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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Dänemark unterhält eine Flotte von gegen 1000 Geschützen und die deut¬
schen Nordseestaaten sollten bei einer gleichen Bevölkerung nicht eine von 80
Geschützen herstellen können?

Oder ist die Handelsflotte derselben geringer? sie ist doppelt so groß!
Oder die Bevölkerung ärmer? die der deutschen Küsten schließt die beiden
reichsten Städte des nördlichen Europas, die dritte Handelsstadt der Welt
ein. Oder sind diese deutschen Staaten von einer furchtbaren Militärlast er¬
drückt? sie stellen etwa 1'Procent der gegenwärtigen Bevölkerung, während
die dänische Landarmee im Verhältniß mehr als doppelt so groß ist.

Wenn vor Kurzem ein Privatmann aus einem dieser Küstenstaaten die
deutsche Nation zu Beiträgen für die Herstellung einer Schraubenflotille auf¬
gefordert hat, so darf man wol eingestehen, daß dasvate paupero Lelisario
obowm! hier nicht wol anwendbar ,se. Die freie PrivattlMgkcit für den
Zweck einer Flotte wird sich in Deutschland vernünftiger Weise dahin zu wen¬
den haben, wo nicht das eigene unmittelbare Interesse die Verpflichtung auf¬
erlegt und wo eine großartige und wirksame Anwendung im Interesse der
ganzen Nation zu erwarten steht und beides ist vorhanden, insofern Preußen
sich an der Schöpfung einer Nordseeflotille betheiligen soll.

Wenn man annimmt, daß Hannover 15, Hamburg 10, Bremen 10,
Oldenburg 5 und Mecklenburg mit Lübeck 10 Schraubenbote herstellen würde,
so würden sich diese Staaten dadurch keine sehr schwere Last auflegen. Was
'se für das reiche Hamburg oder Bremen eine Ausgabe von einer halben Mil¬
lion Thaler, ausgegeben, um den Verlust von einigen hundert Millionen zu
verhüten?

Es könnte von diesen Staaten geltend gemacht werden, daß diese Opfer
nicht bloß dem Interesse der Küsten, sondern auch .des Binnenlandes gebracht
würden und daß daher auch die Binnenstaaten sich an denselben beteiligen
müssen -- eine Rechnung, nach der Preußen mehr als die Hälfte seines Militär¬
etats den übrigen deutschen Staaten ausrechnen könnte. Das nächste und directe
Interesse haben denn doch in der That die deutschen Küsten daran, daß ihr See¬
handel nicht unterbrochen werde. Die Rheder. denen die Schiffe gehören, und
meistentheils die Waaren, mit welchen dieselben befrachtet werden, gehören
regelmäßig den Einwohnern der Küstenstaaten an. Unter der Blockade leiden
zunächst und am Meisten die Bewohner der Küsten.

Das Princip, wonach die hannöversche Negierung im Jahre 1848 die
Kosten eines Schiffs dem Bunde liquidiren wollte, welches von ihr ausge¬
sandt war, um die eigenen und natürlich auch andre deutsche Schiffe vor
dänischen Kreuzern zu warnen, scheint uns ebenso engherzig als kläglich.

Es möge uns erlaubt sein, die Küstenstaaten daran zu erinnern, daß sie
in keiner Weise über das streng vorgeschriebene Bundesmaaß hinaus zur Na-


Dänemark unterhält eine Flotte von gegen 1000 Geschützen und die deut¬
schen Nordseestaaten sollten bei einer gleichen Bevölkerung nicht eine von 80
Geschützen herstellen können?

Oder ist die Handelsflotte derselben geringer? sie ist doppelt so groß!
Oder die Bevölkerung ärmer? die der deutschen Küsten schließt die beiden
reichsten Städte des nördlichen Europas, die dritte Handelsstadt der Welt
ein. Oder sind diese deutschen Staaten von einer furchtbaren Militärlast er¬
drückt? sie stellen etwa 1'Procent der gegenwärtigen Bevölkerung, während
die dänische Landarmee im Verhältniß mehr als doppelt so groß ist.

Wenn vor Kurzem ein Privatmann aus einem dieser Küstenstaaten die
deutsche Nation zu Beiträgen für die Herstellung einer Schraubenflotille auf¬
gefordert hat, so darf man wol eingestehen, daß dasvate paupero Lelisario
obowm! hier nicht wol anwendbar ,se. Die freie PrivattlMgkcit für den
Zweck einer Flotte wird sich in Deutschland vernünftiger Weise dahin zu wen¬
den haben, wo nicht das eigene unmittelbare Interesse die Verpflichtung auf¬
erlegt und wo eine großartige und wirksame Anwendung im Interesse der
ganzen Nation zu erwarten steht und beides ist vorhanden, insofern Preußen
sich an der Schöpfung einer Nordseeflotille betheiligen soll.

