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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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neuen Motiven zu suchen, andrerseits durch ^eine bestechende feine oder ge¬
wandte Ausführung vor Allem die Illusion anzustreben. Endlich gilt es,
sich unter der großen Menge bemerkbar zu machen, durch irgend eine selt¬
same, aus dem gewohnten Geleise der Kunst heraustretende Erscheinung -- die
ebendeshalb auch in den meisten Fällen deren Wesen verletzt -- hervorzustechen,
während zugleich in der auf die Ausstellungen massenhaft sich drängenden
Produktion das Gemachte und Absichtliche einer künstlichen Steigerung zu
Tage tritt.

Zeigen sich demnach hier alle die Nachtheile, welchen, wie wir im vo¬
rigen Kapitel gesehen, die moderne Malerei ausgesetzt ist, so ist doch der
französischen Kunst eine hohe Ausbildung und Entwicklung des malerischen
Sinnes, der wenn auch nicht das Große und Gehaltvolle, doch im Ganzen
immer das Künstlerische anstrebt, nicht abzusprechen. Auch die neueste Zeit
hat weder Tendenzbilder aufzuweisen, noch geht sie auf den unreinen Reiz
einer sinnlichen Wirkung aus, noch hat sie steh, wie die Literatur, auf die
Lüge und Ausschweifung des verfeinerten Lebens eingelassen. Hier bewährt
sich ihre Geschicklichkeit in der Darstellung, die Sicherheit, mit der sie sich im
Besitze aller äußeren Bedingungen fühlt, noch immer als läuternde und er>
hebende Kraft: ihr Zweck ist die Kunst als solche, und was dem reinen Wesen
derselben widerstrebt, nimmt sie mit wenigen Ausnahmen nicht in sich auf.
Von keinem mächtigen Inhalt bewegt, sucht sie wenigstens, was sie darstellt,
in vollendeter Erscheinung darzustellen.

Hierin, wie in ihren Schattenseiten und ihrer ganzen Entwicklung steht
sie nicht selbständig, sondern im geschichtlichen Zusammenhang mit dem Ver¬
laufe der Malerei seit David. Erst wenn man diese verfolgt, erhält man eine
klare Einsicht in den Charakter und die Ordnung der verschiedenen Richtungen
der neuesten Kunst. Der Ueberblick, den wir nun über das Ganze haben,
erspart uns auf den Gesammteindruck der modernen Malerei zurückzukommen
und wir werden daher die einzelnen Künstler da aufnehmen, wo sie sich in den
Gang der Geschichte einreihen.




neuen Motiven zu suchen, andrerseits durch ^eine bestechende feine oder ge¬
wandte Ausführung vor Allem die Illusion anzustreben. Endlich gilt es,
sich unter der großen Menge bemerkbar zu machen, durch irgend eine selt¬
same, aus dem gewohnten Geleise der Kunst heraustretende Erscheinung — die
ebendeshalb auch in den meisten Fällen deren Wesen verletzt — hervorzustechen,
während zugleich in der auf die Ausstellungen massenhaft sich drängenden
Produktion das Gemachte und Absichtliche einer künstlichen Steigerung zu
Tage tritt.

Zeigen sich demnach hier alle die Nachtheile, welchen, wie wir im vo¬
rigen Kapitel gesehen, die moderne Malerei ausgesetzt ist, so ist doch der
französischen Kunst eine hohe Ausbildung und Entwicklung des malerischen
Sinnes, der wenn auch nicht das Große und Gehaltvolle, doch im Ganzen
immer das Künstlerische anstrebt, nicht abzusprechen. Auch die neueste Zeit
hat weder Tendenzbilder aufzuweisen, noch geht sie auf den unreinen Reiz
einer sinnlichen Wirkung aus, noch hat sie steh, wie die Literatur, auf die
Lüge und Ausschweifung des verfeinerten Lebens eingelassen. Hier bewährt
sich ihre Geschicklichkeit in der Darstellung, die Sicherheit, mit der sie sich im
Besitze aller äußeren Bedingungen fühlt, noch immer als läuternde und er>
hebende Kraft: ihr Zweck ist die Kunst als solche, und was dem reinen Wesen
derselben widerstrebt, nimmt sie mit wenigen Ausnahmen nicht in sich auf.
Von keinem mächtigen Inhalt bewegt, sucht sie wenigstens, was sie darstellt,
in vollendeter Erscheinung darzustellen.

Hierin, wie in ihren Schattenseiten und ihrer ganzen Entwicklung steht
sie nicht selbständig, sondern im geschichtlichen Zusammenhang mit dem Ver¬
laufe der Malerei seit David. Erst wenn man diese verfolgt, erhält man eine
klare Einsicht in den Charakter und die Ordnung der verschiedenen Richtungen
der neuesten Kunst. Der Ueberblick, den wir nun über das Ganze haben,
erspart uns auf den Gesammteindruck der modernen Malerei zurückzukommen
und wir werden daher die einzelnen Künstler da aufnehmen, wo sie sich in den
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[0479] neuen Motiven zu suchen, andrerseits durch ^eine bestechende feine oder ge¬ wandte Ausführung vor Allem die Illusion anzustreben. Endlich gilt es, sich unter der großen Menge bemerkbar zu machen, durch irgend eine selt¬ same, aus dem gewohnten Geleise der Kunst heraustretende Erscheinung — die ebendeshalb auch in den meisten Fällen deren Wesen verletzt — hervorzustechen, während zugleich in der auf die Ausstellungen massenhaft sich drängenden Produktion das Gemachte und Absichtliche einer künstlichen Steigerung zu Tage tritt. Zeigen sich demnach hier alle die Nachtheile, welchen, wie wir im vo¬ rigen Kapitel gesehen, die moderne Malerei ausgesetzt ist, so ist doch der französischen Kunst eine hohe Ausbildung und Entwicklung des malerischen Sinnes, der wenn auch nicht das Große und Gehaltvolle, doch im Ganzen immer das Künstlerische anstrebt, nicht abzusprechen. Auch die neueste Zeit hat weder Tendenzbilder aufzuweisen, noch geht sie auf den unreinen Reiz einer sinnlichen Wirkung aus, noch hat sie steh, wie die Literatur, auf die Lüge und Ausschweifung des verfeinerten Lebens eingelassen. Hier bewährt sich ihre Geschicklichkeit in der Darstellung, die Sicherheit, mit der sie sich im Besitze aller äußeren Bedingungen fühlt, noch immer als läuternde und er> hebende Kraft: ihr Zweck ist die Kunst als solche, und was dem reinen Wesen derselben widerstrebt, nimmt sie mit wenigen Ausnahmen nicht in sich auf. Von keinem mächtigen Inhalt bewegt, sucht sie wenigstens, was sie darstellt, in vollendeter Erscheinung darzustellen. Hierin, wie in ihren Schattenseiten und ihrer ganzen Entwicklung steht sie nicht selbständig, sondern im geschichtlichen Zusammenhang mit dem Ver¬ laufe der Malerei seit David. Erst wenn man diese verfolgt, erhält man eine klare Einsicht in den Charakter und die Ordnung der verschiedenen Richtungen der neuesten Kunst. Der Ueberblick, den wir nun über das Ganze haben, erspart uns auf den Gesammteindruck der modernen Malerei zurückzukommen und wir werden daher die einzelnen Künstler da aufnehmen, wo sie sich in den Gang der Geschichte einreihen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/479>, abgerufen am 22.12.2024.