Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band."In dieser Compagnie hatte Judas das Schatzmeisteramt. Das Luder Es legt ein trauriges Zeugniß für die sittliche Indolenz der damaligen „In dieser Compagnie hatte Judas das Schatzmeisteramt. Das Luder Es legt ein trauriges Zeugniß für die sittliche Indolenz der damaligen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0398" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112368"/> <p xml:id="ID_1287"> „In dieser Compagnie hatte Judas das Schatzmeisteramt. Das Luder<lb/> schrieb aber mit doppelter Bleifeder an und war ein so unbändiges Kniff-<lb/> Kraft- und Prellgenie, das, kein Jude, Philister und Araber mehr pumpen<lb/> wollte. Deswegen hatte ihm nun Christus Jesus beim letzten solennen Com-<lb/> mersch einen dummen Jungen gegeben; darüber wird denn nun der Bengel<lb/> so erbost, daß er striktissime wie ein tolles Vieh hinlief und die Schnurren<lb/> holte. Zum Andenken dieses letzten Commersches findet man noch jetzt in<lb/> allen christlichen Kirchen eine übelgerathene Nachahmung und sehr verunglückte<lb/> Copie. Rector. Prorector, Syndicus und Schnurrenhauptmann sCaiphas,<lb/> Harras. Herodes und Pilatus) beflissen sich nun den Christus Jesus zu cu-<lb/> joniren und malträtiren. Alle Pharisäer und Sadducäer, denen er oft Fen¬<lb/> stermusik gebracht, wurden rasig und drangen auf Satisfaction. So ward<lb/> denn Christus auf das Criminalccncer. das Kreuztabulet. gebracht. Hier fan¬<lb/> den ihn die Pedellen des Abends in Ohnmacht, und weil sie glaubten, daß<lb/> er schon......sei. so schleppten sie ihn wieder auf die Anatomie, das<lb/> Grab genannt. Das Rütteln auf der alten Schiebkarre brachte seine Lebens¬<lb/> geister wieder in's Standquartier. Sobald er sich allein sah, war seine Ohn¬<lb/> macht zum Teufel, und er sah nun bald zu, wo der Zimmermann das Ob-<lb/> longum gelassen hatte. Wie nun der Prosector Greblesah ( d. i. Haselberg,<lb/> der damalige Greifswalder Prosector) das . . . Präpariren wollte, ward ihm<lb/> zu Muthe, als wär er im .... wie ein Pfund Seife und verdrehte die<lb/> Augen als ein Hammel, der Prügel krigt. Christus Jesus renommirte und<lb/> luderte dann wieder flott umher, doch witterten ihn die Schnurren gar bald<lb/> aus und waren ihm gar sehr auf's Dach. Um nicht Alles auf's Spiel zu<lb/> setzen, hüllte er sich in seine Tugend und fuhr mit Extrapost, als wär ein<lb/> heiliges Donnerwetter hinter ihm, sonika zum Thor hinaus und über die Grän¬<lb/> zen. Vorher hatte er noch die Stürmer in Gang gebracht, und deswegen w'.rd<lb/> noch das Fest der heil. Dreieinigkeit zum Andenken gefeiert. Da der Schwager<lb/> Himmel, der ihn gefahren hatte, nicht wieder kam, so weiß man nicht, wo das<lb/> große Murckelthier (?) geflohen oder geflogen ist. Dock hat er versprochen<lb/> einst wiederzukommen, und die Schiffer zu knechten und die Zierbengel zu pisacken-"</p><lb/> <p xml:id="ID_1288" next="#ID_1289"> Es legt ein trauriges Zeugniß für die sittliche Indolenz der damaligen<lb/> studirenden Jugend ab, daß diese Rede nicht nur vor einer zahlreichen Zuhö¬<lb/> rerschaft durfte gehalten werden, sondern offenbar auch beifällig aufgenommen<lb/> wurde. Sie mußte noch wiederholt vorgetragen werden,- und auch fremde,<lb/> auf Besuch anwesende Studenten nahmen von derselben Abschriften. Referent<lb/> hat etwa ein Vierteljahrhundert später, als Fritz Jahr, zu Halle studirt. zu<lb/> einer Zeit, als die zahlreichen Studiosen der Theologie daselbst noch alle gut<lb/> rationalistisch waren. Allein er ist überzeugt, daß, wenn ein Student es da¬<lb/> mals gewagt hätte, sich an einem öffentlichen Orte in der Weise der oratio</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0398]
