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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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ängstlichen Furcht, daß die unabhängigen städtischen Beamten in Zeiten poli¬
tischer Unruhen vielleicht nicht so energisch eingreifen möchten, wie abhängige
königliche; als wenn nicht mit der wachsenden Macht auch die Freude an dem
Bestehenden, der conservative Sinn, zunähme! Als wenn nicht die alten
städtischen Magistrate Muster der Loyalität gewesen wären! Auch mag man
bei diesen königlichen Polizeiinstituten gedacht haben, daß durch die damit
herbeigeführte Vermehrung der Beamten der Staat an Stützen gewinne;
als wenn Beamte je einen Staat gestützt hätten, wenn Regierung und Volk
auseinandergefallen sind! Man sehe doch nur auf Frankreich mit seine"
Schaaren von meineidiger Beamten.

Am meisten ist in der neuern Zeit durch diese königlichen Polizeiinstitntc
Hannover in der Selbständigkeit seiner Städte gekränkt worden, und ebenso
vielfache wie bittere Klagen sind deshalb, bis jetzt jedoch vergeblich, an den
Thron gelangt. Auch in Sachsen, wo sich im Verhältniß zur Größe des Lan¬
des ein außerordentlich kräftiges Städtewesen entwickelt hat, ist diese trau¬
rige Erfindung der landesherrlichen Polizeidirectionen nicht ohne Nachcchmnng
geblieben; man hat ein solches Institut grade in der Hauptstadt, wo doch
ein unabhängiger Communalgeist den andern Städten als Muster vorleuchten
sollte, allerdings nicht mit Zwang, sondern mit Zustimmung der städtischen
Behörden eingeführt, und die Gemeinde hat sich damit die wichtigsten Attribute
der obrigkeitlichen Gewalt und der Selbstverwaltung entreißen lassen. Man
hat es geschehen lassen, daß die Stadt nicht mehr in ihren vier Pfählen Herr
ist- Man hat aber doch Seitens der Stadt dabei ein Geschäft gemacht, und
das scheint jede andere Erwägung niederzuschlagen.

In kleineren, auch einigen Mittelstädten besteht im Allgemeinen nach dem¬
selben Principe, nach welchem die Theilung der Polizeigewalt in Dresden
Zwischen Rath- und Polizeidirection vollzogen'ist, dieselbe Theilung, indem
die sogenannte Sicherheitspolizei dem Gerichtsaale übertragen und nur die
Wvhlfahrtspolizei dem Stadtrathe überlassen worden ist. Es ist auch dies
der Regierung wol nur in seltenen Fällen zur Last zu legen; theils sind meh¬
rere Stadtgemeinden zu klein und zu arm. um den vollen Polizeiauswand zu
engen, theils ist es bei Uebergnng der Stadtgerichtsbarkeit auf den Staat
aus kurzsichtiger Ersparnißsucht geschehen, daß man einen Theil der Polizei oft
mit Widerstreben der Staatsgewalt, dem Gerichtsaale, welches an die Stelle
des Stadtgerichtes trat, überwies. Es sind uns aber auch Fälle bekannt, wo
die Stadtgemeinde später in der Erkenntniß der Schäden und Nachtheile, welche
aus dieser unnatürlichen Scheidung entsprangen, die volle Polizei wieder zu
erlangen suchte, aber mit dem Bemerken abgewiesen wurde, daß man einem
Bürgermeister in politisch bewegten Zeiten nicht so viel trauen könne, als einem
königlichen Beamten. Das sieht doch wenigstens wie eine Art Nütziichteits-


ängstlichen Furcht, daß die unabhängigen städtischen Beamten in Zeiten poli¬
tischer Unruhen vielleicht nicht so energisch eingreifen möchten, wie abhängige
königliche; als wenn nicht mit der wachsenden Macht auch die Freude an dem
Bestehenden, der conservative Sinn, zunähme! Als wenn nicht die alten
städtischen Magistrate Muster der Loyalität gewesen wären! Auch mag man
bei diesen königlichen Polizeiinstituten gedacht haben, daß durch die damit
herbeigeführte Vermehrung der Beamten der Staat an Stützen gewinne;
als wenn Beamte je einen Staat gestützt hätten, wenn Regierung und Volk
auseinandergefallen sind! Man sehe doch nur auf Frankreich mit seine»
Schaaren von meineidiger Beamten.

Am meisten ist in der neuern Zeit durch diese königlichen Polizeiinstitntc
Hannover in der Selbständigkeit seiner Städte gekränkt worden, und ebenso
vielfache wie bittere Klagen sind deshalb, bis jetzt jedoch vergeblich, an den
Thron gelangt. Auch in Sachsen, wo sich im Verhältniß zur Größe des Lan¬
des ein außerordentlich kräftiges Städtewesen entwickelt hat, ist diese trau¬
rige Erfindung der landesherrlichen Polizeidirectionen nicht ohne Nachcchmnng
geblieben; man hat ein solches Institut grade in der Hauptstadt, wo doch
ein unabhängiger Communalgeist den andern Städten als Muster vorleuchten
sollte, allerdings nicht mit Zwang, sondern mit Zustimmung der städtischen
Behörden eingeführt, und die Gemeinde hat sich damit die wichtigsten Attribute
der obrigkeitlichen Gewalt und der Selbstverwaltung entreißen lassen. Man
hat es geschehen lassen, daß die Stadt nicht mehr in ihren vier Pfählen Herr
ist- Man hat aber doch Seitens der Stadt dabei ein Geschäft gemacht, und
das scheint jede andere Erwägung niederzuschlagen.

