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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Die Thätigkeit für den Kaiser entzog David für ziemlich lange der clas¬
sischen Welt. Napoleon, der aus eigner Kraft seine Zeit zu einer weltge¬
schichtlichen machte, konnte nicht begreifen, daß sich die Kunst mit dem Alter¬
thume beschäftige: die Gegenwart, so meinte er, gebe ihr ganz andere und le¬
bendigere Stoffe. David sah in ihm. als er. erst General, siegreich aus Ita¬
lien zurückkehrte, einen echten Nachkommen der alten Helden, das classische
Profil entzückte ihn. Dazu kam. daß auch der Republikaner der inneren Ver¬
wirrung überdrüssig war; die Kunst fand bei aller Anerkennung kein rechtes
Fortkommen. Er gewöhnte sich an den Consul. dann an den Kaiser; mit
der neuen Macht schien für die Malerei eine neue Aera anzubrechen, der
Künstler fühlte sich wieder aus festem Boden. Auch spornte ihn der Vorgang
seines Schülers Gros an. der in der Darstellung vou Scenen aus dem Leben
Bonapartes glücklich gewesen war und der Kunst ein neues Feld errungen
zu haben schien. Zuerst entstand das bekannte Reiterbild Napoleons, "ruhig
auf feurigem Pferde" '-- so wollte er selber sich dargestellt sehen -- sprengt
er über die Alpen. Es ließ sich ein classischer Zug aus der Erscheinung
des Kaisers wol herausfinden, in dem edlen Gesichte ein großes Pathos sich
ausdrücken. David that hier einen glücklichen Wurf: seine idealisirende
Ucberschwenglielikcit wurde hier durch eine große, aber durchaus realistische
Natur in der Wirklichkeit festgehalten; das Bild übt, wenn auch die Bewe¬
gung des Erhabenen noch an das Theatralische streift, eine große Wirkung.
Es ist das Gegenstück zum Marat: seltsam und doch natürlich, daß derselbe
Maler den Mann des Umsturzes in dem häßlichen Krampf des Todes, und
den Herrn über Frankreich in einem erhöhten Lebensmomente mit gleich er¬
greifender Auffassung darzustellen wußte! In beiden Fällen hatte ihn der
Stoff in seiner wirklichen Bestimmtheit wahrhaft erfüllt und begeistert. --
Bemerkenswerth ist noch aus dieser Zeit das vortreffliche Porträt des Papstes
Pius des siebenten; so freilich hatte es sich für die Malerei lange nicht ge¬
troffen, daß in einer creignißschweren Zeit ein und derselbe Maler die beiden
Herren der Welt darzustellen hatte.-

Dem Porträt folgten auf Napoleons Bestellung die beiden großen Ge
wälde: Die Krönung und die Vertheilung der Adler auf dem Marsfelde
(beide in Versailles). Diese Motive waren für David weniger günstig. Der
Kaiser hatte den Pomp und Lärm eines glänzenden Hofstaates eingeführt;
der Maler sollte nun statt der classischen Form die seidenen Gewänder, den
blinkenden Schmuck und den ganzen ceremoniellen Apparat einer wenn auch
welthistorischen, doch für die Kunst ganz gleichgültigen Scene, wiedergeben. David
wählte den Moment, in welchem der Kaiser vor dem Papste, der hohen Geist¬
lichkeit und einer Versammlung von Fürsten seiner Gemahlin die Krone auf,etzt,
"ut Napoleon war mit dieser Auffassung, welche ihn zum französischen Ritter


Die Thätigkeit für den Kaiser entzog David für ziemlich lange der clas¬
sischen Welt. Napoleon, der aus eigner Kraft seine Zeit zu einer weltge¬
schichtlichen machte, konnte nicht begreifen, daß sich die Kunst mit dem Alter¬
thume beschäftige: die Gegenwart, so meinte er, gebe ihr ganz andere und le¬
bendigere Stoffe. David sah in ihm. als er. erst General, siegreich aus Ita¬
lien zurückkehrte, einen echten Nachkommen der alten Helden, das classische
Profil entzückte ihn. Dazu kam. daß auch der Republikaner der inneren Ver¬
wirrung überdrüssig war; die Kunst fand bei aller Anerkennung kein rechtes
Fortkommen. Er gewöhnte sich an den Consul. dann an den Kaiser; mit
der neuen Macht schien für die Malerei eine neue Aera anzubrechen, der
Künstler fühlte sich wieder aus festem Boden. Auch spornte ihn der Vorgang
seines Schülers Gros an. der in der Darstellung vou Scenen aus dem Leben
Bonapartes glücklich gewesen war und der Kunst ein neues Feld errungen
zu haben schien. Zuerst entstand das bekannte Reiterbild Napoleons, „ruhig
auf feurigem Pferde" '— so wollte er selber sich dargestellt sehen — sprengt
er über die Alpen. Es ließ sich ein classischer Zug aus der Erscheinung
des Kaisers wol herausfinden, in dem edlen Gesichte ein großes Pathos sich
ausdrücken. David that hier einen glücklichen Wurf: seine idealisirende
Ucberschwenglielikcit wurde hier durch eine große, aber durchaus realistische
Natur in der Wirklichkeit festgehalten; das Bild übt, wenn auch die Bewe¬
gung des Erhabenen noch an das Theatralische streift, eine große Wirkung.
Es ist das Gegenstück zum Marat: seltsam und doch natürlich, daß derselbe
Maler den Mann des Umsturzes in dem häßlichen Krampf des Todes, und
den Herrn über Frankreich in einem erhöhten Lebensmomente mit gleich er¬
greifender Auffassung darzustellen wußte! In beiden Fällen hatte ihn der
Stoff in seiner wirklichen Bestimmtheit wahrhaft erfüllt und begeistert. —
Bemerkenswerth ist noch aus dieser Zeit das vortreffliche Porträt des Papstes
Pius des siebenten; so freilich hatte es sich für die Malerei lange nicht ge¬
troffen, daß in einer creignißschweren Zeit ein und derselbe Maler die beiden
Herren der Welt darzustellen hatte.-

Dem Porträt folgten auf Napoleons Bestellung die beiden großen Ge
wälde: Die Krönung und die Vertheilung der Adler auf dem Marsfelde
(beide in Versailles). Diese Motive waren für David weniger günstig. Der
Kaiser hatte den Pomp und Lärm eines glänzenden Hofstaates eingeführt;
der Maler sollte nun statt der classischen Form die seidenen Gewänder, den
blinkenden Schmuck und den ganzen ceremoniellen Apparat einer wenn auch
welthistorischen, doch für die Kunst ganz gleichgültigen Scene, wiedergeben. David
wählte den Moment, in welchem der Kaiser vor dem Papste, der hohen Geist¬
lichkeit und einer Versammlung von Fürsten seiner Gemahlin die Krone auf,etzt,
"ut Napoleon war mit dieser Auffassung, welche ihn zum französischen Ritter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/511>, abgerufen am 23.12.2024.