„In dieser Compagnie hatte Judas das Schatzmeisteramt. Das Luder
schrieb aber mit doppelter Bleifeder an und war ein so unbändiges Kniff-
Kraft- und Prellgenie, das, kein Jude, Philister und Araber mehr pumpen
wollte. Deswegen hatte ihm nun Christus Jesus beim letzten solennen Com-
mersch einen dummen Jungen gegeben; darüber wird denn nun der Bengel
so erbost, daß er striktissime wie ein tolles Vieh hinlief und die Schnurren
holte. Zum Andenken dieses letzten Commersches findet man noch jetzt in
allen christlichen Kirchen eine übelgerathene Nachahmung und sehr verunglückte
Copie. Rector. Prorector, Syndicus und Schnurrenhauptmann sCaiphas,
Harras. Herodes und Pilatus) beflissen sich nun den Christus Jesus zu cu-
joniren und malträtiren. Alle Pharisäer und Sadducäer, denen er oft Fen¬
stermusik gebracht, wurden rasig und drangen auf Satisfaction. So ward
denn Christus auf das Criminalccncer. das Kreuztabulet. gebracht. Hier fan¬
den ihn die Pedellen des Abends in Ohnmacht, und weil sie glaubten, daß
er schon......sei. so schleppten sie ihn wieder auf die Anatomie, das
Grab genannt. Das Rütteln auf der alten Schiebkarre brachte seine Lebens¬
geister wieder in's Standquartier. Sobald er sich allein sah, war seine Ohn¬
macht zum Teufel, und er sah nun bald zu, wo der Zimmermann das Ob-
longum gelassen hatte. Wie nun der Prosector Greblesah ( d. i. Haselberg,
der damalige Greifswalder Prosector) das . . . Präpariren wollte, ward ihm
zu Muthe, als wär er im .... wie ein Pfund Seife und verdrehte die
Augen als ein Hammel, der Prügel krigt. Christus Jesus renommirte und
luderte dann wieder flott umher, doch witterten ihn die Schnurren gar bald
aus und waren ihm gar sehr auf's Dach. Um nicht Alles auf's Spiel zu
setzen, hüllte er sich in seine Tugend und fuhr mit Extrapost, als wär ein
heiliges Donnerwetter hinter ihm, sonika zum Thor hinaus und über die Grän¬
zen. Vorher hatte er noch die Stürmer in Gang gebracht, und deswegen w'.rd
noch das Fest der heil. Dreieinigkeit zum Andenken gefeiert. Da der Schwager
Himmel, der ihn gefahren hatte, nicht wieder kam, so weiß man nicht, wo das
große Murckelthier (?) geflohen oder geflogen ist. Dock hat er versprochen
einst wiederzukommen, und die Schiffer zu knechten und die Zierbengel zu pisacken-"
Es legt ein trauriges Zeugniß für die sittliche Indolenz der damaligen
studirenden Jugend ab, daß diese Rede nicht nur vor einer zahlreichen Zuhö¬
rerschaft durfte gehalten werden, sondern offenbar auch beifällig aufgenommen
wurde. Sie mußte noch wiederholt vorgetragen werden,- und auch fremde,
auf Besuch anwesende Studenten nahmen von derselben Abschriften. Referent
hat etwa ein Vierteljahrhundert später, als Fritz Jahr, zu Halle studirt. zu
einer Zeit, als die zahlreichen Studiosen der Theologie daselbst noch alle gut
rationalistisch waren. Allein er ist überzeugt, daß, wenn ein Student es da¬
mals gewagt hätte, sich an einem öffentlichen Orte in der Weise der oratio
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |