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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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^nen. Zunächst mußte Marggraf den Brief, worin Mühlenbruch die Ver-
>uff-Erklärung Fritzens beantragt hatte, dem Senate übergeben. Als aber
dies noch nicht die gewünschte Wirkung that, wurde von einer Anzahl Stu¬
diosen (Fritz selbst blieb klüglich hinter den Coulissen) eine Beschwerdeschnft
über Mühlenbruch beim Senate eingereicht, mit, hinzugefügter Bitte: diesen
gefährlichen Menschen von der Akademie zu entfernen. Die Hauptanklagepunkte
waren: Mühlenbruch vcrrühme sich, bevor er Rostock verlassen, den dortigen
Prorector mit Ohrfeigen tractirt zu haben; er sei darauf mit Parthenius unter
die Schauspieler gegangen; zu Greifswald habe er einen Gänsediebstahl be¬
gangen; überhaupt aber verderbe er die guten Sitten der Greifswalder Stu¬
diosen.

Mühlenbruch zeigte in seiner Vertheidigung beim Verhöre sckon den an¬
gehenden tüchtigen Juristen. In Betreff des ersten Punktes leugnete er zwar
nicht, mit dem Rostocker Prorector, Prof. Martini, ein kleines Demelse gehabt zu
haben, behauptete aber mißverstanden zu sein; höchstens könne er gesagt haben,
Prorector Nostochiensis habe sich so gegen ihn benommen, daß er Ohrfeigen ver¬
dient. Zwar sei es wahr, daß. nachdem er mit seinem Freunde Parthenius
Rostock verlassen, um eine kleine Reise zu machen, sie zu Friedland die Löwe¬
sche Schauspielergesellschast angetroffen und einige Male bei derselben Rollen
übernommen hätten, keineswegs aber wären sie förmlich als Schauspieler gegen
Bezahlung angestellt gewesen. Die fragliche Entwertung der Gänse sei gemein¬
schaftlich verabredet gewesen; die Gänse wären aus einem offenen Stalle entführt
und 3 Tage später, wie Quittung beweise, richtig bezahlt worden. Den letz¬
ten Punkt aber halte er hinlänglich erledigt dnrch die Rede, welche seine Freunde
bereits beim Senate eingereicht hätten. Es war jene vratio in'elraizolosieA,,
die Parthenius mit Andern dem Slud. Hahn halb mit Gewalt abgedrungen
dulde, "um den Verdacht von sich abzulehnen, daß sie, wie ihnen vorgeworfen,
Unsittlichkeiten hierselbst eingeführt hätten, indem aus derselben erhelle, daß
d'ehe schon vorher auf der Akademie geherrscht hätten."

Der Bolzen, den Fritz gegen Mühlenbruch geschnellt, prallte jetzt auf ihn
selbst zurück; jene Rede mußte ihm verderblich werden. Sie ist nämlich eine über
alle Maaßen schmutzige Parodie der biblischen Geschichte, welche als Geschichte
5er Entstehung und Ansbildung des Studentencomments behandelt wird.
Schon der erste Theil nach dem alten Testament (hier müssen natürlich beson¬
ders David und Salomo herhalten) strotzt von den gröbsten Zoten; der
Zweite Theil aber, eine Parodie auf die Geschichte Jesu, "des flottesten Bur¬
schen und des Reformators des Comments", ist so schamlos schmutzig und
blasphemisch. daß den Leser unwiderstehlich Ekel ergreift. Nur den. in
vergleich mit dem Vorausgehenden sehr modesten Schluß habe ich über
'"ich gewinnen können in die Feder zu nehmen und theile ihn hier nut:


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^nen. Zunächst mußte Marggraf den Brief, worin Mühlenbruch die Ver-
>uff-Erklärung Fritzens beantragt hatte, dem Senate übergeben. Als aber
dies noch nicht die gewünschte Wirkung that, wurde von einer Anzahl Stu¬
diosen (Fritz selbst blieb klüglich hinter den Coulissen) eine Beschwerdeschnft
über Mühlenbruch beim Senate eingereicht, mit, hinzugefügter Bitte: diesen
gefährlichen Menschen von der Akademie zu entfernen. Die Hauptanklagepunkte
waren: Mühlenbruch vcrrühme sich, bevor er Rostock verlassen, den dortigen
Prorector mit Ohrfeigen tractirt zu haben; er sei darauf mit Parthenius unter
die Schauspieler gegangen; zu Greifswald habe er einen Gänsediebstahl be¬
gangen; überhaupt aber verderbe er die guten Sitten der Greifswalder Stu¬
diosen.

