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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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ßer eine ziemlich entschiedene Sprache zu führen: es beanspruchte eine Reform
der Bundeskriegsversafsung. es protesiirte gegen einen Bundesbeschluß in der
kurhessischen Sache; das preußische Ministerium schien wenigstens bis zu ei¬
nem gewissen Grad die Bestrebungen'des Nationalvereins zu billigen. Seit¬
dem ist die Sprache Preußens viel bescheidener geworden: von Kurhessen redet
es gar nicht mehr, in der Militärfrage hat es einige Schritte zurück gethan;
die Aeußerungen der liberalen Partei über auswärtige Politik (wir meinen
damit die Fraction Vincke-Carlowitz) werden wieder schroffer desavouirt als
früher; die Kreuzzeitung, die natürliche Verbündete der Würzburger, gerirt
sich wieder als Hofblatt.

Und sonderbar! gerade in dieser Zeit wird das Austreten unserer Ver¬
bündeten gegen uns viel energischer als früher. Man begnügt sich nicht mehr
abzulehnen, sondern man ist zum Angriff übergegangen. Schon das Ableh¬
nen hat unter den gegenwärtigen Umständen eine sehr ernste Bedeutung. Die
widerwärtige und lächerliche Lage, in der wir uns gegen Dänemark befinden,
hat überall die Nothwendigkeit einer deutschen Kriegsflotte fühlbar gemacht;
die Nothwendigkeit einer planmäßigen Sicherung unserer Küsten. Von
Seiten des Bundestags erwartete man von vornherein nicht viel, obgleich die
Vertheidigung unserer Küsten für Süddeutschland fast ebenso wichtig ist als
für Norddeutschland; aber auch eine Verständigung unter den zunächst betroff¬
nen Regierungen wird durch Hannover vereitelt. Hannover hält sich von den
Konferenzen zurück und verweigert die Bahn nach der Jahde, um zu zeigen,
daß es Preußen in seiner Hand hat. ,

Zugleich wird das Unternehmen in's Werk gesetzt, alle nichtpreußischen
Bundestruppen zu einem gemeinsamen Körper zu vereinigen, und der Oberbe¬
fehl über diesen Körper wird im Fall eines Krieges, an dem Oestreich nicht
Theil nimmt, ausdrücklich Preußen entzogen, d. h. also für den Fall eines
Krieges mit Frankreich legt sich zwischen die beiden Theile des preußischen
Staatsgebiets eine unabhängige Macht, die zunächst die Fähigkeit hat
die Politik der freien Hand zu treiben; ob auch den Willen? Darüber liegen
merkwürdige Zeugnisse vor.

In allen Organen der Mittelstaaten wird fortwährend auf die Gefahr
aufmerksam gemacht, welche der Souveränetät dieser Staaten von Preußen
droht. Zwar wird bestündig die Gerechtigkeitsliebe des Königs von Preußen
hervorgehoben, der es dazu nicht kommen lassen werde--und in der That wäre
es auch ein seltsamer Anfang der Annexion, wenn der vermeinte Angreifer
die Bedrohten mit gezogenen Kanonen beschenkte! -- aber das Bild der Ge¬
fahr wird doch nicht aus den Augen gelassen. Am geistreichsten geschah es
in der bekannten Rede des Herrn v. Beust, der, wie es auch ganz richtig ist,
die natürlichen Machtverhältnisse als den Grund dieser Besorgnisse darstellte.


ßer eine ziemlich entschiedene Sprache zu führen: es beanspruchte eine Reform
der Bundeskriegsversafsung. es protesiirte gegen einen Bundesbeschluß in der
kurhessischen Sache; das preußische Ministerium schien wenigstens bis zu ei¬
nem gewissen Grad die Bestrebungen'des Nationalvereins zu billigen. Seit¬
dem ist die Sprache Preußens viel bescheidener geworden: von Kurhessen redet
es gar nicht mehr, in der Militärfrage hat es einige Schritte zurück gethan;
die Aeußerungen der liberalen Partei über auswärtige Politik (wir meinen
damit die Fraction Vincke-Carlowitz) werden wieder schroffer desavouirt als
früher; die Kreuzzeitung, die natürliche Verbündete der Würzburger, gerirt
sich wieder als Hofblatt.

Und sonderbar! gerade in dieser Zeit wird das Austreten unserer Ver¬
bündeten gegen uns viel energischer als früher. Man begnügt sich nicht mehr
abzulehnen, sondern man ist zum Angriff übergegangen. Schon das Ableh¬
nen hat unter den gegenwärtigen Umständen eine sehr ernste Bedeutung. Die
widerwärtige und lächerliche Lage, in der wir uns gegen Dänemark befinden,
hat überall die Nothwendigkeit einer deutschen Kriegsflotte fühlbar gemacht;
die Nothwendigkeit einer planmäßigen Sicherung unserer Küsten. Von
Seiten des Bundestags erwartete man von vornherein nicht viel, obgleich die
Vertheidigung unserer Küsten für Süddeutschland fast ebenso wichtig ist als
für Norddeutschland; aber auch eine Verständigung unter den zunächst betroff¬
nen Regierungen wird durch Hannover vereitelt. Hannover hält sich von den
Konferenzen zurück und verweigert die Bahn nach der Jahde, um zu zeigen,
daß es Preußen in seiner Hand hat. ,

Zugleich wird das Unternehmen in's Werk gesetzt, alle nichtpreußischen
Bundestruppen zu einem gemeinsamen Körper zu vereinigen, und der Oberbe¬
fehl über diesen Körper wird im Fall eines Krieges, an dem Oestreich nicht
Theil nimmt, ausdrücklich Preußen entzogen, d. h. also für den Fall eines
Krieges mit Frankreich legt sich zwischen die beiden Theile des preußischen
Staatsgebiets eine unabhängige Macht, die zunächst die Fähigkeit hat
die Politik der freien Hand zu treiben; ob auch den Willen? Darüber liegen
merkwürdige Zeugnisse vor.

In allen Organen der Mittelstaaten wird fortwährend auf die Gefahr
aufmerksam gemacht, welche der Souveränetät dieser Staaten von Preußen
droht. Zwar wird bestündig die Gerechtigkeitsliebe des Königs von Preußen
hervorgehoben, der es dazu nicht kommen lassen werde—und in der That wäre
es auch ein seltsamer Anfang der Annexion, wenn der vermeinte Angreifer
die Bedrohten mit gezogenen Kanonen beschenkte! — aber das Bild der Ge¬
fahr wird doch nicht aus den Augen gelassen. Am geistreichsten geschah es
in der bekannten Rede des Herrn v. Beust, der, wie es auch ganz richtig ist,
die natürlichen Machtverhältnisse als den Grund dieser Besorgnisse darstellte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/46>, abgerufen am 22.07.2024.