Wenn man annimmt, daß Hannover 15, Hamburg 10, Bremen 10,
Oldenburg 5 und Mecklenburg mit Lübeck 10 Schraubenbote herstellen würde,
so würden sich diese Staaten dadurch keine sehr schwere Last auflegen. Was
'se für das reiche Hamburg oder Bremen eine Ausgabe von einer halben Mil¬
lion Thaler, ausgegeben, um den Verlust von einigen hundert Millionen zu
verhüten?

Es könnte von diesen Staaten geltend gemacht werden, daß diese Opfer
nicht bloß dem Interesse der Küsten, sondern auch .des Binnenlandes gebracht
würden und daß daher auch die Binnenstaaten sich an denselben beteiligen
müssen — eine Rechnung, nach der Preußen mehr als die Hälfte seines Militär¬
etats den übrigen deutschen Staaten ausrechnen könnte. Das nächste und directe
Interesse haben denn doch in der That die deutschen Küsten daran, daß ihr See¬
handel nicht unterbrochen werde. Die Rheder. denen die Schiffe gehören, und
meistentheils die Waaren, mit welchen dieselben befrachtet werden, gehören
regelmäßig den Einwohnern der Küstenstaaten an. Unter der Blockade leiden
zunächst und am Meisten die Bewohner der Küsten.

Das Princip, wonach die hannöversche Negierung im Jahre 1848 die
Kosten eines Schiffs dem Bunde liquidiren wollte, welches von ihr ausge¬
sandt war, um die eigenen und natürlich auch andre deutsche Schiffe vor
dänischen Kreuzern zu warnen, scheint uns ebenso engherzig als kläglich.

Es möge uns erlaubt sein, die Küstenstaaten daran zu erinnern, daß sie
in keiner Weise über das streng vorgeschriebene Bundesmaaß hinaus zur Na-


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[0039] Dänemark unterhält eine Flotte von gegen 1000 Geschützen und die deut¬ schen Nordseestaaten sollten bei einer gleichen Bevölkerung nicht eine von 80 Geschützen herstellen können? Oder ist die Handelsflotte derselben geringer? sie ist doppelt so groß! Oder die Bevölkerung ärmer? die der deutschen Küsten schließt die beiden reichsten Städte des nördlichen Europas, die dritte Handelsstadt der Welt ein. Oder sind diese deutschen Staaten von einer furchtbaren Militärlast er¬ drückt? sie stellen etwa 1'Procent der gegenwärtigen Bevölkerung, während die dänische Landarmee im Verhältniß mehr als doppelt so groß ist. Wenn vor Kurzem ein Privatmann aus einem dieser Küstenstaaten die deutsche Nation zu Beiträgen für die Herstellung einer Schraubenflotille auf¬ gefordert hat, so darf man wol eingestehen, daß dasvate paupero Lelisario obowm! hier nicht wol anwendbar ,se. Die freie PrivattlMgkcit für den Zweck einer Flotte wird sich in Deutschland vernünftiger Weise dahin zu wen¬ den haben, wo nicht das eigene unmittelbare Interesse die Verpflichtung auf¬ erlegt und wo eine großartige und wirksame Anwendung im Interesse der ganzen Nation zu erwarten steht und beides ist vorhanden, insofern Preußen sich an der Schöpfung einer Nordseeflotille betheiligen soll. Wenn man annimmt, daß Hannover 15, Hamburg 10, Bremen 10, Oldenburg 5 und Mecklenburg mit Lübeck 10 Schraubenbote herstellen würde, so würden sich diese Staaten dadurch keine sehr schwere Last auflegen. Was 'se für das reiche Hamburg oder Bremen eine Ausgabe von einer halben Mil¬ lion Thaler, ausgegeben, um den Verlust von einigen hundert Millionen zu verhüten? Es könnte von diesen Staaten geltend gemacht werden, daß diese Opfer nicht bloß dem Interesse der Küsten, sondern auch .des Binnenlandes gebracht würden und daß daher auch die Binnenstaaten sich an denselben beteiligen müssen — eine Rechnung, nach der Preußen mehr als die Hälfte seines Militär¬ etats den übrigen deutschen Staaten ausrechnen könnte. Das nächste und directe Interesse haben denn doch in der That die deutschen Küsten daran, daß ihr See¬ handel nicht unterbrochen werde. Die Rheder. denen die Schiffe gehören, und meistentheils die Waaren, mit welchen dieselben befrachtet werden, gehören regelmäßig den Einwohnern der Küstenstaaten an. Unter der Blockade leiden zunächst und am Meisten die Bewohner der Küsten. Das Princip, wonach die hannöversche Negierung im Jahre 1848 die Kosten eines Schiffs dem Bunde liquidiren wollte, welches von ihr ausge¬ sandt war, um die eigenen und natürlich auch andre deutsche Schiffe vor dänischen Kreuzern zu warnen, scheint uns ebenso engherzig als kläglich. Es möge uns erlaubt sein, die Küstenstaaten daran zu erinnern, daß sie in keiner Weise über das streng vorgeschriebene Bundesmaaß hinaus zur Na-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/39>, abgerufen am 03.07.2024.