Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Organisation der preußischen Armee.

Da die Geldfrage der neuen preußischen Heereseinrichtung in der nächsten
Sitzung voraussichtlich wieder die Kammern beschäftigen wird, so theilt die
Redaction im Folgenden eine Lösung der obschwebenden Differenzen mit, welche
sowohl der Negierung als den Finanzkräften des Staats willkommen sein
sollte. Daß der Aufsatz aus der Feder eines competenten Beurtheilers ist,
wird dem Leser nicht zweifelhaft bleiben. --

Sie wollen von mir ein Urtheil über die Reorganisation der preußischen
Armee haben. Sie wollen vor allen Dingen die Frage beantwortet wissen, ob
die Noihwendigkeit der Reorganisation auch nothwendig die große dafür ge¬
forderte alljährliche Summe bedingt.

Meine Ansicht ist. daß die Reorganisation eine durchaus richtige und in
den Verhältnissen begründete war; daß die Ausgaben aber beschränkt werden
können, ohne das Resultat zu beeinträchtigen. Ich will versuchen, diese Be¬
hauptung durch Betrachtung folgender Punkte zu rechtfertigen.

1) Ist es zweckmäßig, daß das Ergänzungswesen für das Offizier- und
Unteroffiziercorps, sowie auch für die Leute dasselbe geblieben ist?
2) Konnte man nicht durch eine Veränderung der Ausbildungsweise eine
Verringerung der Dienstzeit und dadurch eine bedeutende Verminderung der
Kosten herbeiführen?
3) Ist in den Etatserhöhungen der Waffen im Allgemeinen das richtige
Maaß gegriffen worden?

Das Ergänzungswesen der preußischen Armee. Die allgemeine
Militärdienstpflicht jedes Preußen muß in socialer wie in rein militärischer
Beziehung als durchaus richtig anerkannt werden.

In socialer Beziehung, weil ein Jeder an der Ehre, welche in der Ver¬
theidigung von Staat und Gesellschaft liegt, ganz gleichen Antheil nimmt,
die Last aber nach Verhältniß seines Vermögens und seiner privaten Stellung
empfindet und trügt. In militärischer Beziehung muß unsere Ergänzungsweise
ebenso als ausgezeichnet bezeichnet werden, weil sie der Armee nicht nur ein
stets hinreichendes, sondern auch das kräftigste und intelligenteste Material
liefert; weil die Armee, der Repräsentant der Kraft eines Landes, mit der
Bevölkerung Eins ist.

Die Ergänzung unseres Unteroffizicrstcindes erfolgt einerseits durch Staats¬
erziehung aus den Schulabtheilungen, zum größten Theil aber aus den


Zur Organisation der preußischen Armee.

Da die Geldfrage der neuen preußischen Heereseinrichtung in der nächsten
Sitzung voraussichtlich wieder die Kammern beschäftigen wird, so theilt die
Redaction im Folgenden eine Lösung der obschwebenden Differenzen mit, welche
sowohl der Negierung als den Finanzkräften des Staats willkommen sein
sollte. Daß der Aufsatz aus der Feder eines competenten Beurtheilers ist,
wird dem Leser nicht zweifelhaft bleiben. —

Sie wollen von mir ein Urtheil über die Reorganisation der preußischen
Armee haben. Sie wollen vor allen Dingen die Frage beantwortet wissen, ob
die Noihwendigkeit der Reorganisation auch nothwendig die große dafür ge¬
forderte alljährliche Summe bedingt.

Meine Ansicht ist. daß die Reorganisation eine durchaus richtige und in
den Verhältnissen begründete war; daß die Ausgaben aber beschränkt werden
können, ohne das Resultat zu beeinträchtigen. Ich will versuchen, diese Be¬
hauptung durch Betrachtung folgender Punkte zu rechtfertigen.

1) Ist es zweckmäßig, daß das Ergänzungswesen für das Offizier- und
Unteroffiziercorps, sowie auch für die Leute dasselbe geblieben ist?
2) Konnte man nicht durch eine Veränderung der Ausbildungsweise eine
Verringerung der Dienstzeit und dadurch eine bedeutende Verminderung der
Kosten herbeiführen?
3) Ist in den Etatserhöhungen der Waffen im Allgemeinen das richtige
Maaß gegriffen worden?

Das Ergänzungswesen der preußischen Armee. Die allgemeine
Militärdienstpflicht jedes Preußen muß in socialer wie in rein militärischer
Beziehung als durchaus richtig anerkannt werden.

In socialer Beziehung, weil ein Jeder an der Ehre, welche in der Ver¬
theidigung von Staat und Gesellschaft liegt, ganz gleichen Antheil nimmt,
die Last aber nach Verhältniß seines Vermögens und seiner privaten Stellung
empfindet und trügt. In militärischer Beziehung muß unsere Ergänzungsweise
ebenso als ausgezeichnet bezeichnet werden, weil sie der Armee nicht nur ein
stets hinreichendes, sondern auch das kräftigste und intelligenteste Material
liefert; weil die Armee, der Repräsentant der Kraft eines Landes, mit der
Bevölkerung Eins ist.