Mühlenbruch zeigte in seiner Vertheidigung beim Verhöre sckon den an¬
gehenden tüchtigen Juristen. In Betreff des ersten Punktes leugnete er zwar
nicht, mit dem Rostocker Prorector, Prof. Martini, ein kleines Demelse gehabt zu
haben, behauptete aber mißverstanden zu sein; höchstens könne er gesagt haben,
Prorector Nostochiensis habe sich so gegen ihn benommen, daß er Ohrfeigen ver¬
dient. Zwar sei es wahr, daß. nachdem er mit seinem Freunde Parthenius
Rostock verlassen, um eine kleine Reise zu machen, sie zu Friedland die Löwe¬
sche Schauspielergesellschast angetroffen und einige Male bei derselben Rollen
übernommen hätten, keineswegs aber wären sie förmlich als Schauspieler gegen
Bezahlung angestellt gewesen. Die fragliche Entwertung der Gänse sei gemein¬
schaftlich verabredet gewesen; die Gänse wären aus einem offenen Stalle entführt
und 3 Tage später, wie Quittung beweise, richtig bezahlt worden. Den letz¬
ten Punkt aber halte er hinlänglich erledigt dnrch die Rede, welche seine Freunde
bereits beim Senate eingereicht hätten. Es war jene vratio in'elraizolosieA,,
die Parthenius mit Andern dem Slud. Hahn halb mit Gewalt abgedrungen
dulde, „um den Verdacht von sich abzulehnen, daß sie, wie ihnen vorgeworfen,
Unsittlichkeiten hierselbst eingeführt hätten, indem aus derselben erhelle, daß
d'ehe schon vorher auf der Akademie geherrscht hätten."

Der Bolzen, den Fritz gegen Mühlenbruch geschnellt, prallte jetzt auf ihn
selbst zurück; jene Rede mußte ihm verderblich werden. Sie ist nämlich eine über
alle Maaßen schmutzige Parodie der biblischen Geschichte, welche als Geschichte
5er Entstehung und Ansbildung des Studentencomments behandelt wird.
Schon der erste Theil nach dem alten Testament (hier müssen natürlich beson¬
ders David und Salomo herhalten) strotzt von den gröbsten Zoten; der
Zweite Theil aber, eine Parodie auf die Geschichte Jesu, „des flottesten Bur¬
schen und des Reformators des Comments", ist so schamlos schmutzig und
blasphemisch. daß den Leser unwiderstehlich Ekel ergreift. Nur den. in
vergleich mit dem Vorausgehenden sehr modesten Schluß habe ich über
'"ich gewinnen können in die Feder zu nehmen und theile ihn hier nut:


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[0397] ^nen. Zunächst mußte Marggraf den Brief, worin Mühlenbruch die Ver- >uff-Erklärung Fritzens beantragt hatte, dem Senate übergeben. Als aber dies noch nicht die gewünschte Wirkung that, wurde von einer Anzahl Stu¬ diosen (Fritz selbst blieb klüglich hinter den Coulissen) eine Beschwerdeschnft über Mühlenbruch beim Senate eingereicht, mit, hinzugefügter Bitte: diesen gefährlichen Menschen von der Akademie zu entfernen. Die Hauptanklagepunkte waren: Mühlenbruch vcrrühme sich, bevor er Rostock verlassen, den dortigen Prorector mit Ohrfeigen tractirt zu haben; er sei darauf mit Parthenius unter die Schauspieler gegangen; zu Greifswald habe er einen Gänsediebstahl be¬ gangen; überhaupt aber verderbe er die guten Sitten der Greifswalder Stu¬ diosen. Mühlenbruch zeigte in seiner Vertheidigung beim Verhöre sckon den an¬ gehenden tüchtigen Juristen. In Betreff des ersten Punktes leugnete er zwar nicht, mit dem Rostocker Prorector, Prof. Martini, ein kleines Demelse gehabt zu haben, behauptete aber mißverstanden zu sein; höchstens könne er gesagt haben, Prorector Nostochiensis habe sich so gegen ihn benommen, daß er Ohrfeigen ver¬ dient. Zwar sei es wahr, daß. nachdem er mit seinem Freunde Parthenius Rostock verlassen, um eine kleine Reise zu machen, sie zu Friedland die Löwe¬ sche Schauspielergesellschast angetroffen und einige Male bei derselben Rollen übernommen hätten, keineswegs aber wären sie förmlich als Schauspieler gegen Bezahlung angestellt gewesen. Die fragliche Entwertung der Gänse sei gemein¬ schaftlich verabredet gewesen; die Gänse wären aus einem offenen Stalle entführt und 3 Tage später, wie Quittung beweise, richtig bezahlt worden. Den letz¬ ten Punkt aber halte er hinlänglich erledigt dnrch die Rede, welche seine Freunde bereits beim Senate eingereicht hätten. Es war jene vratio in'elraizolosieA,, die Parthenius mit Andern dem Slud. Hahn halb mit Gewalt abgedrungen dulde, „um den Verdacht von sich abzulehnen, daß sie, wie ihnen vorgeworfen, Unsittlichkeiten hierselbst eingeführt hätten, indem aus derselben erhelle, daß d'ehe schon vorher auf der Akademie geherrscht hätten." Der Bolzen, den Fritz gegen Mühlenbruch geschnellt, prallte jetzt auf ihn selbst zurück; jene Rede mußte ihm verderblich werden. Sie ist nämlich eine über alle Maaßen schmutzige Parodie der biblischen Geschichte, welche als Geschichte 5er Entstehung und Ansbildung des Studentencomments behandelt wird. Schon der erste Theil nach dem alten Testament (hier müssen natürlich beson¬ ders David und Salomo herhalten) strotzt von den gröbsten Zoten; der Zweite Theil aber, eine Parodie auf die Geschichte Jesu, „des flottesten Bur¬ schen und des Reformators des Comments", ist so schamlos schmutzig und blasphemisch. daß den Leser unwiderstehlich Ekel ergreift. Nur den. in vergleich mit dem Vorausgehenden sehr modesten Schluß habe ich über '"ich gewinnen können in die Feder zu nehmen und theile ihn hier nut: 49 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/397>, abgerufen am 22.07.2024.