Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.Aber rührend bleibt die Stelle bei alledem, und man kann die nicht Es ist sehr schade, daß von A. W. Schlegel nicht mehr Briefe vorliegen, Zum Lobe dieses Buchs will ich nichts weiter sagen. Es geht aus der Aber rührend bleibt die Stelle bei alledem, und man kann die nicht Es ist sehr schade, daß von A. W. Schlegel nicht mehr Briefe vorliegen, Zum Lobe dieses Buchs will ich nichts weiter sagen. Es geht aus der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0484" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112454"/> <p xml:id="ID_1555"> Aber rührend bleibt die Stelle bei alledem, und man kann die nicht<lb/> ausgesprochene Konsequenz: lieber Oestreicher, als gar nichts! wol begreifen.<lb/> Ueberhaupt sind Schlegel's Aufzeichnungen aus dieser spätern Periode, so viel<lb/> Verwaschenes und Abgeschmacktes auch darin vorkommt, immer noch viel in¬<lb/> haltreicher, als das geistreiche Gewäsch aus der Athenäumszeit, für welches<lb/> man hier manchen Schlüssel findet. Der Hauptwitz bestand nämlich darin,<lb/> daß man in einer kleinen Coterie sich dahin einigte, Worte in einer andern<lb/> Bedeutung zu gebrauchen, als sie im gemeinen Leben hatten, z. B. Putzscheere<lb/> zu sagen, wo man sonst Sopha sagt: — darin liegt das Geheimniß manches<lb/> speculativen Systems. Was in diesen Briefen über die Lucinde und ähnliche<lb/> Dinge gesagt wird, ist ein trostloses Gefasel: man sieht recht, wie Fr. Schle¬<lb/> gel das Gefühl seiner poetiscken Impotenz, das zuweilen recht stark hervor¬<lb/> tritt, durch hohle Rodomontaden zu übertäuben sucht. Dorothea schreibt ein¬<lb/> mal an Schleiermacher aus Jena 15. Nov. 17S9: „Novalis sieht wie ein<lb/> Geisterseher aus und hat sein ganz eigenes Wesen für sich allein, das kann<lb/> man nicht leugnen. Das Christenthum ist hier g. I'oräre an ^'our; die Her¬<lb/> ren sind etwas toll. Tieck treibt die Religion wie Schiller das Schicksal.<lb/> Hardenberg glaubt, Tieck ist ganz und gar seiner Meinung, ich will aber<lb/> wetten was Einer will, sie verstehen sich selbst nicht und einander nicht." —</p><lb/> <p xml:id="ID_1556"> Es ist sehr schade, daß von A. W. Schlegel nicht mehr Briefe vorliegen,<lb/> es wäre von großem Interesse, zu verfolgen, wie dieser äußerst verständige und<lb/> nichts weniger als excentrische Mann den Jnfluenzen seiner Umgebung so unter¬<lb/> lag, daß er auch in Zungen zu reden anfing, ja daß er es in Berlin 1804<lb/> ärger trieb, als die Andern. Wie kam Saul unter die Propheten? — Es<lb/> wäre noch Vieles anzuführen, namentlich über das Verhältniß der Schule zu<lb/> Fichte, doch breche ich ab. weil ich noch gern einige Worte über ein anderes<lb/> Buch sagen möchte, das sich gleichfalls mit diesem Gegenstand beschäftigt:<lb/> ich meine die neuen Bogen von Koberstein's Literaturgeschichte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1557" next="#ID_1558"> Zum Lobe dieses Buchs will ich nichts weiter sagen. Es geht aus der<lb/> gründlichsten und umfassendsten Belesenheit hervor, und die Anordnung des<lb/> Ganzen, sowie die Auswahl der mitgetheilten Stellen ist mit einer Umsicht<lb/> angelegt, die wenig zu wünschen übrig ließen, wenn der verehrte Verfasser nur<lb/> einmal auf die menschlichen Bedürfnisse seiner Leser Rücksicht nehmen möchte.<lb/> Um ein Buch lesen zu können, muß das Auge wenigstens irgendwo einen<lb/> Anhalt- und Ruhepunkt finden: aber hier laufen Text und Anmerkungen so<lb/> bunt durch einander, daß ein sehr guter Wille dazu gehört, sich zu orientiren.<lb/> Und es ist sehr schade darum, denn es ist ein wahrer Schatz von Wissen und<lb/> gesunder Einsicht in diesem Buch. Möchte Koberstein wenigstens einem Be¬<lb/> dürfniß des Publicums Rechnung tragen, das mir sehr gerechtfertigt erscheint,<lb/> dem Bedürfniß, sich die Bücher einbinden zu lassen. Irgendwo wird sich doch</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0484]
Aber rührend bleibt die Stelle bei alledem, und man kann die nicht
ausgesprochene Konsequenz: lieber Oestreicher, als gar nichts! wol begreifen.
