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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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grünt aus; allein geradezu komisch ist es, wenn man diese Theilung der Po¬
lizeigewalt auf wissenschaftliche Principien zurückführen will.

Man theilt sie in Sicherheits- und Wohlsahrtspolizei, als wenn Sicher¬
heit und Wohlfarth sich logisch gegenüberstellen ließen, und die Sicherheit
nicht vielmehr in der Wohlfahrt Inbegriffen wäre; die erste, sagt man, käme
dem Staate als ein Recht zu, und habe mit dem Communalangeicgenheiten
nichts zu thun, die zweite könne man den Gemeinden überlassen. Aber auch
ein nur oberflächlicher Blick auf die zwischen Sicherheits- und Wohlfahrts¬
polizeipflege getrennten Geschäftszweige zeigt sofort, daß hier eng verwachsene
Gegenstände auf die verkehrteste und unnatürlichste Weise auseinander gerissen
sind. Da gehört das Avmenwesen und die dazu gehörige Polizei vor die
Stadt-, die eng damit zusammenhängende Bettler- und Vagabundenpolizei so¬
wie die Aufsicht über die Ziehkinder vor die Staatsbehörde. Ebenso auf
papierne, die lebendigen und thatsächlichen Verhältnisse in die Augen schla¬
gende Weise ist die Straßenpolizei getheilt, von der Gewerbspolizei und Auf¬
sicht über die Innungen das damit verbundene Paß- und Legitimationswesen,
von der Aufsicht über Wirths- und Schenkhäuser die Fremdenpolizei, von der
Feuerpolizei die Beaufsichtigung der Feuerwerke u. s. w. getrennt, und die
Führung der Einwohnerlrsten. deren die Stadtbehörde bei ihren Geschäften
stündlich benöthigt ist, der Staatspolizei überwiesen. Man wird einhalten,
daß ja dasselbe in Preußen, Hessen, Bayern, Hannover, Oestreich auch statt¬
finde, und daß in Sachsen insbesondere nach §. 252 der Allgemienen Städte¬
ordnung der Stadtrath die Polizei nur im Auftrage der Staatsgewalt aus¬
übe. Wir entgegnen, wer den wahren Fortschritt im Staatsleben will, darf
nicht schlechte Institutionen deshalb in Schutz nehmen, weil sie allgemein ver¬
breitet sind, und bekannt ist, welche unablässige Klagen auch in Preußens
Städten über die k. Polizeidirectionm ertönen, wie sie einen fortwährenden
Anlaß zu Streitigkeiten zwischen dieser und dem Magistrat bilden. Wir fin¬
den in dieser Theilung der Polizeigewalt eine unnütze Häufung der Geschäfte
und eine Incommodirung des Publicums, welches vorkommenden Falls oft
nicht weiß, wohin es sich wenden soll und von einer Stelle zur andern ge¬
schickt wird. Ferner entsteht daraus durch die nothwendigerweise vielfach
vorkommenden Korrespondenzen zwischen beiden Polizeibehörden eine Vermeh-
rung der Vielschreibern, und in Folge dessen der Beamten. Endlich aber ist
diese Einrichtung eine unversiegbare Quelle von Hader und Zwist zwischen
Stadt- und Staatsbehörde und eine traurige Schwächung der Autorität
des Raths, welcher nach der Natur und dem Gesetze die Obrigkeit der Stadt
sein soll. Es können eben nicht zwei Obrigkeiten in einer Gemeinde bestehen.
-- Ap^Lallemand in seinem Buche über deutsches Gaunerwesen sagt sehr rich¬
tig: "Die gesammte Polizei ist eine so durchaus untheilbare Wissenschaft, daß


grünt aus; allein geradezu komisch ist es, wenn man diese Theilung der Po¬
lizeigewalt auf wissenschaftliche Principien zurückführen will.

