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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Die östreichische Armeeverlvaltung.

Ist in den meisten großen Staaten Europas die Armceverwaltung ein
wunder, keine unzarte Berührung vertragender Fleck, so ist die Verwaltung
des östreichischen Armee- und Marinewesens ein moti ins tangere ersten Ranges
und ein nicht nur schwer krankes, sondern fast unheilbares Wesen.

Schon vor dem Jahre 1848 wurde über Mangel geklagt. Später wurde
wiederholt Beseitigung versucht, aber nach angeblich vollständiger Beseitigung
machten sich dieselben gleichwol von Neuem fast allenthalben wieder fühlbar,
kamen 1859 in einer vorher nie geahnten Größe um das Licht, und dürften
ungeachtet aller seither geschehenen Verbesserungen wol auch bei der nächsten
Gelegenheit wieder erscheinen. Diese Mangel heißen Unredlichkeit, Bestech¬
lichkeit oder Unfähigkeit bei dem niedern, gewöhnlich noch Lauheit und Un-
thätigkeit bei dem höhern Personale, Ueberfüllung der Aemter auf der einen
Seite und schlechte Vertheilung der Arbeit auf der andern, Kleinigkeitskrämerei.
Pedanterie und doch wieder ein fast unglaublicher Schlendrian, endlich eine
kostspielige bis ins Ungeheure getriebene und ihren Zweck beinahe gänzlich
verfehlende Controle.

Das dem "verstärkten Reichsrathe" vorgelegte Armee-Budget zeigte, daß
die Armeeverwaltung zwei Fünftheile des ganzen Budgets in Anspruch nehme
und mindestens die Hülste dieser zwei Fünftheile zur Besoldung der Verwal¬
tungsbeamten erforderlich sei -- ein bei keiner andern Armee vorkommendes
Mißverbültniß. Aber diese Summe ist nur der officiell festgesetzte Kostenbe¬
trag, wie groß sind jedoch jene Summen, welche das Verwaltungspersonal
dem andern Fünftel, ja dem zur Erhaltung der Truppen selbst bestimmten
Betrage theils absichtlich entzieht und für sich zu erübrigen weiß, theils durch
seine schlecht geregelte Manipulation nutzlos verschleudert?

Es würde den Blick nur verwirren, wollte man das Ganze der Abul-.
nistration zugleich in Angriff nehmen und alle daselbst wahrnehmbaren Mängel
aufdecken. Stück für Stück muß aus diesem Chaos herausgesucht werden.
Und auch da werden mitunter einige Beispiele besser das Verständniß der


Grenzboten III. 1861.
Die östreichische Armeeverlvaltung.

Ist in den meisten großen Staaten Europas die Armceverwaltung ein
wunder, keine unzarte Berührung vertragender Fleck, so ist die Verwaltung
des östreichischen Armee- und Marinewesens ein moti ins tangere ersten Ranges
und ein nicht nur schwer krankes, sondern fast unheilbares Wesen.

Schon vor dem Jahre 1848 wurde über Mangel geklagt. Später wurde
wiederholt Beseitigung versucht, aber nach angeblich vollständiger Beseitigung
machten sich dieselben gleichwol von Neuem fast allenthalben wieder fühlbar,
kamen 1859 in einer vorher nie geahnten Größe um das Licht, und dürften
ungeachtet aller seither geschehenen Verbesserungen wol auch bei der nächsten
Gelegenheit wieder erscheinen. Diese Mangel heißen Unredlichkeit, Bestech¬
lichkeit oder Unfähigkeit bei dem niedern, gewöhnlich noch Lauheit und Un-
thätigkeit bei dem höhern Personale, Ueberfüllung der Aemter auf der einen
Seite und schlechte Vertheilung der Arbeit auf der andern, Kleinigkeitskrämerei.
Pedanterie und doch wieder ein fast unglaublicher Schlendrian, endlich eine
kostspielige bis ins Ungeheure getriebene und ihren Zweck beinahe gänzlich
verfehlende Controle.

Das dem „verstärkten Reichsrathe" vorgelegte Armee-Budget zeigte, daß
die Armeeverwaltung zwei Fünftheile des ganzen Budgets in Anspruch nehme
und mindestens die Hülste dieser zwei Fünftheile zur Besoldung der Verwal¬
tungsbeamten erforderlich sei — ein bei keiner andern Armee vorkommendes
Mißverbültniß. Aber diese Summe ist nur der officiell festgesetzte Kostenbe¬
trag, wie groß sind jedoch jene Summen, welche das Verwaltungspersonal
dem andern Fünftel, ja dem zur Erhaltung der Truppen selbst bestimmten
Betrage theils absichtlich entzieht und für sich zu erübrigen weiß, theils durch
seine schlecht geregelte Manipulation nutzlos verschleudert?

Es würde den Blick nur verwirren, wollte man das Ganze der Abul-.
nistration zugleich in Angriff nehmen und alle daselbst wahrnehmbaren Mängel
aufdecken. Stück für Stück muß aus diesem Chaos herausgesucht werden.
Und auch da werden mitunter einige Beispiele besser das Verständniß der


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[0411] Die östreichische Armeeverlvaltung. Ist in den meisten großen Staaten Europas die Armceverwaltung ein wunder, keine unzarte Berührung vertragender Fleck, so ist die Verwaltung des östreichischen Armee- und Marinewesens ein moti ins tangere ersten Ranges und ein nicht nur schwer krankes, sondern fast unheilbares Wesen. Schon vor dem Jahre 1848 wurde über Mangel geklagt. Später wurde wiederholt Beseitigung versucht, aber nach angeblich vollständiger Beseitigung machten sich dieselben gleichwol von Neuem fast allenthalben wieder fühlbar, kamen 1859 in einer vorher nie geahnten Größe um das Licht, und dürften ungeachtet aller seither geschehenen Verbesserungen wol auch bei der nächsten Gelegenheit wieder erscheinen. Diese Mangel heißen Unredlichkeit, Bestech¬ lichkeit oder Unfähigkeit bei dem niedern, gewöhnlich noch Lauheit und Un- thätigkeit bei dem höhern Personale, Ueberfüllung der Aemter auf der einen Seite und schlechte Vertheilung der Arbeit auf der andern, Kleinigkeitskrämerei. Pedanterie und doch wieder ein fast unglaublicher Schlendrian, endlich eine kostspielige bis ins Ungeheure getriebene und ihren Zweck beinahe gänzlich verfehlende Controle. Das dem „verstärkten Reichsrathe" vorgelegte Armee-Budget zeigte, daß die Armeeverwaltung zwei Fünftheile des ganzen Budgets in Anspruch nehme und mindestens die Hülste dieser zwei Fünftheile zur Besoldung der Verwal¬ tungsbeamten erforderlich sei — ein bei keiner andern Armee vorkommendes Mißverbültniß. Aber diese Summe ist nur der officiell festgesetzte Kostenbe¬ trag, wie groß sind jedoch jene Summen, welche das Verwaltungspersonal dem andern Fünftel, ja dem zur Erhaltung der Truppen selbst bestimmten Betrage theils absichtlich entzieht und für sich zu erübrigen weiß, theils durch seine schlecht geregelte Manipulation nutzlos verschleudert? Es würde den Blick nur verwirren, wollte man das Ganze der Abul-. nistration zugleich in Angriff nehmen und alle daselbst wahrnehmbaren Mängel aufdecken. Stück für Stück muß aus diesem Chaos herausgesucht werden. Und auch da werden mitunter einige Beispiele besser das Verständniß der Grenzboten III. 1861.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/411>, abgerufen am 26.06.2024.