Ueberhaupt sind Schlegel's Aufzeichnungen aus dieser spätern Periode, so viel
Verwaschenes und Abgeschmacktes auch darin vorkommt, immer noch viel in¬
haltreicher, als das geistreiche Gewäsch aus der Athenäumszeit, für welches
man hier manchen Schlüssel findet. Der Hauptwitz bestand nämlich darin,
daß man in einer kleinen Coterie sich dahin einigte, Worte in einer andern
Bedeutung zu gebrauchen, als sie im gemeinen Leben hatten, z. B. Putzscheere
zu sagen, wo man sonst Sopha sagt: — darin liegt das Geheimniß manches
speculativen Systems. Was in diesen Briefen über die Lucinde und ähnliche
Dinge gesagt wird, ist ein trostloses Gefasel: man sieht recht, wie Fr. Schle¬
gel das Gefühl seiner poetiscken Impotenz, das zuweilen recht stark hervor¬
tritt, durch hohle Rodomontaden zu übertäuben sucht. Dorothea schreibt ein¬
mal an Schleiermacher aus Jena 15. Nov. 17S9: „Novalis sieht wie ein
Geisterseher aus und hat sein ganz eigenes Wesen für sich allein, das kann
man nicht leugnen. Das Christenthum ist hier g. I'oräre an ^'our; die Her¬
ren sind etwas toll. Tieck treibt die Religion wie Schiller das Schicksal.
Hardenberg glaubt, Tieck ist ganz und gar seiner Meinung, ich will aber
wetten was Einer will, sie verstehen sich selbst nicht und einander nicht." —
Es ist sehr schade, daß von A. W. Schlegel nicht mehr Briefe vorliegen,
es wäre von großem Interesse, zu verfolgen, wie dieser äußerst verständige und
nichts weniger als excentrische Mann den Jnfluenzen seiner Umgebung so unter¬
lag, daß er auch in Zungen zu reden anfing, ja daß er es in Berlin 1804
ärger trieb, als die Andern. Wie kam Saul unter die Propheten? — Es
wäre noch Vieles anzuführen, namentlich über das Verhältniß der Schule zu
Fichte, doch breche ich ab. weil ich noch gern einige Worte über ein anderes
Buch sagen möchte, das sich gleichfalls mit diesem Gegenstand beschäftigt:
ich meine die neuen Bogen von Koberstein's Literaturgeschichte.
Zum Lobe dieses Buchs will ich nichts weiter sagen. Es geht aus der
gründlichsten und umfassendsten Belesenheit hervor, und die Anordnung des
Ganzen, sowie die Auswahl der mitgetheilten Stellen ist mit einer Umsicht
angelegt, die wenig zu wünschen übrig ließen, wenn der verehrte Verfasser nur
einmal auf die menschlichen Bedürfnisse seiner Leser Rücksicht nehmen möchte.
Um ein Buch lesen zu können, muß das Auge wenigstens irgendwo einen
Anhalt- und Ruhepunkt finden: aber hier laufen Text und Anmerkungen so
bunt durch einander, daß ein sehr guter Wille dazu gehört, sich zu orientiren.
Und es ist sehr schade darum, denn es ist ein wahrer Schatz von Wissen und
gesunder Einsicht in diesem Buch. Möchte Koberstein wenigstens einem Be¬
dürfniß des Publicums Rechnung tragen, das mir sehr gerechtfertigt erscheint,
dem Bedürfniß, sich die Bücher einbinden zu lassen. Irgendwo wird sich doch
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