Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und in der Literatur schon ihre Triumphe feierte, --> wir erinnern nur an
Lamennais, Lacordaire, Montalembert -- that das Uebrige. Fast schien es.
wie wenn die religiöse Malerei einen neuen Aufschwung nehmen sollte; die
Zöglinge der römischen Schule schickten keine mythologischen Darstelln "gen
mehr nach Paris, sondern nur noch Märtyrer und Heilige. Kein Wunder,
daß die Kunst, da es auch ihr ziemlich Ernst war, sich nach einem Vorbilde
umsah, das ihr die abhanden gekommene Frömmigkeit wieder übermitteln
könnte. Und gerade der Ingreö'schen Kunst, welche "ut den Italienern ver¬
traut war und sich im Gebiete des Idealen bewegte, lag diese Rückkehr am
nächsten.

Emma nuet Amaury-Duo al ist der bedeutendste Vertreter dieser Reac¬
tion. Schon in seinen ersten religiösen Arbeiten verräth sich eine einseitige
Hinneigung zu Fiesole. In den Gemälden, die er dann in der Kirche Saint-
Merry Anfang der vierziger Jahre, (das Leben der heiligen Philomme) und
in anderen, die er etwas später in der Kirche von Samt-Germain-en - Laye
ausführte, trat die alt-italienische Richtung entschieden und offen hervor. Die
Gestalten sind absichtlich wenig bewegt, sie sollen von einer sanften Ruhe wie
gebunden und in einer idealen Ferne abgewendet von der heißen Fülle der
Wirklichkeit ein stilles Leben sür sich zu führen scheinen. Eine ähnliche Rich¬
tung zeigen die geringeren Arbeiten von Louis Mottez, einem andern
Schüler Ingres', in der Kirche Saint-Germain l'Auxerrois. Und da die Zeit
überhaupt der strengen kirchlichen Malerei sich zuwandte, trafen hier mit den
Schülern von Ingres einige Meister aus den Schulen von Gros und Gu6rin
in verwandten Bestrebungen zusammen. Insbesondere sind es die drei Maler
Adolphe Roger, Alphonse Perim und Victor Orsel. welche in ihren
monumentalen Werten auf die Anschauungsweise Fiesole's und Masaccio's zu¬
rückzugehen versuchte" (in der Kirche Notre Dame de Lorette), ohne deshalb
die modernen Ansprüche auf Formvollendung aufzugeben. Victor Orsel
war von ihnen der begabteste. In seinen früheren Bildern (dem Werke von
1830 "die Tochter Pharaonis bittet bei ihrem Vater für den kleinen Moses"
erweist Waagen doch zu viel Ehre, indem er es eines der schönsten Bilder der
modernen französischen Schule nennt), welche eine tüchtige künstlerische Bildung
zeigen, ist eine ernste historische Anschauungsweise, und an den spätern Ge¬
mälden merkt man wohl, daß er sich in die alten Italiener mit ganzer Seele
einzuleben suchte. Ein gewisses Verdienst läßt sich allen diesen Werken nicht
absprechen, und vor den übrigen meistens flüchtig und decorationsmäßig ge¬
machten kirchlichen Malereien der Neuzeit zeichnen sie sich durch eine gewisse
Tüchtigkeit der Auffassung und Ausführung aus. Aber der frommen Empfin-
dungsweise. welche von der Kunst zugleich mit den alten Italienern zu Grabe
getragen ist. läßt sich uun einmal der Hauch des Lebens nicht wieder ein-
'< ' . > .töLl .VI ""toÄjlinT


und in der Literatur schon ihre Triumphe feierte, —> wir erinnern nur an
Lamennais, Lacordaire, Montalembert — that das Uebrige. Fast schien es.
wie wenn die religiöse Malerei einen neuen Aufschwung nehmen sollte; die
Zöglinge der römischen Schule schickten keine mythologischen Darstelln »gen
mehr nach Paris, sondern nur noch Märtyrer und Heilige. Kein Wunder,
daß die Kunst, da es auch ihr ziemlich Ernst war, sich nach einem Vorbilde
umsah, das ihr die abhanden gekommene Frömmigkeit wieder übermitteln
könnte. Und gerade der Ingreö'schen Kunst, welche »ut den Italienern ver¬
traut war und sich im Gebiete des Idealen bewegte, lag diese Rückkehr am
nächsten.

