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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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gischen Handel zu erhalten, mitunter freilich läßt die Handelseifersucht es nicht
zu einer wirklichen Hilfe kommen, wie das wahrend der letzten Jahre in Ja¬
pan der Fall war, wo die hanseatischen Staatsangehörigen von englischer Seite
direct benachteiligt wurden und daher von der Japanischen Negierung aus-
getrieben worden wären, wenn nicht preußische Kriegsschiffe dazwischen kamen.

In vielen Fällen kann eine fremde Nation nicht einmal den Schutz über-
nehmen, wie z. B. jetzt ein den nordamerikanischen Küsten, wo von Seiten
der Nordstaaten durch chicanösc Blokaden der Handel der Neutralen beeinträch¬
tigt wird.

Dieser klägliche Zustand führt dazu, daß man in den Hansestädten sich da,
wo es Kosten macht, von dem Verbände mit Deutschland und seinen Interessen
loszumachen sucht.

Bei dem Ausbruch des dänischen Kriegs suchte Hamburg neutral zu
bleiben. Während die Bevölkerung Hamburgs und Lübecks mit ganzer Seele
fin die deutsche Sache eintrat, suchten dagegen die Magistrate dieser beiden
Städte sich bei dem Feinde beliebt zu machen. In Hamburg geschah dies
nur in untergeordneten, namentlich Post-Verhältnissen, in Lübeck ging es so weit,
daß unter Verletzung der ersten Pflichten des Völkerrechts und der Menschlich¬
keit einem verfolgten Schleswig-holsteinischen Kriegsfahrzeuge der Aufenthalt in
der Trcwe verweigert und dasselbe dadurch dem Feinde überliefert wurde.

Wie darf es, bei solcher Herabstimmung mannhafter und nationaler Ge¬
fühle, Wunder nehmen, wenn gegenwärtig in den Hansestädten Stimmen
inne werden, daß es nicht bloß kostspielig, sondern gefährlich sei, Kriegsschiffe
M besitzen! Der Satz, daß man mit Betteln weiter komme als mit Krieg,
lautet heute auch wol: der friedliche Handel flöße nirgends Mißtrauen ein
und sei überall willkommen.

Die lange Gewohnheit der Machtlosigkeit und das Bitten hat die Ein¬
sicht genommen, daß der schutzlose d. h. "friedliche" Handel nur deshalb will¬
kommen ist. weil man sich im Auslande mit ihm nicht zu geniren braucht,
diesen Leuten sind die Engländer mit ihrer großen Flotte Dummköpfe; sich
von einer einzigen dänischen Fregatte die Lebensader abschneiden zu lassen.
K'U für Weisheit; denn wenn man dadurch auch mit Einem Schlage Millionen
stiert, so hat man doch vorher einige Tausende gewonnen.

Indessen die dunkle Nacht, die sich seit Jahrhunderten über die Hansestädte
Kie Über ganz Deutschland gelegt hat, ist im Entweichen begriffen. Auch in
^n Bürgerschaften der Hansestädte macht sich der frischere Lufthauch der neuen
3°it geltend und führt jenen Sinn wieder zurück, der die alte Hansa zur ineer-
beherrschenden Seemacht erhob. Es ist Zeit, daß die Magistrate dieser Städte
ienes Wort, daß man mit Betteln weiter als mit Krieg komme, aus der Flagge
^ Hansestädte, aus der es seit drei Jahrhunderten geschrieben steht, auslöschen


gischen Handel zu erhalten, mitunter freilich läßt die Handelseifersucht es nicht
zu einer wirklichen Hilfe kommen, wie das wahrend der letzten Jahre in Ja¬
pan der Fall war, wo die hanseatischen Staatsangehörigen von englischer Seite
direct benachteiligt wurden und daher von der Japanischen Negierung aus-
getrieben worden wären, wenn nicht preußische Kriegsschiffe dazwischen kamen.

In vielen Fällen kann eine fremde Nation nicht einmal den Schutz über-
nehmen, wie z. B. jetzt ein den nordamerikanischen Küsten, wo von Seiten
der Nordstaaten durch chicanösc Blokaden der Handel der Neutralen beeinträch¬
tigt wird.

Dieser klägliche Zustand führt dazu, daß man in den Hansestädten sich da,
wo es Kosten macht, von dem Verbände mit Deutschland und seinen Interessen
loszumachen sucht.

Bei dem Ausbruch des dänischen Kriegs suchte Hamburg neutral zu
bleiben. Während die Bevölkerung Hamburgs und Lübecks mit ganzer Seele
fin die deutsche Sache eintrat, suchten dagegen die Magistrate dieser beiden
Städte sich bei dem Feinde beliebt zu machen. In Hamburg geschah dies
nur in untergeordneten, namentlich Post-Verhältnissen, in Lübeck ging es so weit,
daß unter Verletzung der ersten Pflichten des Völkerrechts und der Menschlich¬
keit einem verfolgten Schleswig-holsteinischen Kriegsfahrzeuge der Aufenthalt in
der Trcwe verweigert und dasselbe dadurch dem Feinde überliefert wurde.

