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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Jahre kein Anfang mit dem Unterricht gemacht werden dürste, obgleich Quin-
tilian. der dies berichtet, schon früher, wenn anch nur spielend den Grund
legen lassen will. Auch über die Zahl der Schüler war vom Staate nichts
festgesetzt. "Ein guter Lehrer", sagt Quintilian. ..wird sich nicht mit einem
größeren Schwarm belasten, als er gewachsen ist." Derselbe Rhetor erzählt
aus seiner Schulzeit, daß es in den Schulen seiner Lehrer nicht nur verschiedene
Klassen gegeben habe, sondern daß auch alle Monate ein Certiren über die
Plätze stattgefunden habe. Unterlehrer zur Unterstützung der Hauptiehrer^wer-
den häusig erwähnt und ans ihnen ergänzte sich wol auch die Zahl der Schul-
mhaber (luäwwgistri). Der Unterricht begann, wie das ganze tägliche Leben,
noch früher am Morgen als in Athen. Martial rechnet die Schulmeister zu
den schlafranbenden Störenfrieden der Nacht:

Auch Juvenal sagt, der Grammatiker sitze von Mitternacht an. wo weder
ein Schmied nach ein Wollspinner seine Arbeit beginne, und müsse eben-
soviele Lampen riechen, als Knaben zugegen seien, so daß sein Horaz sich
färbe und sein Virgil voll schwarzen Rußes hänge!

Was die einzelnen Lehrgegenstände anlangt, so läßt es sich aus den zer¬
streuten Andeutungen nicht verkennen, daß sowol im Vergleich mit den Grie¬
chen, als auch mit der frühere" römischen Zeit unter den Kaisern bedeutende
Fortschritte gemacht worden sind, besonders in der Methodik. Beim Leseuuter-
richte ließ man zuvörderst die Namen der Buchstabe" nach ihrer Reihenfolge
lernen. Quintilian tadelt dies und will, daß zuerst die Formen der schrift¬
lichen den Kindern bekannt würden; hierzu empfiehlt er die schon vor ihm
gebrauchten elfenbeinernen oder metallenen Buchstabe" als Spielzeug. Die
Syllabirmethode scheint zu seiner Zeit allerdings üblich gewesen zu sein und
die geübteren Schüler unterstützten den Lehrer, indem sie die Sylben und Wör¬
ter den kleineren einzeln und deutlich vorsprachen. Beim Schreiben führte
der Lehrer anfangs die Hände; um aber die Kinder eher an die Züge zu ge¬
wöhnen, schlägt Quintilian Tafeln vor, auf denen die Buchstaben vertieft
wären, so daß die Hand den Gestalten folgen müßte. Die sonst übliche Schreib-
tafel war mit Wachs überzogen, und wenn später anstatt des Griffels das
Schreibrohr in die Hand genommen wurde, so pflegte man den Schülern kein
neues Papier zu geben, sondern bereits gebrauchtes und. wie gewöhnlich, bloß
auf der einen Seite beschriebenes. Zu den Vorschriften wählte man lehrreiche
Sprüche und Sentenzen, die zugleich auswendig gelernt wurden. Es gab
auch besondere Schreiblehrer (notarii). die aber mehr in der Stenographie


Jahre kein Anfang mit dem Unterricht gemacht werden dürste, obgleich Quin-
tilian. der dies berichtet, schon früher, wenn anch nur spielend den Grund
legen lassen will. Auch über die Zahl der Schüler war vom Staate nichts
festgesetzt. „Ein guter Lehrer", sagt Quintilian. ..wird sich nicht mit einem
größeren Schwarm belasten, als er gewachsen ist." Derselbe Rhetor erzählt
aus seiner Schulzeit, daß es in den Schulen seiner Lehrer nicht nur verschiedene
Klassen gegeben habe, sondern daß auch alle Monate ein Certiren über die
Plätze stattgefunden habe. Unterlehrer zur Unterstützung der Hauptiehrer^wer-
den häusig erwähnt und ans ihnen ergänzte sich wol auch die Zahl der Schul-
mhaber (luäwwgistri). Der Unterricht begann, wie das ganze tägliche Leben,
noch früher am Morgen als in Athen. Martial rechnet die Schulmeister zu
den schlafranbenden Störenfrieden der Nacht:

Auch Juvenal sagt, der Grammatiker sitze von Mitternacht an. wo weder
ein Schmied nach ein Wollspinner seine Arbeit beginne, und müsse eben-
soviele Lampen riechen, als Knaben zugegen seien, so daß sein Horaz sich
färbe und sein Virgil voll schwarzen Rußes hänge!

Was die einzelnen Lehrgegenstände anlangt, so läßt es sich aus den zer¬
streuten Andeutungen nicht verkennen, daß sowol im Vergleich mit den Grie¬
chen, als auch mit der frühere« römischen Zeit unter den Kaisern bedeutende
Fortschritte gemacht worden sind, besonders in der Methodik. Beim Leseuuter-
richte ließ man zuvörderst die Namen der Buchstabe» nach ihrer Reihenfolge
lernen. Quintilian tadelt dies und will, daß zuerst die Formen der schrift¬
lichen den Kindern bekannt würden; hierzu empfiehlt er die schon vor ihm
gebrauchten elfenbeinernen oder metallenen Buchstabe» als Spielzeug. Die
Syllabirmethode scheint zu seiner Zeit allerdings üblich gewesen zu sein und
die geübteren Schüler unterstützten den Lehrer, indem sie die Sylben und Wör¬
ter den kleineren einzeln und deutlich vorsprachen. Beim Schreiben führte
der Lehrer anfangs die Hände; um aber die Kinder eher an die Züge zu ge¬
wöhnen, schlägt Quintilian Tafeln vor, auf denen die Buchstaben vertieft
wären, so daß die Hand den Gestalten folgen müßte. Die sonst übliche Schreib-
tafel war mit Wachs überzogen, und wenn später anstatt des Griffels das
Schreibrohr in die Hand genommen wurde, so pflegte man den Schülern kein
neues Papier zu geben, sondern bereits gebrauchtes und. wie gewöhnlich, bloß
auf der einen Seite beschriebenes. Zu den Vorschriften wählte man lehrreiche
Sprüche und Sentenzen, die zugleich auswendig gelernt wurden. Es gab
auch besondere Schreiblehrer (notarii). die aber mehr in der Stenographie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/63>, abgerufen am 23.12.2024.