Die Ergänzung unseres Unteroffizicrstcindes erfolgt einerseits durch Staats¬
erziehung aus den Schulabtheilungen, zum größten Theil aber aus den


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0023" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112531"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Zur Organisation der preußischen Armee.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_26"> Da die Geldfrage der neuen preußischen Heereseinrichtung in der nächsten<lb/>
Sitzung voraussichtlich wieder die Kammern beschäftigen wird, so theilt die<lb/>
Redaction im Folgenden eine Lösung der obschwebenden Differenzen mit, welche<lb/>
sowohl der Negierung als den Finanzkräften des Staats willkommen sein<lb/>
sollte. Daß der Aufsatz aus der Feder eines competenten Beurtheilers ist,<lb/>
wird dem Leser nicht zweifelhaft bleiben. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_27"> Sie wollen von mir ein Urtheil über die Reorganisation der preußischen<lb/>
Armee haben. Sie wollen vor allen Dingen die Frage beantwortet wissen, ob<lb/>
die Noihwendigkeit der Reorganisation auch nothwendig die große dafür ge¬<lb/>
forderte alljährliche Summe bedingt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_28"> Meine Ansicht ist. daß die Reorganisation eine durchaus richtige und in<lb/>
den Verhältnissen begründete war; daß die Ausgaben aber beschränkt werden<lb/>
können, ohne das Resultat zu beeinträchtigen. Ich will versuchen, diese Be¬<lb/>
hauptung durch Betrachtung folgender Punkte zu rechtfertigen.</p><lb/>
          <list>
            <item> 1) Ist es zweckmäßig, daß das Ergänzungswesen für das Offizier- und<lb/>
Unteroffiziercorps, sowie auch für die Leute dasselbe geblieben ist?</item>
            <item> 2) Konnte man nicht durch eine Veränderung der Ausbildungsweise eine<lb/>
Verringerung der Dienstzeit und dadurch eine bedeutende Verminderung der<lb/>
Kosten herbeiführen?</item>
            <item> 3) Ist in den Etatserhöhungen der Waffen im Allgemeinen das richtige<lb/>
Maaß gegriffen worden?</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_29"> Das Ergänzungswesen der preußischen Armee. Die allgemeine<lb/>
Militärdienstpflicht jedes Preußen muß in socialer wie in rein militärischer<lb/>
Beziehung als durchaus richtig anerkannt werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_30"> In socialer Beziehung, weil ein Jeder an der Ehre, welche in der Ver¬<lb/>
theidigung von Staat und Gesellschaft liegt, ganz gleichen Antheil nimmt,<lb/>
die Last aber nach Verhältniß seines Vermögens und seiner privaten Stellung<lb/>
empfindet und trügt. In militärischer Beziehung muß unsere Ergänzungsweise<lb/>
ebenso als ausgezeichnet bezeichnet werden, weil sie der Armee nicht nur ein<lb/>
stets hinreichendes, sondern auch das kräftigste und intelligenteste Material<lb/>
liefert; weil die Armee, der Repräsentant der Kraft eines Landes, mit der<lb/>
Bevölkerung Eins ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_31" next="#ID_32"> Die Ergänzung unseres Unteroffizicrstcindes erfolgt einerseits durch Staats¬<lb/>
erziehung aus den Schulabtheilungen, zum größten Theil aber aus den</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0023] Zur Organisation der preußischen Armee. Da die Geldfrage der neuen preußischen Heereseinrichtung in der nächsten Sitzung voraussichtlich wieder die Kammern beschäftigen wird, so theilt die Redaction im Folgenden eine Lösung der obschwebenden Differenzen mit, welche sowohl der Negierung als den Finanzkräften des Staats willkommen sein sollte. Daß der Aufsatz aus der Feder eines competenten Beurtheilers ist, wird dem Leser nicht zweifelhaft bleiben. — Sie wollen von mir ein Urtheil über die Reorganisation der preußischen Armee haben. Sie wollen vor allen Dingen die Frage beantwortet wissen, ob die Noihwendigkeit der Reorganisation auch nothwendig die große dafür ge¬ forderte alljährliche Summe bedingt. Meine Ansicht ist. daß die Reorganisation eine durchaus richtige und in den Verhältnissen begründete war; daß die Ausgaben aber beschränkt werden können, ohne das Resultat zu beeinträchtigen. Ich will versuchen, diese Be¬ hauptung durch Betrachtung folgender Punkte zu rechtfertigen. 1) Ist es zweckmäßig, daß das Ergänzungswesen für das Offizier- und Unteroffiziercorps, sowie auch für die Leute dasselbe geblieben ist? 2) Konnte man nicht durch eine Veränderung der Ausbildungsweise eine Verringerung der Dienstzeit und dadurch eine bedeutende Verminderung der Kosten herbeiführen? 3) Ist in den Etatserhöhungen der Waffen im Allgemeinen das richtige Maaß gegriffen worden? Das Ergänzungswesen der preußischen Armee. Die allgemeine Militärdienstpflicht jedes Preußen muß in socialer wie in rein militärischer Beziehung als durchaus richtig anerkannt werden. In socialer Beziehung, weil ein Jeder an der Ehre, welche in der Ver¬ theidigung von Staat und Gesellschaft liegt, ganz gleichen Antheil nimmt, die Last aber nach Verhältniß seines Vermögens und seiner privaten Stellung empfindet und trügt. In militärischer Beziehung muß unsere Ergänzungsweise ebenso als ausgezeichnet bezeichnet werden, weil sie der Armee nicht nur ein stets hinreichendes, sondern auch das kräftigste und intelligenteste Material liefert; weil die Armee, der Repräsentant der Kraft eines Landes, mit der Bevölkerung Eins ist. Die Ergänzung unseres Unteroffizicrstcindes erfolgt einerseits durch Staats¬ erziehung aus den Schulabtheilungen, zum größten Theil aber aus den

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/23
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/23>, abgerufen am 27.12.2024.