesetzte, welcher selbst bei den kleinsten Abtheilun¬
gen zur Geltung kommt. Triebkraft hat, Lust zum Handeln besitzt, durch Ehr¬
gefühl und Ehrgeiz geleitet wird. -- Die kleinen Feldzüge der Jahre 1848
und 1849 haben aber gezeigt, daß der Infanterie-Unteroffizier, weicher für
das tactische Element der wichtigste ist, jener nothwendigen Eigenschaften mit
seltenen Ausnahmen entbehrt. Wenn er für seinen momentanen Beruf
sein Leben einsetzt, verliert er seine Zukunft und gewinnt Nichts. Höchstens
erhält er eine Medaille.

Wollen wir den Jnfantericunteroffizicr im Schützengefecht brauchbar
machen, wollen wir sicher sein, daß unsere Schützenlinien lebendige, im Geist
des Ganzen wirkende Größen sind, so müssen wir dem Unteroffizier auch in
seinem Stande eine Zukunft zeigen. Er muß Offizier werden können, er muß
das Kreuz eben so gut für seine Leistungen verdienen können, wie der Offi¬
zier. Die Reorganisation mußte das vorsehen, mußte im Frieden schon die
Bildung der Unteroffiziere sichern, den Unteroffizier zum Soldaten machen.
Wie das zu erreichen ist, will ich weiter unten andeuten.

Die Ergänzung der Offiziere.

Unser Offiziercorps bildet sich im Allgemeinen aus den Söhnen von Of¬
fizieren, aus dem unbemittelten Adel und aus den Familien des Beamten¬
standes. -- Alle diese Klassen sind berufen mehr Werth auf innere Ehrenhaf¬
tigkeit, als auf äußere materielle Bordseite zu legen. -- Ehr- und Pflichtge¬
fühl sollen die leitenden Principien für ihre Handlungsweise bilden, und diese
allein befähigen im Einerlei des Friedcnsdienstes (wie in der Beschwerlichkeit
des Kriegslcbens), von der eigenen Person abzusehen und nur für das Ganze
zu sorgen, die Leistung immer dem eigenen Wohlbefinden vorzuziehen, in dem
Wohle seiner Leute den größten Gewinn zu suchen. So manche Klagen auch
im Volk gegen den Offizier und seine änßere Stellung erhoben werden, so
wird doch im Ganzen anerkannt, daß der in unserem Offiziercorps lebende
Geist ein würdiger ist, in welchem die größte Garantie dafür liegt, daß die
Armee selbst nach langem Frieden mit Ehren vor dem Feinde bestehen kann.
Von einzelnen Ausschreitungen des Corpsgefühls, welche grade jetzt mehrfach


Mannschaften. Durchgängig sind es solche Leute, welche durch eine längere
Dienstzeit sich eine Anstellung im Civilstaatsdienst erwerben wollen. Sie dienen
deshalb im Durchschnitt 12 Jahre, und nur wenige lassen sich durch eine mo¬
mentan gute Stellung verleiten, länger zu dienen. Für Keinen aber von
ihnen bildet es die Berufsstellung. Die ganze Zukunft des Unteroffiziers
liegt bei uns außerhalb seiner momentanen militärischen Thätigkeit, und das
ist ein großer Uebelstand im ganzen Organismus der Armee. — Bei den
großen Anforderungen, welche die neuere Fecbtcut an die Selbständigkeit der
einzelnen Soldaten macht, ist es von der größten Wichtigkeit, daß der dem
Soldaten nächststehende Vorgesetzte, welcher selbst bei den kleinsten Abtheilun¬
gen zur Geltung kommt. Triebkraft hat, Lust zum Handeln besitzt, durch Ehr¬
gefühl und Ehrgeiz geleitet wird. — Die kleinen Feldzüge der Jahre 1848
und 1849 haben aber gezeigt, daß der Infanterie-Unteroffizier, weicher für
das tactische Element der wichtigste ist, jener nothwendigen Eigenschaften mit
seltenen Ausnahmen entbehrt. Wenn er für seinen momentanen Beruf
sein Leben einsetzt, verliert er seine Zukunft und gewinnt Nichts. Höchstens
erhält er eine Medaille.

Wollen wir den Jnfantericunteroffizicr im Schützengefecht brauchbar
machen, wollen wir sicher sein, daß unsere Schützenlinien lebendige, im Geist
des Ganzen wirkende Größen sind, so müssen wir dem Unteroffizier auch in
seinem Stande eine Zukunft zeigen. Er muß Offizier werden können, er muß
das Kreuz eben so gut für seine Leistungen verdienen können, wie der Offi¬
zier. Die Reorganisation mußte das vorsehen, mußte im Frieden schon die
Bildung der Unteroffiziere sichern, den Unteroffizier zum Soldaten machen.
Wie das zu erreichen ist, will ich weiter unten andeuten.

Die Ergänzung der Offiziere.

Unser Offiziercorps bildet sich im Allgemeinen aus den Söhnen von Of¬
fizieren, aus dem unbemittelten Adel und aus den Familien des Beamten¬
standes. — Alle diese Klassen sind berufen mehr Werth auf innere Ehrenhaf¬
tigkeit, als auf äußere materielle Bordseite zu legen. — Ehr- und Pflichtge¬
fühl sollen die leitenden Principien für ihre Handlungsweise bilden, und diese
allein befähigen im Einerlei des Friedcnsdienstes (wie in der Beschwerlichkeit
des Kriegslcbens), von der eigenen Person abzusehen und nur für das Ganze
zu sorgen, die Leistung immer dem eigenen Wohlbefinden vorzuziehen, in dem
Wohle seiner Leute den größten Gewinn zu suchen. So manche Klagen auch
im Volk gegen den Offizier und seine änßere Stellung erhoben werden, so
wird doch im Ganzen anerkannt, daß der in unserem Offiziercorps lebende
Geist ein würdiger ist, in welchem die größte Garantie dafür liegt, daß die
Armee selbst nach langem Frieden mit Ehren vor dem Feinde bestehen kann.
Von einzelnen Ausschreitungen des Corpsgefühls, welche grade jetzt mehrfach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/24>, abgerufen am 27.12.2024.