Emma nuet Amaury-Duo al ist der bedeutendste Vertreter dieser Reac¬
tion. Schon in seinen ersten religiösen Arbeiten verräth sich eine einseitige
Hinneigung zu Fiesole. In den Gemälden, die er dann in der Kirche Saint-
Merry Anfang der vierziger Jahre, (das Leben der heiligen Philomme) und
in anderen, die er etwas später in der Kirche von Samt-Germain-en - Laye
ausführte, trat die alt-italienische Richtung entschieden und offen hervor. Die
Gestalten sind absichtlich wenig bewegt, sie sollen von einer sanften Ruhe wie
gebunden und in einer idealen Ferne abgewendet von der heißen Fülle der
Wirklichkeit ein stilles Leben sür sich zu führen scheinen. Eine ähnliche Rich¬
tung zeigen die geringeren Arbeiten von Louis Mottez, einem andern
Schüler Ingres', in der Kirche Saint-Germain l'Auxerrois. Und da die Zeit
überhaupt der strengen kirchlichen Malerei sich zuwandte, trafen hier mit den
Schülern von Ingres einige Meister aus den Schulen von Gros und Gu6rin
in verwandten Bestrebungen zusammen. Insbesondere sind es die drei Maler
Adolphe Roger, Alphonse Perim und Victor Orsel. welche in ihren
monumentalen Werten auf die Anschauungsweise Fiesole's und Masaccio's zu¬
rückzugehen versuchte» (in der Kirche Notre Dame de Lorette), ohne deshalb
die modernen Ansprüche auf Formvollendung aufzugeben. Victor Orsel
war von ihnen der begabteste. In seinen früheren Bildern (dem Werke von
1830 „die Tochter Pharaonis bittet bei ihrem Vater für den kleinen Moses"
erweist Waagen doch zu viel Ehre, indem er es eines der schönsten Bilder der
modernen französischen Schule nennt), welche eine tüchtige künstlerische Bildung
zeigen, ist eine ernste historische Anschauungsweise, und an den spätern Ge¬
mälden merkt man wohl, daß er sich in die alten Italiener mit ganzer Seele
einzuleben suchte. Ein gewisses Verdienst läßt sich allen diesen Werken nicht
absprechen, und vor den übrigen meistens flüchtig und decorationsmäßig ge¬
machten kirchlichen Malereien der Neuzeit zeichnen sie sich durch eine gewisse
Tüchtigkeit der Auffassung und Ausführung aus. Aber der frommen Empfin-
dungsweise. welche von der Kunst zugleich mit den alten Italienern zu Grabe
getragen ist. läßt sich uun einmal der Hauch des Lebens nicht wieder ein-
'< ' . > .töLl .VI «»toÄjlinT


