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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Engländer, Schweden, Spanier, Italiener, Franzosen, Ungarn und Dalmatier
in den Reihen der preußischen Armee -- unberechenbare Summen kosteten,
so veranlaßten die Uebergriffe der Werber auch oft die verdrießlichsten Händel,
die den König in verschiedenen Fällen selbst in Kriege mit Staaten fast ver¬
wickelt hätten, mit denen er in anderer Beziehung gerade in friedlichsten Ver¬
kehr zu bleiben bemüht war. So wäre es, als im Jahre 1723 preußische
Werber einen Bauer von einem Gute des General Flemming, Bruder des
sächsischen Ministers, und 1731 einen andern von den Gütern des polnischen
Starosten Mielski gewaltsam wegnahmen, beinahe zum Kriege mit dem Könige
von Polen und Kurfürsten von Sachsen gekommen, und als in Sachsen ein
preußischer, Werbeoffizier, der Capitän von Rasener, ergriffen und zum Tode
verurtheilt wurde, bewirkte Friedrich Wilhelm seine Rettung nur dadurch, daß
er dem sächsischen Gesandten Suhen durch den Minister von Katsch ganz
kategorisch sagen ließ, daß, wenn das Urtheil vollzogen würde, er ihn, den
Gesandten, werde hängen lassen, eine Drohung, die im Jahre 1734 an zwei
holländischen Unteroffizieren, die die Grenze überschritten hatten, wirklich voll¬
zogen wurde, als Wiedervergeltung für die im vergangenen Jahre durch die
Generalstaaten vollzogene standrechtliche Erschießung des preußischen Werbe-
offiziers Wollschläger, der einen langen holländischen Soldaten zur Desertion
verleitet hatte. Ebenso lief der König Gefahr von dem Papst in den Bann ge¬
than zu werden, als aus wahrhaft romanhafte Weise ein preußischer Major
sich verkleidet nach Rom begab, um einen Mönch, von dessen riesenhafter
Leibeslänge der Ruf bis nach Preußen gedrungen war, zur Flucht aus seinem
Kloster und zum Eintritt als Grenadier in die Leibgarde zu überreden, was
ihm auch wirklich gelang; desgleichen als ein Kapuziner aus Italien, der im
Lande umherzog, um Beitrüge zum Türkenkriege einzusammeln, ohne Weiteres
als gemeiner Reiter in das Regiment des Fürsten von Anhalt gesteckt wurde.

Es ließen sich noch unzählige Beispiele von den Uebergriffen bei den aus¬
ländischen Werbungen anführen, ich glaube indeß schon genug darüber ange¬
deutet zu haben, um nunmehr zu einer andern Art des Ersatzes überzugehen,
welcher der König geradere schönsten Leute für seine Garde verdankte. Es
waren dies diejenigen Mannschaften, welche dem Könige durch auswärtige
Monarchen geschenkt wurden; und jedes Cabinet. das mit dem preußischen
in irgend welche Verbindung zu treten wünschte, suchte zunächst des Königs
Geneigtheit durch Uebersendung einer Anzahl Riesen zu gewinnen. Kaiser
Peter der Erste schenkte dem Könige 150 lange Soldaten und fuhr alljährlich
damit fort, um dagegen eine Anzahl Klingenschmiede, Polirer und Härter
aus Westphalen zu erlangen, welche ihm die jetzt weltberühmte Gewehrfabrik


Engländer, Schweden, Spanier, Italiener, Franzosen, Ungarn und Dalmatier
in den Reihen der preußischen Armee — unberechenbare Summen kosteten,
so veranlaßten die Uebergriffe der Werber auch oft die verdrießlichsten Händel,
die den König in verschiedenen Fällen selbst in Kriege mit Staaten fast ver¬
wickelt hätten, mit denen er in anderer Beziehung gerade in friedlichsten Ver¬
kehr zu bleiben bemüht war. So wäre es, als im Jahre 1723 preußische
Werber einen Bauer von einem Gute des General Flemming, Bruder des
sächsischen Ministers, und 1731 einen andern von den Gütern des polnischen
Starosten Mielski gewaltsam wegnahmen, beinahe zum Kriege mit dem Könige
von Polen und Kurfürsten von Sachsen gekommen, und als in Sachsen ein
preußischer, Werbeoffizier, der Capitän von Rasener, ergriffen und zum Tode
verurtheilt wurde, bewirkte Friedrich Wilhelm seine Rettung nur dadurch, daß
er dem sächsischen Gesandten Suhen durch den Minister von Katsch ganz
kategorisch sagen ließ, daß, wenn das Urtheil vollzogen würde, er ihn, den
Gesandten, werde hängen lassen, eine Drohung, die im Jahre 1734 an zwei
holländischen Unteroffizieren, die die Grenze überschritten hatten, wirklich voll¬
zogen wurde, als Wiedervergeltung für die im vergangenen Jahre durch die
Generalstaaten vollzogene standrechtliche Erschießung des preußischen Werbe-
offiziers Wollschläger, der einen langen holländischen Soldaten zur Desertion
verleitet hatte. Ebenso lief der König Gefahr von dem Papst in den Bann ge¬
than zu werden, als aus wahrhaft romanhafte Weise ein preußischer Major
sich verkleidet nach Rom begab, um einen Mönch, von dessen riesenhafter
Leibeslänge der Ruf bis nach Preußen gedrungen war, zur Flucht aus seinem
Kloster und zum Eintritt als Grenadier in die Leibgarde zu überreden, was
ihm auch wirklich gelang; desgleichen als ein Kapuziner aus Italien, der im
Lande umherzog, um Beitrüge zum Türkenkriege einzusammeln, ohne Weiteres
als gemeiner Reiter in das Regiment des Fürsten von Anhalt gesteckt wurde.