Man theilt sie in Sicherheits- und Wohlsahrtspolizei, als wenn Sicher¬
heit und Wohlfarth sich logisch gegenüberstellen ließen, und die Sicherheit
nicht vielmehr in der Wohlfahrt Inbegriffen wäre; die erste, sagt man, käme
dem Staate als ein Recht zu, und habe mit dem Communalangeicgenheiten
nichts zu thun, die zweite könne man den Gemeinden überlassen. Aber auch
ein nur oberflächlicher Blick auf die zwischen Sicherheits- und Wohlfahrts¬
polizeipflege getrennten Geschäftszweige zeigt sofort, daß hier eng verwachsene
Gegenstände auf die verkehrteste und unnatürlichste Weise auseinander gerissen
sind. Da gehört das Avmenwesen und die dazu gehörige Polizei vor die
Stadt-, die eng damit zusammenhängende Bettler- und Vagabundenpolizei so¬
wie die Aufsicht über die Ziehkinder vor die Staatsbehörde. Ebenso auf
papierne, die lebendigen und thatsächlichen Verhältnisse in die Augen schla¬
gende Weise ist die Straßenpolizei getheilt, von der Gewerbspolizei und Auf¬
sicht über die Innungen das damit verbundene Paß- und Legitimationswesen,
von der Aufsicht über Wirths- und Schenkhäuser die Fremdenpolizei, von der
Feuerpolizei die Beaufsichtigung der Feuerwerke u. s. w. getrennt, und die
Führung der Einwohnerlrsten. deren die Stadtbehörde bei ihren Geschäften
stündlich benöthigt ist, der Staatspolizei überwiesen. Man wird einhalten,
daß ja dasselbe in Preußen, Hessen, Bayern, Hannover, Oestreich auch statt¬
finde, und daß in Sachsen insbesondere nach §. 252 der Allgemienen Städte¬
ordnung der Stadtrath die Polizei nur im Auftrage der Staatsgewalt aus¬
übe. Wir entgegnen, wer den wahren Fortschritt im Staatsleben will, darf
nicht schlechte Institutionen deshalb in Schutz nehmen, weil sie allgemein ver¬
breitet sind, und bekannt ist, welche unablässige Klagen auch in Preußens
Städten über die k. Polizeidirectionm ertönen, wie sie einen fortwährenden
Anlaß zu Streitigkeiten zwischen dieser und dem Magistrat bilden. Wir fin¬
den in dieser Theilung der Polizeigewalt eine unnütze Häufung der Geschäfte
und eine Incommodirung des Publicums, welches vorkommenden Falls oft
nicht weiß, wohin es sich wenden soll und von einer Stelle zur andern ge¬
schickt wird. Ferner entsteht daraus durch die nothwendigerweise vielfach
vorkommenden Korrespondenzen zwischen beiden Polizeibehörden eine Vermeh-
rung der Vielschreibern, und in Folge dessen der Beamten. Endlich aber ist
diese Einrichtung eine unversiegbare Quelle von Hader und Zwist zwischen
Stadt- und Staatsbehörde und eine traurige Schwächung der Autorität
des Raths, welcher nach der Natur und dem Gesetze die Obrigkeit der Stadt
sein soll. Es können eben nicht zwei Obrigkeiten in einer Gemeinde bestehen.
— Ap^Lallemand in seinem Buche über deutsches Gaunerwesen sagt sehr rich¬
tig: „Die gesammte Polizei ist eine so durchaus untheilbare Wissenschaft, daß


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[0082] grünt aus; allein geradezu komisch ist es, wenn man diese Theilung der Po¬ lizeigewalt auf wissenschaftliche Principien zurückführen will. Man theilt sie in Sicherheits- und Wohlsahrtspolizei, als wenn Sicher¬ heit und Wohlfarth sich logisch gegenüberstellen ließen, und die Sicherheit nicht vielmehr in der Wohlfahrt Inbegriffen wäre; die erste, sagt man, käme dem Staate als ein Recht zu, und habe mit dem Communalangeicgenheiten nichts zu thun, die zweite könne man den Gemeinden überlassen. Aber auch ein nur oberflächlicher Blick auf die zwischen Sicherheits- und Wohlfahrts¬ polizeipflege getrennten Geschäftszweige zeigt sofort, daß hier eng verwachsene Gegenstände auf die verkehrteste und unnatürlichste Weise auseinander gerissen sind. Da gehört das Avmenwesen und die dazu gehörige Polizei vor die Stadt-, die eng damit zusammenhängende Bettler- und Vagabundenpolizei so¬ wie die Aufsicht über die Ziehkinder vor die Staatsbehörde. Ebenso auf papierne, die lebendigen und thatsächlichen Verhältnisse in die Augen schla¬ gende Weise ist die Straßenpolizei getheilt, von der Gewerbspolizei und Auf¬ sicht über die Innungen das damit verbundene Paß- und Legitimationswesen, von der Aufsicht über Wirths- und Schenkhäuser die Fremdenpolizei, von der Feuerpolizei die Beaufsichtigung der Feuerwerke u. s. w. getrennt, und die Führung der Einwohnerlrsten. deren die Stadtbehörde bei ihren Geschäften stündlich benöthigt ist, der Staatspolizei überwiesen. Man wird einhalten, daß ja dasselbe in Preußen, Hessen, Bayern, Hannover, Oestreich auch statt¬ finde, und daß in Sachsen insbesondere nach §. 252 der Allgemienen Städte¬ ordnung der Stadtrath die Polizei nur im Auftrage der Staatsgewalt aus¬ übe. Wir entgegnen, wer den wahren Fortschritt im Staatsleben will, darf nicht schlechte Institutionen deshalb in Schutz nehmen, weil sie allgemein ver¬ breitet sind, und bekannt ist, welche unablässige Klagen auch in Preußens Städten über die k. Polizeidirectionm ertönen, wie sie einen fortwährenden Anlaß zu Streitigkeiten zwischen dieser und dem Magistrat bilden. Wir fin¬ den in dieser Theilung der Polizeigewalt eine unnütze Häufung der Geschäfte und eine Incommodirung des Publicums, welches vorkommenden Falls oft nicht weiß, wohin es sich wenden soll und von einer Stelle zur andern ge¬ schickt wird. Ferner entsteht daraus durch die nothwendigerweise vielfach vorkommenden Korrespondenzen zwischen beiden Polizeibehörden eine Vermeh- rung der Vielschreibern, und in Folge dessen der Beamten. Endlich aber ist diese Einrichtung eine unversiegbare Quelle von Hader und Zwist zwischen Stadt- und Staatsbehörde und eine traurige Schwächung der Autorität des Raths, welcher nach der Natur und dem Gesetze die Obrigkeit der Stadt sein soll. Es können eben nicht zwei Obrigkeiten in einer Gemeinde bestehen. — Ap^Lallemand in seinem Buche über deutsches Gaunerwesen sagt sehr rich¬ tig: „Die gesammte Polizei ist eine so durchaus untheilbare Wissenschaft, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/82>, abgerufen am 03.07.2024.