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0180" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112688"/>
            <p xml:id="ID_536" prev="#ID_535"> und in der Literatur schon ihre Triumphe feierte, &#x2014;&gt; wir erinnern nur an<lb/>
Lamennais, Lacordaire, Montalembert &#x2014; that das Uebrige. Fast schien es.<lb/>
wie wenn die religiöse Malerei einen neuen Aufschwung nehmen sollte; die<lb/>
Zöglinge der römischen Schule schickten keine mythologischen Darstelln »gen<lb/>
mehr nach Paris, sondern nur noch Märtyrer und Heilige. Kein Wunder,<lb/>
daß die Kunst, da es auch ihr ziemlich Ernst war, sich nach einem Vorbilde<lb/>
umsah, das ihr die abhanden gekommene Frömmigkeit wieder übermitteln<lb/>
könnte. Und gerade der Ingreö'schen Kunst, welche »ut den Italienern ver¬<lb/>
traut war und sich im Gebiete des Idealen bewegte, lag diese Rückkehr am<lb/>
nächsten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_537" next="#ID_538"> Emma nuet Amaury-Duo al ist der bedeutendste Vertreter dieser Reac¬<lb/>
tion. Schon in seinen ersten religiösen Arbeiten verräth sich eine einseitige<lb/>
Hinneigung zu Fiesole. In den Gemälden, die er dann in der Kirche Saint-<lb/>
Merry Anfang der vierziger Jahre, (das Leben der heiligen Philomme) und<lb/>
in anderen, die er etwas später in der Kirche von Samt-Germain-en - Laye<lb/>
ausführte, trat die alt-italienische Richtung entschieden und offen hervor. Die<lb/>
Gestalten sind absichtlich wenig bewegt, sie sollen von einer sanften Ruhe wie<lb/>
gebunden und in einer idealen Ferne abgewendet von der heißen Fülle der<lb/>
Wirklichkeit ein stilles Leben sür sich zu führen scheinen. Eine ähnliche Rich¬<lb/>
tung zeigen die geringeren Arbeiten von Louis Mottez, einem andern<lb/>
Schüler Ingres', in der Kirche Saint-Germain l'Auxerrois. Und da die Zeit<lb/>
überhaupt der strengen kirchlichen Malerei sich zuwandte, trafen hier mit den<lb/>
Schülern von Ingres einige Meister aus den Schulen von Gros und Gu6rin<lb/>
in verwandten Bestrebungen zusammen. Insbesondere sind es die drei Maler<lb/>
Adolphe Roger, Alphonse Perim und Victor Orsel. welche in ihren<lb/>
monumentalen Werten auf die Anschauungsweise Fiesole's und Masaccio's zu¬<lb/>
rückzugehen versuchte» (in der Kirche Notre Dame de Lorette), ohne deshalb<lb/>
die modernen Ansprüche auf Formvollendung aufzugeben. Victor Orsel<lb/>
war von ihnen der begabteste. In seinen früheren Bildern (dem Werke von<lb/>
1830 &#x201E;die Tochter Pharaonis bittet bei ihrem Vater für den kleinen Moses"<lb/>
erweist Waagen doch zu viel Ehre, indem er es eines der schönsten Bilder der<lb/>
modernen französischen Schule nennt), welche eine tüchtige künstlerische Bildung<lb/>
zeigen, ist eine ernste historische Anschauungsweise, und an den spätern Ge¬<lb/>
mälden merkt man wohl, daß er sich in die alten Italiener mit ganzer Seele<lb/>
einzuleben suchte. Ein gewisses Verdienst läßt sich allen diesen Werken nicht<lb/>
absprechen, und vor den übrigen meistens flüchtig und decorationsmäßig ge¬<lb/>
machten kirchlichen Malereien der Neuzeit zeichnen sie sich durch eine gewisse<lb/>
Tüchtigkeit der Auffassung und Ausführung aus. Aber der frommen Empfin-<lb/>
dungsweise. welche von der Kunst zugleich mit den alten Italienern zu Grabe<lb/>
getragen ist. läßt sich uun einmal der Hauch des Lebens nicht wieder ein-<lb/>
'&lt;   ' . &gt; .töLl .VI «»toÄjlinT</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0180] und in der Literatur schon ihre Triumphe feierte, —> wir erinnern nur an Lamennais, Lacordaire, Montalembert — that das Uebrige. Fast schien es. wie wenn die religiöse Malerei einen neuen Aufschwung nehmen sollte; die Zöglinge der römischen Schule schickten keine mythologischen Darstelln »gen mehr nach Paris, sondern nur noch Märtyrer und Heilige. Kein Wunder, daß die Kunst, da es auch ihr ziemlich Ernst war, sich nach einem Vorbilde umsah, das ihr die abhanden gekommene Frömmigkeit wieder übermitteln könnte. Und gerade der Ingreö'schen Kunst, welche »ut den Italienern ver¬ traut war und sich im Gebiete des Idealen bewegte, lag diese Rückkehr am nächsten. Emma nuet Amaury-Duo al ist der bedeutendste Vertreter dieser Reac¬ tion. Schon in seinen ersten religiösen Arbeiten verräth sich eine einseitige Hinneigung zu Fiesole. In den Gemälden, die er dann in der Kirche Saint- Merry Anfang der vierziger Jahre, (das Leben der heiligen Philomme) und in anderen, die er etwas später in der Kirche von Samt-Germain-en - Laye ausführte, trat die alt-italienische Richtung entschieden und offen hervor. Die Gestalten sind absichtlich wenig bewegt, sie sollen von einer sanften Ruhe wie gebunden und in einer idealen Ferne abgewendet von der heißen Fülle der Wirklichkeit ein stilles Leben sür sich zu führen scheinen. Eine ähnliche Rich¬ tung zeigen die geringeren Arbeiten von Louis Mottez, einem andern Schüler Ingres', in der Kirche Saint-Germain l'Auxerrois. Und da die Zeit überhaupt der strengen kirchlichen Malerei sich zuwandte, trafen hier mit den Schülern von Ingres einige Meister aus den Schulen von Gros und Gu6rin in verwandten Bestrebungen zusammen. Insbesondere sind es die drei Maler Adolphe Roger, Alphonse Perim und Victor Orsel. welche in ihren monumentalen Werten auf die Anschauungsweise Fiesole's und Masaccio's zu¬ rückzugehen versuchte» (in der Kirche Notre Dame de Lorette), ohne deshalb die modernen Ansprüche auf Formvollendung aufzugeben. Victor Orsel war von ihnen der begabteste. In seinen früheren Bildern (dem Werke von 1830 „die Tochter Pharaonis bittet bei ihrem Vater für den kleinen Moses" erweist Waagen doch zu viel Ehre, indem er es eines der schönsten Bilder der modernen französischen Schule nennt), welche eine tüchtige künstlerische Bildung zeigen, ist eine ernste historische Anschauungsweise, und an den spätern Ge¬ mälden merkt man wohl, daß er sich in die alten Italiener mit ganzer Seele einzuleben suchte. Ein gewisses Verdienst läßt sich allen diesen Werken nicht absprechen, und vor den übrigen meistens flüchtig und decorationsmäßig ge¬ machten kirchlichen Malereien der Neuzeit zeichnen sie sich durch eine gewisse Tüchtigkeit der Auffassung und Ausführung aus. Aber der frommen Empfin- dungsweise. welche von der Kunst zugleich mit den alten Italienern zu Grabe getragen ist. läßt sich uun einmal der Hauch des Lebens nicht wieder ein- '< ' . > .töLl .VI «»toÄjlinT

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/180
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/180>, abgerufen am 28.12.2024.