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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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drohend sämmtlich Gaben von ihm heisesten. Der verlangt Geld, nicht unter
einer Mark, der Getreide, der ein Schock Brode, der Heu oder Hafer, der
Fische, der Holz, ein Anderer raubt sich gleich hundert Schafe. Andere ver¬
suchen es mit zudringlichen Bitten und Schmeicheleien, aber Alle wollen etwas
geschenkt haben, sie bringen wol ein leeres Faß und wünschen es mit Wein
gefüllt zu sehen. Einer begehrt eine" Malter Käse, ein Anderer Pfefferkuchen,
ein Dritter Obst, ein Vierter Tuch. Und die einmal gereichte Gabe wird
leicht zu einer Verpflichtung wiederholter Leistungen gemacht, ebenso wie auf
eine Verweigerung schnell die Drohung folgt, man werde durch den Raub
eines Pfandes die Gabe zu erzwingen wissen. Dem Einen soll das Kloster
Pferde und Wagen zur Verfügung stellen, sonst werde er das Land verwüsten,
ein Anderer will gespeist sein und mißhandelt dann zum Dank die Mönche,
schimpft die Laienbrüder. Urheber all dieses Elends ist der Fürst (Herzog
Wenzel). Warum zögert der sonst so unbarmherzige Tod ihn zu holen?
Dann schildert der Verfasser, wie schlimm es ist, wenn die fürstliche Jagd¬
gesellschaft in's Kloster einbricht, mit großem Troß und vielen Hunden. Schnell
bringen dann zwei bis drei Knechte Brode herbei, soviel sie tragen können,
aber die Gaste sind unersättlich. Unter Lästerungen verlangen sie Wein vor¬
gesetzt zu erhalten und wenn sie solchen erhalten, schmähe" sie ihn. als sei er
nicht gut genug. Vom Weine berauscht fangen sie dann an zu singen und
zu schreien und auf den Hüfthörnern zu blasen, daß ein Lärm entsteht, wie
wenn der Wolf auf die Weideplätze der Schafe kommt. Es geschieht auch
wol, daß ein besonders Gewaltthätiger mit einem Schreiben des Herzogs
ankommt, in welchem dieser dem Abt anempfiehlt, dem Ueberbringer ein Pferd
zu schenken. Wird dem Verlangen nicht gleich gewillfahrt, sagt der über¬
müthige Bittsteller drohend: ist denn der Abt blind, sieht er nicht, wie leicht
ich erzwingen könnte, was ich jetzt erbitte? Ich habe hundert und mehr Helfer,
die des Nachts, wenn der Abt schläft, gleich Fledermäusen umherschwärmen;
er gebe das Pferd gutwillig, sonst wird man anders mit ihm sprechen. So
geht es den Klöstern im Gebiete dieser Herren. Kein Ritter hält das Ge¬
sinde! in Zucht; möge ein Strick um den Hals den strafen, welcher die Schuld
trägt. Hätte doch seine Mutter lieber Ungeheuer des Meeres zur Welt ge¬
bracht als ihn!

Eine andre Art von Bedrängniß. nämlich die durch äußere Feinde. IM
noch verschärft durch das Hinzutreten von religiösem Fanatismus, schildert dann
ein drittes Gedicht (S. 32). abermals ein Jahrhundert später, die Verwüstung
des schlesischen Klosters Kamenz durch die hussitischen Soldaten Podiebrad's,


drohend sämmtlich Gaben von ihm heisesten. Der verlangt Geld, nicht unter
einer Mark, der Getreide, der ein Schock Brode, der Heu oder Hafer, der
Fische, der Holz, ein Anderer raubt sich gleich hundert Schafe. Andere ver¬
suchen es mit zudringlichen Bitten und Schmeicheleien, aber Alle wollen etwas
geschenkt haben, sie bringen wol ein leeres Faß und wünschen es mit Wein
gefüllt zu sehen. Einer begehrt eine» Malter Käse, ein Anderer Pfefferkuchen,
ein Dritter Obst, ein Vierter Tuch. Und die einmal gereichte Gabe wird
leicht zu einer Verpflichtung wiederholter Leistungen gemacht, ebenso wie auf
eine Verweigerung schnell die Drohung folgt, man werde durch den Raub
eines Pfandes die Gabe zu erzwingen wissen. Dem Einen soll das Kloster
Pferde und Wagen zur Verfügung stellen, sonst werde er das Land verwüsten,
ein Anderer will gespeist sein und mißhandelt dann zum Dank die Mönche,
schimpft die Laienbrüder. Urheber all dieses Elends ist der Fürst (Herzog
Wenzel). Warum zögert der sonst so unbarmherzige Tod ihn zu holen?
Dann schildert der Verfasser, wie schlimm es ist, wenn die fürstliche Jagd¬
gesellschaft in's Kloster einbricht, mit großem Troß und vielen Hunden. Schnell
bringen dann zwei bis drei Knechte Brode herbei, soviel sie tragen können,
aber die Gaste sind unersättlich. Unter Lästerungen verlangen sie Wein vor¬
gesetzt zu erhalten und wenn sie solchen erhalten, schmähe» sie ihn. als sei er
nicht gut genug. Vom Weine berauscht fangen sie dann an zu singen und
zu schreien und auf den Hüfthörnern zu blasen, daß ein Lärm entsteht, wie
wenn der Wolf auf die Weideplätze der Schafe kommt. Es geschieht auch
wol, daß ein besonders Gewaltthätiger mit einem Schreiben des Herzogs
ankommt, in welchem dieser dem Abt anempfiehlt, dem Ueberbringer ein Pferd
zu schenken. Wird dem Verlangen nicht gleich gewillfahrt, sagt der über¬
müthige Bittsteller drohend: ist denn der Abt blind, sieht er nicht, wie leicht
ich erzwingen könnte, was ich jetzt erbitte? Ich habe hundert und mehr Helfer,
die des Nachts, wenn der Abt schläft, gleich Fledermäusen umherschwärmen;
er gebe das Pferd gutwillig, sonst wird man anders mit ihm sprechen. So
geht es den Klöstern im Gebiete dieser Herren. Kein Ritter hält das Ge¬
sinde! in Zucht; möge ein Strick um den Hals den strafen, welcher die Schuld
trägt. Hätte doch seine Mutter lieber Ungeheuer des Meeres zur Welt ge¬
bracht als ihn!

Eine andre Art von Bedrängniß. nämlich die durch äußere Feinde. IM
noch verschärft durch das Hinzutreten von religiösem Fanatismus, schildert dann
ein drittes Gedicht (S. 32). abermals ein Jahrhundert später, die Verwüstung
des schlesischen Klosters Kamenz durch die hussitischen Soldaten Podiebrad's,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/444>, abgerufen am 22.07.2024.