Es ließen sich noch unzählige Beispiele von den Uebergriffen bei den aus¬
ländischen Werbungen anführen, ich glaube indeß schon genug darüber ange¬
deutet zu haben, um nunmehr zu einer andern Art des Ersatzes überzugehen,
welcher der König geradere schönsten Leute für seine Garde verdankte. Es
waren dies diejenigen Mannschaften, welche dem Könige durch auswärtige
Monarchen geschenkt wurden; und jedes Cabinet. das mit dem preußischen
in irgend welche Verbindung zu treten wünschte, suchte zunächst des Königs
Geneigtheit durch Uebersendung einer Anzahl Riesen zu gewinnen. Kaiser
Peter der Erste schenkte dem Könige 150 lange Soldaten und fuhr alljährlich
damit fort, um dagegen eine Anzahl Klingenschmiede, Polirer und Härter
aus Westphalen zu erlangen, welche ihm die jetzt weltberühmte Gewehrfabrik


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[0128] Engländer, Schweden, Spanier, Italiener, Franzosen, Ungarn und Dalmatier in den Reihen der preußischen Armee — unberechenbare Summen kosteten, so veranlaßten die Uebergriffe der Werber auch oft die verdrießlichsten Händel, die den König in verschiedenen Fällen selbst in Kriege mit Staaten fast ver¬ wickelt hätten, mit denen er in anderer Beziehung gerade in friedlichsten Ver¬ kehr zu bleiben bemüht war. So wäre es, als im Jahre 1723 preußische Werber einen Bauer von einem Gute des General Flemming, Bruder des sächsischen Ministers, und 1731 einen andern von den Gütern des polnischen Starosten Mielski gewaltsam wegnahmen, beinahe zum Kriege mit dem Könige von Polen und Kurfürsten von Sachsen gekommen, und als in Sachsen ein preußischer, Werbeoffizier, der Capitän von Rasener, ergriffen und zum Tode verurtheilt wurde, bewirkte Friedrich Wilhelm seine Rettung nur dadurch, daß er dem sächsischen Gesandten Suhen durch den Minister von Katsch ganz kategorisch sagen ließ, daß, wenn das Urtheil vollzogen würde, er ihn, den Gesandten, werde hängen lassen, eine Drohung, die im Jahre 1734 an zwei holländischen Unteroffizieren, die die Grenze überschritten hatten, wirklich voll¬ zogen wurde, als Wiedervergeltung für die im vergangenen Jahre durch die Generalstaaten vollzogene standrechtliche Erschießung des preußischen Werbe- offiziers Wollschläger, der einen langen holländischen Soldaten zur Desertion verleitet hatte. Ebenso lief der König Gefahr von dem Papst in den Bann ge¬ than zu werden, als aus wahrhaft romanhafte Weise ein preußischer Major sich verkleidet nach Rom begab, um einen Mönch, von dessen riesenhafter Leibeslänge der Ruf bis nach Preußen gedrungen war, zur Flucht aus seinem Kloster und zum Eintritt als Grenadier in die Leibgarde zu überreden, was ihm auch wirklich gelang; desgleichen als ein Kapuziner aus Italien, der im Lande umherzog, um Beitrüge zum Türkenkriege einzusammeln, ohne Weiteres als gemeiner Reiter in das Regiment des Fürsten von Anhalt gesteckt wurde. Es ließen sich noch unzählige Beispiele von den Uebergriffen bei den aus¬ ländischen Werbungen anführen, ich glaube indeß schon genug darüber ange¬ deutet zu haben, um nunmehr zu einer andern Art des Ersatzes überzugehen, welcher der König geradere schönsten Leute für seine Garde verdankte. Es waren dies diejenigen Mannschaften, welche dem Könige durch auswärtige Monarchen geschenkt wurden; und jedes Cabinet. das mit dem preußischen in irgend welche Verbindung zu treten wünschte, suchte zunächst des Königs Geneigtheit durch Uebersendung einer Anzahl Riesen zu gewinnen. Kaiser Peter der Erste schenkte dem Könige 150 lange Soldaten und fuhr alljährlich damit fort, um dagegen eine Anzahl Klingenschmiede, Polirer und Härter aus Westphalen zu erlangen, welche ihm die jetzt weltberühmte Gewehrfabrik

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/128>, abgerufen am 23.07.2024.