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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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die Leistungen, zu denen wir anfänglich uns erboten hatten, von uns abzu¬
wälzen gesucht. Der Senat, von reichsstädtischen Souveränetätsschwindel er¬
füllt, habe sich gegen preußische Führung gesträubt, man habe sich hinter den
Bundestag zu stecken gesucht; man habe, um nur keine Kanonenboote bauen
zu müssen, den Bau von Fregatten gefordert; man habe in der Presse die
uns angesonnene Last als eine unerschwingliche dargestellt. Allein alle diese
Anschuldigungen sind einfach unwahr.

Was zunächst den behaupteten Souveränetätsschwindel betrifft, so ist da¬
rüber Folgendes zu bemerken. Ursprünglich herrschte sowol in Preußen wie
in den Städten die Idee vor, die künftige Nordseeflotille solle aus Contin-
genten der einzelnen Staaten bestehen. Noch die Erklärung der Bremischen
Bürgerschaft ging von diesem Gedanken aus. Jeder Staat baute danach selbst
seine Schiffe, unterhielt und bemannte sie selbst, und nur eine gewisse äußere
Organisation vereinigte die verschiedenen Flottenabtheilungen zu einer Art
von Einheit, ähnlich wie im Bundesheere die Brigaden und Divisionen der
verschiedenen "Kriegsherren" sich zu einem Armeecorps vereinigen. Nur daß
im Kriegsfalle Preußen den Oberbefehl über die Seemacht führen werde, ward
von vorn herein ausgemacht. Was that nun dieser Idee gegenüber der Bre¬
mische Senat? Sagte er. daß sie zu weit gehe, zu tief in seine Regierungs¬
rechte eingreife? Nein, er sagte: diese Idee geht nicht weit genug. Preußen
muß nicht allein im Kriege, sondern auch im Frieden die Marine in der Hand
haben. Bei einer Zersplitterung der Kräfte in einzelne Contingente kommt
nie so viel heraus, wie bei einer einheitlichen Leitung und Verwaltung; in
kleinen und engen Verhältnissen kann ein tüchtiger Seedienst nur schwer, nur
unvollkommen sich entwickeln; innerhalb einer Min iaturflotille. wie Bremen
sie doch immer nur stellen könnte, verkümmert -- namentlich in langen Frie¬
densjahren -- der kriegerische Geist und der Trieb technischer Vervollkomm¬
nung; darum ist es besser, kurz und gut durch alle theoretischen
Souverän etätsbedenken einen Strich zu machen und das bremische
Flottencontingent der preußischen Marine, nicht äußerlich anzu¬
schließen, sondern gänzlich einzuverleiben. Preußen ist in Sachen
der Marine der factische Vertreter Deutschlands und Bremen mag
sich so zu ihm stellen, wie die deutsche Stadt zu einem deutschen Scemini-
sterium stehen würde. Im Interesse der Sache verzichten wir gern auf unsere
selbstherrlichen Rechte; so weit es an uns liegt, erkennen wir in der preußi¬
schen die deutsche Marine, und wir sind bereit demgemäß zu handeln. "Sah
das der Herrschsucht wol an Cäsar gleich?" Ist dieses Progamm ein Zeichen
von engherzigen Particularismus, von übertriebenen Souveränetätsschwindel?
Wenn einige Wochen erforderlich gewesen sind, um für diesen Schritt das er¬
forderliche Terrain zu gewinnen, kann man sagen, daß diese Wochen für die


die Leistungen, zu denen wir anfänglich uns erboten hatten, von uns abzu¬
wälzen gesucht. Der Senat, von reichsstädtischen Souveränetätsschwindel er¬
füllt, habe sich gegen preußische Führung gesträubt, man habe sich hinter den
Bundestag zu stecken gesucht; man habe, um nur keine Kanonenboote bauen
zu müssen, den Bau von Fregatten gefordert; man habe in der Presse die
uns angesonnene Last als eine unerschwingliche dargestellt. Allein alle diese
Anschuldigungen sind einfach unwahr.