Wie darf es, bei solcher Herabstimmung mannhafter und nationaler Ge¬
fühle, Wunder nehmen, wenn gegenwärtig in den Hansestädten Stimmen
inne werden, daß es nicht bloß kostspielig, sondern gefährlich sei, Kriegsschiffe
M besitzen! Der Satz, daß man mit Betteln weiter komme als mit Krieg,
lautet heute auch wol: der friedliche Handel flöße nirgends Mißtrauen ein
und sei überall willkommen.

Die lange Gewohnheit der Machtlosigkeit und das Bitten hat die Ein¬
sicht genommen, daß der schutzlose d. h. „friedliche" Handel nur deshalb will¬
kommen ist. weil man sich im Auslande mit ihm nicht zu geniren braucht,
diesen Leuten sind die Engländer mit ihrer großen Flotte Dummköpfe; sich
von einer einzigen dänischen Fregatte die Lebensader abschneiden zu lassen.
K'U für Weisheit; denn wenn man dadurch auch mit Einem Schlage Millionen
stiert, so hat man doch vorher einige Tausende gewonnen.

Indessen die dunkle Nacht, die sich seit Jahrhunderten über die Hansestädte
Kie Über ganz Deutschland gelegt hat, ist im Entweichen begriffen. Auch in
^n Bürgerschaften der Hansestädte macht sich der frischere Lufthauch der neuen
3°it geltend und führt jenen Sinn wieder zurück, der die alte Hansa zur ineer-
beherrschenden Seemacht erhob. Es ist Zeit, daß die Magistrate dieser Städte
ienes Wort, daß man mit Betteln weiter als mit Krieg komme, aus der Flagge
^ Hansestädte, aus der es seit drei Jahrhunderten geschrieben steht, auslöschen


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[0377] gischen Handel zu erhalten, mitunter freilich läßt die Handelseifersucht es nicht zu einer wirklichen Hilfe kommen, wie das wahrend der letzten Jahre in Ja¬ pan der Fall war, wo die hanseatischen Staatsangehörigen von englischer Seite direct benachteiligt wurden und daher von der Japanischen Negierung aus- getrieben worden wären, wenn nicht preußische Kriegsschiffe dazwischen kamen. In vielen Fällen kann eine fremde Nation nicht einmal den Schutz über- nehmen, wie z. B. jetzt ein den nordamerikanischen Küsten, wo von Seiten der Nordstaaten durch chicanösc Blokaden der Handel der Neutralen beeinträch¬ tigt wird. Dieser klägliche Zustand führt dazu, daß man in den Hansestädten sich da, wo es Kosten macht, von dem Verbände mit Deutschland und seinen Interessen loszumachen sucht. Bei dem Ausbruch des dänischen Kriegs suchte Hamburg neutral zu bleiben. Während die Bevölkerung Hamburgs und Lübecks mit ganzer Seele fin die deutsche Sache eintrat, suchten dagegen die Magistrate dieser beiden Städte sich bei dem Feinde beliebt zu machen. In Hamburg geschah dies nur in untergeordneten, namentlich Post-Verhältnissen, in Lübeck ging es so weit, daß unter Verletzung der ersten Pflichten des Völkerrechts und der Menschlich¬ keit einem verfolgten Schleswig-holsteinischen Kriegsfahrzeuge der Aufenthalt in der Trcwe verweigert und dasselbe dadurch dem Feinde überliefert wurde. Wie darf es, bei solcher Herabstimmung mannhafter und nationaler Ge¬ fühle, Wunder nehmen, wenn gegenwärtig in den Hansestädten Stimmen inne werden, daß es nicht bloß kostspielig, sondern gefährlich sei, Kriegsschiffe M besitzen! Der Satz, daß man mit Betteln weiter komme als mit Krieg, lautet heute auch wol: der friedliche Handel flöße nirgends Mißtrauen ein und sei überall willkommen. Die lange Gewohnheit der Machtlosigkeit und das Bitten hat die Ein¬ sicht genommen, daß der schutzlose d. h. „friedliche" Handel nur deshalb will¬ kommen ist. weil man sich im Auslande mit ihm nicht zu geniren braucht, diesen Leuten sind die Engländer mit ihrer großen Flotte Dummköpfe; sich von einer einzigen dänischen Fregatte die Lebensader abschneiden zu lassen. K'U für Weisheit; denn wenn man dadurch auch mit Einem Schlage Millionen stiert, so hat man doch vorher einige Tausende gewonnen. Indessen die dunkle Nacht, die sich seit Jahrhunderten über die Hansestädte Kie Über ganz Deutschland gelegt hat, ist im Entweichen begriffen. Auch in ^n Bürgerschaften der Hansestädte macht sich der frischere Lufthauch der neuen 3°it geltend und führt jenen Sinn wieder zurück, der die alte Hansa zur ineer- beherrschenden Seemacht erhob. Es ist Zeit, daß die Magistrate dieser Städte ienes Wort, daß man mit Betteln weiter als mit Krieg komme, aus der Flagge ^ Hansestädte, aus der es seit drei Jahrhunderten geschrieben steht, auslöschen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/377>, abgerufen am 22.12.2024.