In kleineren, auch einigen Mittelstädten besteht im Allgemeinen nach dem¬
selben Principe, nach welchem die Theilung der Polizeigewalt in Dresden
Zwischen Rath- und Polizeidirection vollzogen'ist, dieselbe Theilung, indem
die sogenannte Sicherheitspolizei dem Gerichtsaale übertragen und nur die
Wvhlfahrtspolizei dem Stadtrathe überlassen worden ist. Es ist auch dies
der Regierung wol nur in seltenen Fällen zur Last zu legen; theils sind meh¬
rere Stadtgemeinden zu klein und zu arm. um den vollen Polizeiauswand zu
engen, theils ist es bei Uebergnng der Stadtgerichtsbarkeit auf den Staat
aus kurzsichtiger Ersparnißsucht geschehen, daß man einen Theil der Polizei oft
mit Widerstreben der Staatsgewalt, dem Gerichtsaale, welches an die Stelle
des Stadtgerichtes trat, überwies. Es sind uns aber auch Fälle bekannt, wo
die Stadtgemeinde später in der Erkenntniß der Schäden und Nachtheile, welche
aus dieser unnatürlichen Scheidung entsprangen, die volle Polizei wieder zu
erlangen suchte, aber mit dem Bemerken abgewiesen wurde, daß man einem
Bürgermeister in politisch bewegten Zeiten nicht so viel trauen könne, als einem
königlichen Beamten. Das sieht doch wenigstens wie eine Art Nütziichteits-


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[0081] ängstlichen Furcht, daß die unabhängigen städtischen Beamten in Zeiten poli¬ tischer Unruhen vielleicht nicht so energisch eingreifen möchten, wie abhängige königliche; als wenn nicht mit der wachsenden Macht auch die Freude an dem Bestehenden, der conservative Sinn, zunähme! Als wenn nicht die alten städtischen Magistrate Muster der Loyalität gewesen wären! Auch mag man bei diesen königlichen Polizeiinstituten gedacht haben, daß durch die damit herbeigeführte Vermehrung der Beamten der Staat an Stützen gewinne; als wenn Beamte je einen Staat gestützt hätten, wenn Regierung und Volk auseinandergefallen sind! Man sehe doch nur auf Frankreich mit seine» Schaaren von meineidiger Beamten. Am meisten ist in der neuern Zeit durch diese königlichen Polizeiinstitntc Hannover in der Selbständigkeit seiner Städte gekränkt worden, und ebenso vielfache wie bittere Klagen sind deshalb, bis jetzt jedoch vergeblich, an den Thron gelangt. Auch in Sachsen, wo sich im Verhältniß zur Größe des Lan¬ des ein außerordentlich kräftiges Städtewesen entwickelt hat, ist diese trau¬ rige Erfindung der landesherrlichen Polizeidirectionen nicht ohne Nachcchmnng geblieben; man hat ein solches Institut grade in der Hauptstadt, wo doch ein unabhängiger Communalgeist den andern Städten als Muster vorleuchten sollte, allerdings nicht mit Zwang, sondern mit Zustimmung der städtischen Behörden eingeführt, und die Gemeinde hat sich damit die wichtigsten Attribute der obrigkeitlichen Gewalt und der Selbstverwaltung entreißen lassen. Man hat es geschehen lassen, daß die Stadt nicht mehr in ihren vier Pfählen Herr ist- Man hat aber doch Seitens der Stadt dabei ein Geschäft gemacht, und das scheint jede andere Erwägung niederzuschlagen. In kleineren, auch einigen Mittelstädten besteht im Allgemeinen nach dem¬ selben Principe, nach welchem die Theilung der Polizeigewalt in Dresden Zwischen Rath- und Polizeidirection vollzogen'ist, dieselbe Theilung, indem die sogenannte Sicherheitspolizei dem Gerichtsaale übertragen und nur die Wvhlfahrtspolizei dem Stadtrathe überlassen worden ist. Es ist auch dies der Regierung wol nur in seltenen Fällen zur Last zu legen; theils sind meh¬ rere Stadtgemeinden zu klein und zu arm. um den vollen Polizeiauswand zu engen, theils ist es bei Uebergnng der Stadtgerichtsbarkeit auf den Staat aus kurzsichtiger Ersparnißsucht geschehen, daß man einen Theil der Polizei oft mit Widerstreben der Staatsgewalt, dem Gerichtsaale, welches an die Stelle des Stadtgerichtes trat, überwies. Es sind uns aber auch Fälle bekannt, wo die Stadtgemeinde später in der Erkenntniß der Schäden und Nachtheile, welche aus dieser unnatürlichen Scheidung entsprangen, die volle Polizei wieder zu erlangen suchte, aber mit dem Bemerken abgewiesen wurde, daß man einem Bürgermeister in politisch bewegten Zeiten nicht so viel trauen könne, als einem königlichen Beamten. Das sieht doch wenigstens wie eine Art Nütziichteits-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/81>, abgerufen am 03.07.2024.