Was zunächst den behaupteten Souveränetätsschwindel betrifft, so ist da¬
rüber Folgendes zu bemerken. Ursprünglich herrschte sowol in Preußen wie
in den Städten die Idee vor, die künftige Nordseeflotille solle aus Contin-
genten der einzelnen Staaten bestehen. Noch die Erklärung der Bremischen
Bürgerschaft ging von diesem Gedanken aus. Jeder Staat baute danach selbst
seine Schiffe, unterhielt und bemannte sie selbst, und nur eine gewisse äußere
Organisation vereinigte die verschiedenen Flottenabtheilungen zu einer Art
von Einheit, ähnlich wie im Bundesheere die Brigaden und Divisionen der
verschiedenen „Kriegsherren" sich zu einem Armeecorps vereinigen. Nur daß
im Kriegsfalle Preußen den Oberbefehl über die Seemacht führen werde, ward
von vorn herein ausgemacht. Was that nun dieser Idee gegenüber der Bre¬
mische Senat? Sagte er. daß sie zu weit gehe, zu tief in seine Regierungs¬
rechte eingreife? Nein, er sagte: diese Idee geht nicht weit genug. Preußen
muß nicht allein im Kriege, sondern auch im Frieden die Marine in der Hand
haben. Bei einer Zersplitterung der Kräfte in einzelne Contingente kommt
nie so viel heraus, wie bei einer einheitlichen Leitung und Verwaltung; in
kleinen und engen Verhältnissen kann ein tüchtiger Seedienst nur schwer, nur
unvollkommen sich entwickeln; innerhalb einer Min iaturflotille. wie Bremen
sie doch immer nur stellen könnte, verkümmert — namentlich in langen Frie¬
densjahren — der kriegerische Geist und der Trieb technischer Vervollkomm¬
nung; darum ist es besser, kurz und gut durch alle theoretischen
Souverän etätsbedenken einen Strich zu machen und das bremische
Flottencontingent der preußischen Marine, nicht äußerlich anzu¬
schließen, sondern gänzlich einzuverleiben. Preußen ist in Sachen
der Marine der factische Vertreter Deutschlands und Bremen mag
sich so zu ihm stellen, wie die deutsche Stadt zu einem deutschen Scemini-
sterium stehen würde. Im Interesse der Sache verzichten wir gern auf unsere
selbstherrlichen Rechte; so weit es an uns liegt, erkennen wir in der preußi¬
schen die deutsche Marine, und wir sind bereit demgemäß zu handeln. „Sah
das der Herrschsucht wol an Cäsar gleich?" Ist dieses Progamm ein Zeichen
von engherzigen Particularismus, von übertriebenen Souveränetätsschwindel?
Wenn einige Wochen erforderlich gewesen sind, um für diesen Schritt das er¬
forderliche Terrain zu gewinnen, kann man sagen, daß diese Wochen für die


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[0104] die Leistungen, zu denen wir anfänglich uns erboten hatten, von uns abzu¬ wälzen gesucht. Der Senat, von reichsstädtischen Souveränetätsschwindel er¬ füllt, habe sich gegen preußische Führung gesträubt, man habe sich hinter den Bundestag zu stecken gesucht; man habe, um nur keine Kanonenboote bauen zu müssen, den Bau von Fregatten gefordert; man habe in der Presse die uns angesonnene Last als eine unerschwingliche dargestellt. Allein alle diese Anschuldigungen sind einfach unwahr. Was zunächst den behaupteten Souveränetätsschwindel betrifft, so ist da¬ rüber Folgendes zu bemerken. Ursprünglich herrschte sowol in Preußen wie in den Städten die Idee vor, die künftige Nordseeflotille solle aus Contin- genten der einzelnen Staaten bestehen. Noch die Erklärung der Bremischen Bürgerschaft ging von diesem Gedanken aus. Jeder Staat baute danach selbst seine Schiffe, unterhielt und bemannte sie selbst, und nur eine gewisse äußere Organisation vereinigte die verschiedenen Flottenabtheilungen zu einer Art von Einheit, ähnlich wie im Bundesheere die Brigaden und Divisionen der verschiedenen „Kriegsherren" sich zu einem Armeecorps vereinigen. Nur daß im Kriegsfalle Preußen den Oberbefehl über die Seemacht führen werde, ward von vorn herein ausgemacht. Was that nun dieser Idee gegenüber der Bre¬ mische Senat? Sagte er. daß sie zu weit gehe, zu tief in seine Regierungs¬ rechte eingreife? Nein, er sagte: diese Idee geht nicht weit genug. Preußen muß nicht allein im Kriege, sondern auch im Frieden die Marine in der Hand haben. Bei einer Zersplitterung der Kräfte in einzelne Contingente kommt nie so viel heraus, wie bei einer einheitlichen Leitung und Verwaltung; in kleinen und engen Verhältnissen kann ein tüchtiger Seedienst nur schwer, nur unvollkommen sich entwickeln; innerhalb einer Min iaturflotille. wie Bremen sie doch immer nur stellen könnte, verkümmert — namentlich in langen Frie¬ densjahren — der kriegerische Geist und der Trieb technischer Vervollkomm¬ nung; darum ist es besser, kurz und gut durch alle theoretischen Souverän etätsbedenken einen Strich zu machen und das bremische Flottencontingent der preußischen Marine, nicht äußerlich anzu¬ schließen, sondern gänzlich einzuverleiben. Preußen ist in Sachen der Marine der factische Vertreter Deutschlands und Bremen mag sich so zu ihm stellen, wie die deutsche Stadt zu einem deutschen Scemini- sterium stehen würde. Im Interesse der Sache verzichten wir gern auf unsere selbstherrlichen Rechte; so weit es an uns liegt, erkennen wir in der preußi¬ schen die deutsche Marine, und wir sind bereit demgemäß zu handeln. „Sah das der Herrschsucht wol an Cäsar gleich?" Ist dieses Progamm ein Zeichen von engherzigen Particularismus, von übertriebenen Souveränetätsschwindel? Wenn einige Wochen erforderlich gewesen sind, um für diesen Schritt das er¬ forderliche Terrain zu gewinnen, kann man sagen, daß diese Wochen für die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/104>, abgerufen am 28.12.2024.